Die eigenen Rechenzentren sind in die Jahre gekommen? Die Alternativen: Ertüchtigung, Neubau oder Outsourcing

Kein Business kann auf die Unterstützung durch die IT-Infrastruktur verzichten. In vielen Unternehmen ist das Datacenter auf eine Hochverfügbarkeit ausgerichtet, virtuelle und redundante Server und Speichersysteme sind heute Standard. Die Systeme dürfen nicht mehr ausfallen.

Dagegen wird die technische Infrastruktur in den Datacentern oft noch vernachlässigt und entspricht nicht den heutigen Anforderungen, um die Ausfallsicherheit der IT-Systeme auch zu gewährleisten. Energie, USV, Netzersatz, Löschsysteme, Klimatisierung usw., die für den Betrieb eines sicheren Datacenters erforderlich sind, gehören auf den Prüfstand. Fallen diese Systeme aus, steht auch die IT-Infrastruktur. In vielen Unternehmen ein Albtraum.

Die Tendenz geht hin zu den Hochverfügbarkeitsklassen:

Verfügbarkeitsklasse Beschreibung Kumulierte Ausfall-
Wahrscheinlichkeit pro Jahr
VK 3, 99,99 % Sehr hohe Verfügbarkeit < 1 h
VK4, 99,999% Höchste Verfügbarkeit Ca. 5 Minuten
VK 5, 100% Disaster-tolerant 0 Min

Tabelle: Verfügbarkeitsklassen nach BSI.

 

Die Energieversorgung

Dass die Stromversorgung immer zur Verfügung steht, ist nicht selbstverständlich. Stromausfälle auch über mehrere Stunden sind keine Seltenheit. Allein 2016 sind bisher rund 150 Stromausfälle bekannt geworden. Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) investieren häufig nicht mehr genug in ihre Anlagen, sondern in die erneuerbare Energie, dadurch haben sich Stromausfälle in den letzten Jahren dramatisch erhöht. Nicht selten versagt das Power Supply bei Wiederanlaufen des Stroms durch eine Überspannung. Die Ursachen können sein: Stromausfall im Kraftwerk, Stromunterbrechung in einem Umspannwerk, Unterbrechung der Logistik vom Kraftwerk zum Datacenter, Probleme in der Stromverteilung im Datacenter, Ausfall eines Power Supply in den IT-Systemen.

Der spektakulärste Stromausfall fand am 30. April 2016 im Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf statt, dem weltgrößten Teilchenbeschleuniger. Ein Marder hatte ein Kabel durchgebissen, die Folge war ein Ausfall von mehreren Tagen.

Viele Datacenter verfügen über keine redundante autarke Stromversorgung, es fehlt eine Netzersatzanlage, kurz NEA oder Diesel genannt. Die Voraussetzung für das Betreiben eines Datacenters ist eine sichere Stromversorgung, das fängt bei der Bereitstellung der Energieversorgungsunternehmen (EVU) an. Innerhalb des Datacenters ist eine redundante Stromversorgung (A- und B-Versorgung) durchgängig bis zu den Stromabnehmern notwendig.

Dazu gehören:

  • redundant ausgelegte Mittelspannunghauptverteiler (MSHV)
  • redundant ausgelegte Transformatoren
  • redundant ausgelegte, modular aufgebaute zentrale Niederspannungshauptverteiler (NSHV),
  • je NSHV eine n+1 modular konzipierte Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) mit Power-Unterverteilung
  • redundante Kabelzuführungen von der USV-Unterverteilung zu den Stromabnehmern
  • redundante Netzersatzanlage NEA beziehungsweise Diesel

Die USV hat die Aufgabe, mögliche kurze Stromausfälle zu überbrücken. Für den Datacenter-Betrieb werden spezielle USV angeboten. Diese haben auch die Aufgabe, Spannungs-schwankungen, Überspannungen, Unterspannungen, Spannungseinbrüche und Spannungsverzerrungen auszugleichen. Diese Störungen können die IT-Infrastruktur empfindlich schädigen oder gar zerstören. Die Hochverfügbarkeit ist gefährdet.

Längere Stromausfälle kann eine USV nicht überbrücken. Bei längerem Totalausfall übernimmt eine Netzersatzanlage (NEA) die Aufgabe der Stromerzeugung. Die NEA hält im Notfall den Betrieb eines Rechenzentrums mit der dazugehörenden technischen Infrastruktur wie Kühlung, Sicherheitseinrichtungen usw. aufrecht. Die Dieselbevorratung zum Betreiben der NEA sollte den Betrieb für mindestens 48 Stunden sicherstellen. Eine Betankung im laufenden Betrieb muss möglich sein.

Die redundante und modulare Ausprägung der technischen Infrastruktur ist Voraussetzung für die Ausfallsicherheit. Durch die Redundanz können die einzelnen Komponenten der IT-Infrastruktur im laufenden Betrieb gewartet und erweitert werden. Es gibt keine Unterbrechung.

Das automatische Feuerlöschsystem

In IT-Zentren herrscht ein besonders hohes Brandrisiko durch die hohe Energiedichte der installierten elektrischen Anlagen wie Server, Storages, Netzwerkkomponenten usw. sowie die damit verbundene große Abwärmemenge.

Hauptursache für Brände sind technische Defekte an elektrischen Geräten. Die IT-typische Brandgefahr liegt in den Schwelbränden durch Kurzschlüsse oder technische Defekte, die oft erst entdeckt werden, wenn ein Brandschaden bereits entstanden ist. Die Ursachen können zu gravierenden wirtschaftlichen Folgen führen.

Für die Sicherheit ist eine technisch hochwertige Brandfrühesterkennung in Verbindung mit einem zuverlässigen und schnellen automatischen Löschsystem erforderlich. Oft sind für die Feuerlöschung ausschließlich Handlöschsystemen vorgesehen. Damit kann jedoch keine Hochverfügbarkeit garantiert werden.

Die Klimatisierung

In vielen Datacentern existieren noch Klimatisierungen aus den Zeiten, als der Mainframe dominierte. Die Kühlluft wird in den Doppelboden geführt, der Raum und die Racks werden entsprechend gekühlt. Diese Art der Klimatisierung entspricht nicht mehr den heutigen hohen Anforderungen. Die Zuluft kommt nicht immer dort an, wo sie gebraucht wird. Häufig entstehen Hot Spots (Wärmenester), wodurch Ausfälle der IT-Komponenten möglich werden.

Noch vor etwa 10 Jahren lag die mittlere Wärmelast bei ca. 0,5 kW/m². Durch die zunehmende Integration und Packungsdichte der IT Komponenten ist der Mittelwert inzwischen bei 3,5 kW/m² angekommen. Es sind noch Klimageräte im Betrieb, die bis zu 60 Prozent des Energiebedarfs eines Datacenters ausmachen. Die ausreichende Klimatisierung der IT-Systeme ist entscheidend für die Verfügbarkeit und Sicherheit. Eine Redundanz ist erforderlich, um die Hochverfügbarkeit sicherzustellen und Wartungen im laufenden Betrieb zu ermöglichen.

Moderne Umluft und Präzisionsklimageräte sichern die Verfügbarkeit und reduzieren den Verbrauch um bis zu 40 Prozent durch eine maximale Energie-Effizienz gegenüber herkömmlichen Kompressorkühlsystemen. Je effizienter die Kühlung, desto weniger Energieverbrauch. Die Präzisionsklimageräte bieten optimale Bedingungen in Bezug auf das Halten der einmal eingestellten Temperatur. Die Luftfeuchte wird automatisch der Temperatur angepasst. Sie verteilen die gekühlte Luft intensiv und gleichmäßig im Raum.

Bei Ausstattung der Kühlsysteme mit indirekter freier Kühlung reduzieren sich die Energiekosten um bis 60 Prozent – Green IT! Bei kalten Außentemperaturen übernimmt das eingebaute Freikühlregister 100 Prozent der Kälteerzeugung. Je nach Standort kann die freie Kühlung bis zu 150 Tage im Jahr betrieben werden. Es wird ein umweltfreundliches Wasser-Glykol-Gemisch eingesetzt. Dieses Gemisch wird im Freikühlbetrieb an der Außenluft ohne den Betrieb des Kältekreislaufs abgekühlt. Die sonst dafür zuständige Kältemaschine ist ausgeschaltet. Nur bei hohen Außentemperaturen wird dieses Aggregat zugeschaltet. Die höheren Mehrkosten von ca. 20 Prozent für die freie Kühlung rechnen sich durch einen geringeren Energiebedarf.

Weitere Energieeinsparungen lassen sich durch die Anordnung der Racks in einer Kalt-/Warmgang-Einhausung erzielen. Siehe Abbildung:

grafik bsi kalt-warmgang-einhausung

Abbildung: Kaltgang Einhausung, Quelle BSI.

Bei Kaltgang-Einhausung (Cold Aisle Containment) wird die abgekühlte Zuluft über den Doppelboden gezielt in den eingehausten Kaltgang geblasen und mit gleichmäßig verteiltem Druck den IT-Komponenten zugeführt. Das Rack wird über die gesamte Höhe mit Kühlluft versorgt. Die erwärmte Abluft wird aus der Einhausung geblasen. Der Aufwand für die Kühlung wird reduziert, der Wirkungsgrad erhöht. Bei dieser Konstellation können Racks bis zu 20 kW gekühlt werden. Energie-Einsparungen gegenüber einer Nichteinhausung können bis zu 70 Prozent betragen.

Die Alternativen: Ertüchtigung, Neubau oder Outsorcing zu einem Dienstleister

Wenn über die Ertüchtigung oder den Neubau des eigenen Datacenter nachgedacht wird, sollte auch ein Outsourcing in die Überlegungen mit einbezogen werden. Wenn eine Totalrenovierung in einem bestehenden Datacenter ansteht, summieren sich die Kosten sehr schnell zu einem Millionenbetrag. Wenn ein Neubau in Betracht gezogen wird, verteuert sich die Investition um weitere Millionen Euro.

Eine Alternative ist die Auslagerung der IT-Infrastruktur zu einem Housing- bzw. Colocation-Dienstleister. Die Anbieter verfügen über ein hohes Maß an Sicherheit in ihren Gebäuden, das oft in eigenen Datacentern nur mit hohem Aufwand und Kosten erreicht werden kann. Zugangskontrollen, Video-Überwachung und Überwachung durch entsprechendes Sicherheitspersonal rund um die Uhr sorgen dafür, dass kein Unbefugter Zutritt zum Datacenter hat. Es werden Racks für einzelne Systeme, Cages für einen eigenen abgetrennten Bereich bis hin zu Suites (Rechenzentrum im Rechenzentrum) angeboten.

Die IT-Infrastruktur bleibt im Besitz des Kunden. Der Betrieb kann weiterhin von den eigenen Administratoren ausgeführt werden. Von den Dienstleistern wird auch ein Managed Service angeboten, der Routineaufgaben für die Kunden übernimmt. Oft sind die Standorte in der Nähe des Kunden angesiedelt. In diesem Fall reicht ein Dark-Fibre-Kabel vom Kunden zum Datacenter des Dienstleisters. Dabei müssen nicht einmal die IP-Adressen umgestellt werden. Für den Kunden entfällt der hohe finanzielle Aufwand für die Aktualisierung der technischen Infrastruktur bzw. Errichtung eines neuen Datacenters und kann davon ausgehen, dass der Dienstleister seine Umgebung permanent den aktuellen technischen Gegebenheiten anpasst.

Flächenerweiterungen bei Ausdehnen der eigenen IT-Infrastruktur sind kein Problem. Die meisten Dienstleister verfügen über entsprechende Reserveflächen. Zahlreiche Dienstleister haben in ihren Datacentern mehrere Carrier gehostet, die in kürzester Zeit DFÜ-Leitungen zu anderen Destination zur Verfügung stellen können und verfügen auch über eine Verbindung zu den wichtigsten Internetknoten. Nicht unwichtig, wenn irgendwo auf der Welt eine neue Niederlassung kurzfristig eröffnet werden soll. In Deutschland gibt es derzeitig über 200 Anbieter. Das Interesse der Kunden hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken.

autor wolfgang heinhaus experton  Wolfgang Heinhaus, Experton Group