Bundesregierung muss Strategie zur Stärkung des Digitalstandorts Deutschland entwickeln

Neue Studie belegt schlechte politische Rahmenbedingungen für Betreiber digitaler Infrastrukturen in Deutschland.

Angesichts ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung für den Standort Deutschland erfahren Betreiber digitaler Infrastrukturen hierzulande aktuell keine angemessene politische Unterstützung und Förderung. Gerade im internationalen Vergleich sind die politischen Rahmenbedingungen für Betreiber digitaler Infrastrukturen suboptimal. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie über die sozioökonomischen Chancen und Herausforderungen von Rechenzentren und anderer Betreiber digitaler Infrastrukturen im internationalen Vergleich, die vom Borderstep Institut im Auftrag der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland und eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. erstellt wurde [1].

»Funktionierende und leistungsfähige digitale Infrastrukturen sind das Rückgrat einer gelingenden digitalen Transformation in Deutschland und gleichzeitig Wachstumsmotor, Innovationstreiber und Multiplikator für andere Industrien, insbesondere im Bereich Industrie 4.0«, sagt Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz.

Dennoch werde dieser Wirtschaftsfaktor in Deutschland von Öffentlichkeit und Politik bisher wenig wahrgenommen und politisch praktisch gar nicht adressiert. »Das ist überraschend, angesichts der anspruchsvollen Wachstumsziele, die die Bundesregierung zuletzt im neuen Koalitionsvertrag im Bereich Digitalisierung definiert hat«, so Waldhauser. Fachkräftemangel, langwierige Genehmigungsverfahren und nicht zuletzt die hohen Stromkosten seien eindeutige Standortnachteile und eine Gefahr für den Digitalstandort Deutschland. Nicht nur in Sachen Breitbandausbau habe Deutschland seine Hausaufgaben nicht gemacht, sondern auch bei der Ansiedlungspolitik und Pflege bestehender Infrastrukturen bestehe Nachholbedarf.

»Deutschland droht hier im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren«, ergänzt Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. »Andere Länder haben bereits die Bedeutung der Branche erkannt und schaffen aktiv die notwendigen Rahmenbedingungen um auch zukünftig als Standort im Wettbewerb attraktiv zu sein.«

 

10 Politische Forderungen der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland

»Die Bundesregierung muss digitale Infrastrukturen in Deutschland endlich als Standortfaktor anerkennen und dringend eine Strategie für die Sicherung und den Ausbau der digitalen Infrastruktur hierzulande entwickeln«, fordern daher die Mitglieder der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland, zu der sich führende Rechenzentren-Betreiber und Colocation-Anbieter und Unternehmen aus der Anwender-Industrie jetzt unter dem Dach von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. zusammengeschlossen haben. Was politisch nötig ist, um den Digitalstandort Deutschland langfristig international wettbewerbsfähig zu halten, haben die Unternehmen in insgesamt zehn Forderungen zusammenfasst:

 

  1. Digitale Infrastrukturen als wichtigen Faktor für Wirtschaftsstandort Deutschland anerkennen

Die Bundesregierung muss ein umfassendes Verständnis digitaler Infrastrukturen in Deutschland entwickeln. Anbieter von Rechenzentren, Co-Location- und Cloud-Infrastrukturanbieter genauso wie Internet- und Hostserviceprovider bilden das Rückgrat sämtlicher digitaler Wertschöpfungs- und Innovations-Ökosysteme. Ihre Innovations- und Wirkpotenziale genauso wie ihre Herausforderungen müssen volkswirtschaftlich stärker gewichtet und in Politikkonzepte einbezogen werden.

 

  1. Breitbandausbau vorantreiben

Um das komplette Potenzial der digitalen Infrastrukturen zum Gelingen der digitalen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft auszuschöpfen, ist der rasche Ausbau flächendeckend verfügbarer Breitbandnetze alternativlos und muss von der Bundesregierung stärker vorangetrieben werden.

 

  1. Deutschland als Rechenzentrumsstandort strategisch stärken und weiterentwickeln

Die Bundesregierung muss eine konsistente Strategie zur Stärkung des Rechenzentrumsstandorts Deutschland erarbeiten, die Aspekte der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und technologischen Innovation für die Anbieter und Anwender ebenso in den Fokus nehmen wie Aspekte der Datensicherheit und der digitalen Versorgung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Vor dem Hintergrund eines starken internationalen Wettbewerbs um die Ansiedlung von Rechenzentren ist es erforderlich, den Rechenzentrumsstandort Deutschland gezielt weiterzuentwickeln. Drei Zukunftsszenarien der Branche sind hierbei insbesondere zu berücksichtigen:

  1. Strategische Ansiedlung leistungsfähiger und energieeffizienter Hyperscaler, um beispielsweise auch im Bereich künstlicher Intelligenz eine zentrale Infrastrukturrolle der digitalen Welt von morgen spielen zu können.
  2. Konzeptionelle Einbindung von Zukunftsszenarien dezentraler Anforderungen an Mikrorechenzentren, wie sie bei Edge und/oder Fog Computing zum Einsatz kommen und die im Bereich autonomes Fahren, Industrie 4.0 sowie Smart Home & Smart City eine immer entscheidendere Rolle spielen werden.
  3. Stärkung und gezielte Förderung der bestehenden Infrastrukturen und Ausbau der Kerninfrastruktur, damit Deutschland seine Stellung im internationalen Standortwettbewerb halten kann.

 

  1. Maßnahmen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Geschäftsmodelle entwickeln

Auf Basis einer vorliegenden Strategie müssen – gemeinsam mit Bund, Ländern, Kommunen und der Wirtschaft – Maßnahmen entwickelt werden, die auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Rechenzentrumsbetreiber und deren Kunden zugeschnitten sind und auch in Bezug auf die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz alle Interessen berücksichtigen sowie Innovationspotenzial nutzen.

 

  1. Forschung im Bereich Rechenzentren fördern

Die Bundesregierung muss eine starke Forschungslandschaft rund um das Thema Rechenzentrum fördern. Hier gilt es, vor allem bestehende Stärken, sowohl im Bereich Security, High Performance Fog und Edge Computing als auch Konzepte zur nachhaltigen Energieeffizienzsteigerung für bestehende und zukünftige Infrastrukturen, deutlich auszubauen.

 

  1. Bürokratie abbauen, Verwaltungsprozesse effizienter und schlanker gestalten

Um dem zunehmenden Bedarf sowie dem schnellen Wachstum der digitalen Wirtschaft gerecht zu werden, müssen die Antrags- und Genehmigungsprozesse sowie Auflagen angepasst und effizienter gestaltet werden. Dies betrifft insbesondere die Verwaltungsprozesse für Neubauten, Änderungen und Modernisierungen. Hier gilt es, im Schulterschluss Bund, Länder und Kommunen Lösungen für die Anbieter von digitalen Infrastrukturleistungen zu finden.

 

  1. Aus- und Weiterbildung fördern

Mit der Digitalisierung der Wirtschaft geht einher, dass mehr und mehr technisches Wissen zum Auf- und Ausbau sowie Betrieb der digitalen Infrastrukturen in Deutschland benötigt wird. Fachkräfte sind hier der entscheidende Standortfaktor im europäischen und internationalen Wettbewerb. Es muss eine bundesweite Kampagne zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes digitaler Infrastrukturen unterstützt und gefördert werden, um auch zukünftig ausreichend qualifizierte Mitarbeiter für eine Tätigkeit in diesem Sektor zu gewinnen und zu halten.

 

  1. Ressortübergreifendes Vorgehen lernen

Die Politik muss im Umgang mit Anbietern digitaler Infrastrukturen ressortübergreifend ein abgestimmtes Vorgehen lernen und umsetzen, damit die anstehenden Herausforderungen, wie etwa im Bereich Stärkung des Wirtschaftsfaktors, Sicherung und Generierung von Fachkräften sowie Energiepreise und Forschungsansätze der Energieeffizienzsteigerung, ein tragfähiges Gesamtbild für einen leistungs- und wettbewerbsfähigen Digitalstandort Deutschland abgeben.

 

  1. Strategien auf EU-Ebene implementieren

Die auf die Rechenzentrumsbranche bezogenen Diskussionen und Strategien müssen ebenfalls eine entsprechende Verankerung und Verstärkung auf europäischer Ebene finden.

 

  1. Stromkosten wettbewerbsfreundlicher gestalten

Stromkosten sind ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für Rechenzentren. Die Stromkosten sind in Deutschland teilweise doppelt so hoch sind wie im europäischen Vergleich. Dies liegt vor allem an den erheblichen Umlagen, Abgaben und der Stromsteuer, die es in dieser Art und Höhe in anderen Ländern nicht gibt. Die Umlagen, Abgaben und Steuern für Rechenzentren müssen auf ein moderates Niveau gesenkt werden, um diesen Wettbewerbsnachteil abzumildern und in Europa wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies würde den Strom für Wärmepumpen günstiger machen, damit die Energiewende gerade in den Sektoren Wärmeversorgung und Elektromobilität vorantreiben und gleichzeitig die Zukunftsbranche der Rechenzentren international wettbewerbsfähiger machen.

 

 

[1] Die Borderstep-Studie »Bedeutung digitaler Infrastrukturen in Deutschland« ist online verfügbar unter https://www.eco.de/wp-content/uploads/dlm_uploads/2018/06/DI_Studie.pdf .
Weitere Informationen zur Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland gibt es online unter: www.digitale-infrastrukturen.net .
Über die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland
Die Internetwirtschaft ist Schlüsselbranche und Wachstumsmotor unserer Zeit: Ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft steigt seit Jahren kontinuierlich. Doch während Provider und große Anbieter sozialer Plattformen häufig im Fokus von Politik und Öffentlichkeit sind, bleiben die Unternehmen, die am Anfang der Wertschöpfungskette Internet stehen – nämlich Betreiber digitaler Infrastrukturen wie Rechenzentren oder Colocation Anbieter – bislang weitgehend unbekannt. Gleichwohl ist diese Branche von herausragender Bedeutung für eine gelingende digitale Transformation in Deutschland. Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland ist ein Zusammenschluss führender Unternehmen aus verschiedenen Branchen digitaler Infrastrukturen wie etwa Rechenzentrumsbetreiber, Co-Location-Anbieter, Internet Service Provider, Carrier, Cloudanbieter, Softwarehersteller und Vertreter aus der Anwendungsindustrie unter dem Dach von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.. Ihre Mitglieder wollen auf die Bedeutung ihrer Branche für den Digitalstandort Deutschland aufmerksam machen und in einen konstruktiven Dialog mit Politik und Öffentlichkeit treten.

 


 

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