Angst ist kein Geschäftsmodell

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Prof. Dr. Thomas Druyen, Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie sowie des Institutes für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien.

Kommentar von Prof. Dr. Thomas Druyen [1].

Der Trendindex 2016 von 2bAhead dokumentiert, dass sich die Stimmung in den befragten deutschen Unternehmen vorsichtig in Richtung Innovationsbereitschaft bewegt. Gleichzeitig zeigt die Untersuchung eindrücklich, dass dennoch Angst als größter Innovationsverhinderer sein Unwesen treibt. An dieser Stelle eröffnet sich für die Zukunftspsychologie eine Kommentierungsoption, die ich gerne weiter ausführe. Wie uns Barometer im Leben helfen, adäquat auf Temperaturschwankungen zu reagieren, so geben Stimmungsmessungen einen Hinweis auf unsere Veränderungsbereitschaft. Bei den studienspezifischen Befragungen wird deutlich, dass die eigene Zukunftsflexibilität weit höher eingeschätzt wird, als das diesbezügliche Klima in Deutschland generell.

Strukturelle Staukonstellation

Das ist interessant. Auf der einen Seite bietet diese Einschätzung positive Beurteilungsmöglichkeiten der eigenen Performance, auf der anderen Seite bietet die mangelnde Aufgeschlossenheit auch das Potenzial der Schuldzuweisung. Wir haben es mit einer paradoxen Situation zu tun: einerseits ist die unabdingbare Veränderungsnotwendigkeit erkannt oder gefühlt, andererseits führen Angst, Verdrängung, Ausreden und Gewohnheit zu Passivität, zu Irritation und geradewegs ins Hintertreffen. Dies ist eine strukturelle Staukonstellation, die uns überall begegnet.

Opfer der eigenen Trägheit

Wir sehen einige Unternehmen und Persönlichkeiten, die voranschreiten oder Scoutfunktionen übernehmen und andere, die verharren. Allerdings wird das Warten auf die Folgen des Wartens für die meisten in einer Katastrophe enden. Die technische und exponentielle Beschleunigung verzeiht wohl keine verständnisorientierten und emotionalen Verschnaufpausen. Vor diesem Hintergrund führt das Phänomen der Angst in eine nachteilige und unausweichliche Sackgasse. Die Probleme vervielfältigen sich und wie bei einem Wasserrohrbruch ist man mit Krisenmanagement überflutet und kommt eigentlich zunehmend zu spät. Prävention und Gestaltung bleiben auf der Strecke, man ist ein Opfer der eigenen Trägheit.

Ignoranz als Strategie

In enger Verbindung zu dieser Beharrungsmanie stehen auch die im Trendindex vordringlich erwähnten Handlungsoptionen zum demografischen Wandel. Ein permanent diskutiertes Phänomen, das schon seit Jahrzehnten bekannt und absehbar ist, und dennoch eindrücklich offenbart, wie Politik, Unternehmen und Gesellschaft Ignoranz als Strategie etabliert haben. Die wissenschaftliche Publikationslage ist seit mindestens zwei Jahrzehnten hervorragend. Und auch die Zahl der medialen, bevölkerungsspezifischen, vorsorge- und arbeitstechnischen oder pflegeorientierten Materialien bietet eine ausufernde Informationsgrundlage. Die Ignoranz ist eben keine Verweigerung der Wahrnehmung, sondern viel schlimmer, ein Offenbarungseid in Richtung Umsetzung der klaren Erkenntnisse.

Insofern dokumentieren frühzeitig und eindeutig benannte Trends und der zeitliche Verlauf ihrer Nichtberücksichtigung ein markantes Bild gesellschaftlicher Teilnahmslosigkeit. In den letzten zwei Jahren haben wir eine Studie zum intergenerativen Zukunftsmanagement durchgeführt und publiziert. Darin haben wir uns drei Generationen – Großeltern, Eltern, Enkel – und ihren Umgang mit der demografischen Entwicklung angeschaut. Die Ergebnisse korrespondieren sehr deutlich mit den drei Innovationsblockaden, die von 2bAhead identifiziert wurden. Angst und Glaube spielen dabei eine wesentliche Rolle und stehen in einem eng verknüpften Zusammenhang.

Überforderung und Selbstverteidigung

Die Angst hat viele Ursachen, aber grundsätzlich kann sie gegenwärtig skizzenhaft als Überforderung und Selbstverteidigung verstanden werden. Das Übermaß an Wissen, Information, Neuigkeit und extremer Beschleunigung führt sozusagen zum Selbstschutz in Sphären der Verdrängung, der Ignoranz und der Vereinfachung. Da ist das Festhalten an alten Überzeugzungen und Gewohnheiten, die Verwendung von Schwarz-Weiß-Mustern, eine intuitive Reaktion auf zu viel Komplexität. Der Glaube im vorliegenden Zusammenhang ist eben nicht ein spiritueller oder religiöser, sondern eine eher eingefahrene Form der Überzeugung.

Diese psychologischen Verengungen sind natürlich auch bei Führungskräften zu beobachten und werden im Trendindex unter dem Begriff der Macht interpretiert. Gerade im Bereich der Digitalisierung kann man sehr gut beobachten wie der öffentliche Glaubenskrieg zwischen Singularität und Linearität im Wirtschaftsleben seine Fortführung findet. Je stärker die hierarchische Selbstüberzeugung, desto geringer scheint mir die Zukunftsoffenheit zu sein. Wer die Realität oder die unternehmerischen Perspektiven erzwingen will, scheitert nicht an der Wirklichkeit, sondern an sich selbst. In einer Gemengelage, in der nur die Unvorhersehbarkeit Gewissheit bietet, verändern sich zwangsläufig die Prozesse, aber zwingend bedarf es auch einer Veränderung der Selbstwahrnehmung.

Macht als Bollwerk emotionaler Ratlosigkeit

Vor diesem Hintergrund wird hierarchische Macht oftmals zum Bollwerk emotionaler Ratlosigkeit. Führungspersönlichkeiten, die das Neue in ihrer Wirksamkeit nicht einschätzen können, kleben an bekannten Mustern. Die Tendenz, das Erreichte zu sichern oder sogar Einbußen in Kauf zu nehmen, ist gerade in Deutschland sehr verbreitet. Die Chancen des Möglichen oder des Risikos werden in fast allen Milieus viel seltener wahrgenommen. Diese Mentalität führt automatisch zu unterschiedlichen Verhaltensweisen bei Unternehmern oder Managern. Die verschiedenen Zeithorizonte der Verantwortung ziehen auch andere Verfahrensweisen mit der Zukunft nach sich, da es meist um eine Abwägung zwischen Kurz- und Langfristigkeit geht.

Brücken in die Zukunft

Auch wenn man es kaum noch hören kann, nie war Veränderung so notwendig wie heute. Warum ist man genervt, wenn man diesen Satz hört? Weil man weiß oder ahnt, dass die Selbstveränderungsbereitschaft kaum Schritt halten kann mit den exponentiellen Zäsuren. Und genau dieser Wille zur Veränderung, zur Öffnung, zur Intuition und zur Phantasie sind unsere Brücken in die Zukunft. Dass dies in seriösen unternehmerischen, gesetzlichen und ethischen Bahnen ablaufen soll, ist klar. Und dennoch gilt es Grenzen zu verschieben. Vor allem die eigenen, denn gerade sie streuen uns Sand in die Augen.

Arroganz kann Weisheit oder Souveränität nicht ersetzen

Zum Abschluss des Trendindex fordern die Autoren, dass hinter den Worthülsen auch Strategien und Taten folgen müssen: » Besonders die Vorbildfunktion der Führungskräfte spielt eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, Aktionen in die Tat umzusetzen und Innovationen zu leben und nicht ausschließlich darüber zu reden.« Wie wahr! Zu dieser Umsetzung gehört aber nicht nur die Implementierung einer sich immer schneller entwickelnden Technologie, sondern auch eine neuronale, psychologische und emotionale Weiterbildung. Das Verständnis, guter wissenschaftlicher und spiritueller Lehrer, immer auch Schüler zu bleiben, ist bei den meisten Entscheidungsträgern noch nicht angekommen. Bei aller Unvorhersehbarkeit bleibt eins gewiss, Arroganz kann Weisheit oder besser Souveränität nicht ersetzen. Die Zukunft ist kein Ultimatum für bestimmte Branchen oder Hierarchieebenen, sondern das Resultat der gelebten Verhältnisse.

[1] Prof. Dr. Thomas Druyen, Direktor des Institutes für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie sowie des Institutes für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien.


Studie: Jeder dritte Innovationschef der Wirtschaft verhindert Innovationen aus Angst

 

  • Dauerstudie zeigt signifikanten Anstieg des Trendklimas in der deutschen Wirtschaft.
  • Top 3 der Innovationsverhinderer sind: Angst, Macht und Glauben.

 

Laut den neusten Ergebnisse der Dauerstudie »Deutscher Trendindex« zum Trendklima in der deutschen Wirtschaft hat sich das Trendklima in der deutschen Wirtschaft in den vergangenen sechs Monaten signifikant verbessert [1]. In der Studie erreicht das aktuelle Trendklima einen Wert von 144, nach 127 vor einem halben Jahr. Der Trendindex kann einen Wert zwischen 0 und 200 annehmen. Ein Trendindex von 100 würde ein gleichbleibendes Trendklima anzeigen. Werte über 100 signalisieren eine zunehmende Trendorientierung.

Der Director Trend Research, Studies & Events des 2b AHEAD ThinkTanks, Michael Carl, erklärte diese positive Entwicklung mit harten Zahlen. Sowohl hinsichtlich des eingesetzten Innovationsbudgets als auch bei den beschäftigten Innovationsmitarbeitern und bei der Nutzung externer Innovationsdienstleister werden in den befragten Unternehmen aktuell über 10 Prozent mehr Ressourcen für Innovation eingesetzt als noch sechs Monate zuvor. Für die kommenden 6 Monate ist die Stimmung ähnlich positiv. Hier wird insbesondere eine Ausweitung der Beauftragung von externen Innovationsdienstleistern erwartet.

Die wichtigsten Trends und Handlungsoptionen in den Innovationsstrategien der Unternehmen sind:

  1. Die Einrichtung eines Omnichannel-Managements für den Kundendialog (67 %)
  2. Maßnahmen als Reaktion auf den demografischen Wandel (66 %)
  3. Die Entwicklung adaptiver Produkte (64 %)

Allerdings halten die Innovations-Chefs diese Trends für unterschiedlich dringend. Während aktuell und im verbleibenden Rest des Jahres vor allem konkreten Maßnahmen in der systematischen Trendbeobachtung durch Trendscouting und Trendradare (32 %) sowie die Einrichtung und Pflege unternehmensinterner, sozialer Netzwerke (31 %) umgesetzt werden, verlagern sich die konkret geplanten Maßnahmen in den kommenden 2 Jahren auf:

  • Maßnahmen gegen den demografischen Wandel (48 %),
  • das Omnichannel-Management (46 %) und
  • Big Data Analysen zum besseren Kundenverständnis (43 %).

Als weniger dringlich werden konkrete Technologien bewertet. So erreichen nach Meinung der befragten Innovationschefs die Technologien wie der 3D-Druck, Virtual und Augmented Reality sowie das teilautonome Fahren erst in 5 Jahren eine signifikante Dringlichkeit.

Auffällig: Optimismus für eigenes Unternehmen – Pessimismus für Gesellschaft

Ein auffälliges Phänomen unter Deutschlands Innovationschefs ist der Optimismus für den eigenen Verantwortungsbereich bei gleichzeitigem Pessimismus für die Gesamtwirtschaft. So beurteilen 81 % der Befragten das Innovationsklima im eigenen Unternehmen als positiv oder sehr positiv. Unter den gleichen Befragten halten aber nur 48 % auch das Innovationsklima in der Gesamtwirtschaft für positiv oder sehr positiv.

 

Top 3 der Innovationsverhinderer

Die Dauerstudie »Deutscher Trendindex« hat im vergangenen Halbjahr erstmals auch die Innovationsverhinderer in der deutschen Wirtschaft untersucht. 52 % der Befragten halten Angst für den stärksten Innovationsverhinderer. Die Top 3 der wichtigsten Innovationsverhinderer in der Wirtschaft sind demnach …

  1. Angst (52 %)
  2. Macht (37 %)
  3. Glauben (11 %)

… auf den Plätzen 4-8: Politik, Bürokratie, Bildungssystem, Datenschutz und finanzielle Unsicherheit.

 

Angst: Mehr als ein Drittel der befragten Innovationschefs (35 %) geben sogar zu, dass sie selbst schon einmal eine Innovation aus Angst verhindert hätten. Wohlgemerkt: Dies sind keine der üblichen Bedenkenträger, sondern diejenigen Führungspersonen, die das Unternehmen angestellt hat, um Innovation zu befördern.

Macht: Mehr als die Hälfte (54 %) der Mitarbeiter deutscher Unternehmen befürchten einen Machtverlust durch die Umsetzung von Innovationsprojekten. Hingegen erwarten nur 40 % einen Machtgewinn durch die Umsetzung von Innovationsprojekten. Und selbst unter den Vorständen erhoffen nur 41 % einen Machtgewinn durch Innovationen. Nur 10 % der Befragten geben an, dass in ihrem Unternehmen die Mehrheit der Innovationsideen die Hürde Macht überwinden. Das bedeutet: In 90 % der Unternehmen scheitert die Mehrheit der Innovationsideen an der Hürde Macht!

Glauben: Starke Innovationen gehen zielgerichtet über existierende Glaubensgrenzen und Denkmuster hinaus und setzen voraus, den Glauben an bestehende Regeln in Frage zu stellen und zu erweitern. Allerdings sind Ingenieure und Fachexperten selten in der Lage, ihren Glauben an die Regeln ihres Bereiches infrage zu stellen. Unter den Befragten herrscht mit 80 % Zustimmung eine große Einigkeit, dass Quereinsteiger innovativer sind als langjährige Experten. Doch wollen die Unternehmen akzeptieren, dass ihre Langzeitexperten dauerhaft weniger innovativ sind? Oder müsste die verantwortungsbewusste Führungsstrategie nicht lauten: ›Mache alle Langzeitexperten zu Quereinsteigern!‹

 

Der Director Trend Research, Studies & Events des 2b AHEAD ThinkTanks, Michael Carl, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Ursachen dieses Ergebnisses. Carl wörtlich: »Diese Zahlen mögen zwar unser Vertrauen in die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erschüttern, aber sie sind kein zufälliges Ergebnis. Dies wird sichtbar, wenn man die Frage stellt, wie deutsche Unternehmen ihre Führungskräfte unterstützen, Entscheidungen auf unsicherer Basis zu treffen. Hier werden an den ersten Stellen Uralt-Konzepte wie Netzwerke (52 %) und Fortbildung (49 %) genannt. Dies zeigt deutlich, dass die Unternehmen noch keine Konzepte für den Wandel der Unternehmenskultur in Zeiten eines starken Veränderungsdrucks haben. Kaum jemand hat bislang den Schlüssel gefunden, seine Führungskräfte zu klaren Entscheidungen zu befähigen, mit agilen Methoden in den disruptiven Zeiten der Digitalisierung. Dies wird DAS THEMA der kommenden Monate und Jahre sein!«

[1] Hintergrund: Der 2b AHEAD ThinkTank ist ein Zukunftsforschungsinstitut in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Studien und Trendanalysen des Instituts zu den Lebens-, Arbeits- und Konsumwelten der Zukunft und seine Strategieempfehlungen zu Geschäftsmodellen der Zukunft bilden die Basis für die Zukunftsstrategien vieler Unternehmen. 2b AHEAD versteht sich als der Business-ThinkTank mit dem größten Innovatoren-Netzwerk in der deutschen Wirtschaft. Für seine deutschen und europäischen Kunden analysiert der 2b AHEAD ThinkTank in wissenschaftlichen Trendstudien die Chancen und Risiken der Trendentwicklungen individuell für deren Geschäft. Mit Methoden der qualitativen Sozialforschung erkennen die Zukunftsforscher die Treiber und Blockaden aktueller und kommender Geschäftsmodelle weit über die Branchengrenzen hinaus.
Der »Deutscher Trendindex« ist eine halbjährlich wiederkehrende Dauerstudie des 2b AHEAD ThinkTanks. Die Studie befragt halbjährlich mehr als 200 Innovations-Chefs aus allen Branchen der deutschen Wirtschaft. Sie ist nicht repräsentativ für die Gesamtheit der deutschen Wirtschaft, da sie nur jene Unternehmen befragt, die bereits Innovationsabteilungen oder Innovationsverantwortliche in ihrer Struktur haben. Insofern gibt die Studie ein Stimmungsbild des innovationsbewussten Teils der deutschen Wirtschaft. Die Innovationschefs werden in einer halbjährlich wiederkehrenden Onlinebefragung sowie weiterführenden qualitativen Telefoninterviews nach ihren Einschätzungen zum aktuellen Stand des Trendklimas in ihrem Unternehmen und der Gesamtwirtschaft sowie nach ihrer Prognose für die kommenden sechs Monate befragt.

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