Die teuersten Gebäude der Welt

Was lange währt, wird endlich eröffnet: In der Elbphilharmonie fand Anfang Januar 2017 nach fast zehnjähriger Bauzeit das erste Konzert statt. Bei der ersten Grundlagenermittlung für das Projekt wurden noch Kosten in Höhe von 77 Millionen Euro genannt. Nach Abschluss der Bauarbeiten belaufen sich die Kosten nun auf insgesamt 866 Millionen Euro. Berichten zufolge könnten die Kosten sogar noch höher liegen, da die Summen für Luxuswohnungen, die noch nicht verkauft wurden, nicht enthalten sind. Emporis, ein Anbieter von Gebäudeinformationen, zählt das neue Konzerthaus in einem Ranking damit zu den teuersten Gebäuden der Welt. Mit umgerechnet gut einer Milliarde Dollar liegt das neue Hamburger Wahrzeichen hinter Wolkenkratzern, Kasinos und Bürogebäuden auf Platz zwölf, wie die Grafik von Statista zeigt. Hedda Nier

grafik statista baukosten teuerste Gebäude

https://de.statista.com/infografik/7518/die-teuersten-gebaeude-der-welt/


Die heftigsten Kostensteigerungen bei Großprojekten

Rund 6,9 Milliarden Euro Mehrkosten, eine Kostensteigerung von 1150 Prozent: Nein, die Rede ist nicht vom Berliner Flughafen, sondern vom LKW-Maut-System »Toll Collect«. Das führt eine aktuelle Studie der Hertie School of Governance als das Großprojekt in Deutschland auf, das hinsichtlich der Kostenentwicklung am schlechtesten abgeschnitten hat. Auch auf Platz zwei folgt ein IT-Projekt, die erfolglose Schaffung einer gemeinsamen Steuerverwaltungs-Software der Länder.

Mit einer Kostensteigerung von 491 Prozent die höchste prozentuale Kostensteigerung bei einem Bauvorhaben verzeichnen die Autoren der Studie »Studie: Großprojekte in Deutschland« beim Bau des Schnellen Brüters in Kalkar: 494 Prozent teurer wurde der Bau des AKWs, das obendrein nie ans Netz ging. Und auch die Bischofsresidenz in Limburg wurde über 400 Prozent teurer – allerdings sind in absoluten Zahlen hier »nur« 25 Millionen Euro mehr ausgegeben worden.

Für den Großflughafen BER listet die Studie ein Anstieg um 125 Prozent oder rund 2,9 Milliarden Euro, für die Elbphilharmonie 146 Prozent oder 513,2 Millionen Euro Mehrkosten. Damit kommen beide nicht in die »Flop 10«. Ein anderes Hamburger Projekt wird hier jedoch verzeichnet: Die Sanierung des alten Elbtunnels. Hier wurden Kosten von 15 Millionen geplant. Es entstanden jedoch zusätzliche Mehrkosten von 71 Millionen, sprich ein Plus von 364 Prozent.

Für die Studie wurden 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte erfasst und analysiert, darunter 119 abgeschlossene und 51 noch laufende Projekte. Im Schnitt wurden die öffentlichen Großprojekte 73 Prozent teurer als geplant. Bauprojekte schlugen dabei besser zu Buche, als es in der öffentlichen Wahrnehmung oft gedacht wird: Während sich Projekte in den Bereichen Verkehr und öffentliche Gebäude durchschnittlich um 33 Prozent beziehungsweise 44 Prozent verteuern, sind es bei Energieprojekten 136 Prozent und bei IT-Projekten gar 394 Prozent des angesetzten Budgets.

grafik hertie school of governance statista kostensteigerungen bei großprojekten


Öffentliche Großprojekte: Frühe Planungsfehler setzen oft unaufhaltsame Kostenspirale in Gang

Wenn die Kosten bei öffentlichen Großprojekten aus dem Ruder laufen, so wurden entscheidende Fehler oft bereits in der Vorplanungsphase und bei der Projekt-Governance gemacht. Das zeigen Fallstudien zum Berliner Flughafen BER (125 Prozent Kostenüberschreitung) und zur Elbphilharmonie (146 Prozent) [1]. Der Autor der Fallstudien Prof. Dr. Jobst Fiedler erklärt: »In beiden Fällen hätte ein Großteil der Kostenüberschreitungen nicht mehr verhindert werden können, nachdem die Projektorganisation falsch aufgesetzt und Verträge auf unzureichender Planungsbasis geschlossen waren.« Die Fallanalysen sind Bestandteil der Studie »Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität« unter der Leitung von Prof. Dr. Genia Kostka, Hertie School of Governance. Kostkas Fazit: »Durch Großprojekte mit explodierenden Kosten droht die Politik an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Unsere Forschungen zeigen, dass man wirksam gegensteuern kann.«

BER: Muster-Negativbeispiel

Die BER-Fallstudie analysiert zehn aufeinander aufbauende Fehler: Mit der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) wurde eine nicht ausreichend kompetente Einrichtung mit dem Projekt betraut, der ein Aufsichtsrat ohne das notwendige Fachwissen zur Seite gestellt wurde. Kein unabhängiges, externes Controlling wurde installiert, das Fehlentscheidungen hätte anzeigen können. Der Verzicht auf einen Generalunternehmer verlagerte das finanzielle Risiko zu 100 Prozent auf den Steuerzahler. Die Aufteilung in viele kleine Gewerke führte zu einem exorbitanten Steuerungsaufwand, der wiederum von Anfang an gleichzeitiges Planen und Bauen erforderlich machte.

Die Vielzahl von Planänderungen, die Koordinierungsprobleme, insbesondere bei der Brandschutzanlage, der unzureichende Informationsfluss und das »Chaosmanagement« rund um den geplatzten Eröffnungstermin im Juni 2012 sind Folgen der verfehlten Governance-Entscheidungen weit vor dem ersten Spatenstich. Sie führten zu einer Kostensteigerung von 2,5 Mrd. Euro auf bislang 5,4 Milliarden Euro und zu einer Zeitüberschreitung von 200 Prozent (7,5 statt 2,5 Jahre). »Aus einer Governance-Perspektive ist der BER ein Muster-Negativbeispiel. Während bei anderen Projekten oft deren Neuartigkeit zu höheren Kosten führt, etwa durch die Anwendung wenig erprobter Technologien, ist der BER – von der Brandschutzanlage abgesehen – ein Standard-Großprojekt. Mit externem Sachverstand und einer zeitlich und finanziell ausreichend bemessenen Planungsphase hätten sämtliche Fehler vermieden werden können«, so Fiedlers Fazit.

Elbphilharmonie: Selbstüberschätzung der Verantwortlichen

Die Hamburger Elbphilharmonie – mit Kosten von 865 Millionen Euro statt der geplanten 352 Millionen Euro und einer Zeitüberschreitung von sieben Jahren (200 Prozent) bei einer geplanten Fertigstellung 2017 – weist einen teilweise vergleichbaren Fehlermix auf: Eine untaugliche Projektorganisation mit zu wenig Fachwissen, zu hoher politischer Einflussnahme und einem verfrühten Vertragsabschluss, was ebenfalls gleichzeitiges Planen und Bauen nach sich zog.

Ein unabhängiges Controlling fehlte auch hier. Das finanzielle Risiko übernahm die öffentliche Hand in unnötigem Ausmaß. »Die Elbphilharmonie ist kein Standard-Projekt, sondern zählt durch die aufwendige Architektur zu den generell risikoreicheren sogenannten Signature-Projekten. Planung und Organisation wurden diesem Anspruch aber in keiner Weise gerecht. Die Fehlerspirale wurde in erster Linie durch Selbstüberschätzung der Verantwortlichen und entsprechend überambitionierte Zielvorstellungen in Gang gesetzt«, urteilen die Autoren der Fallstudie Jobst Fiedler und Sascha Schuster.

Besonders IKT-Projekte werden oft teurer

Verglichen mit den Ergebnissen der Gesamtstudie, die 170 Großprojekte erfasst, sind die Kostenüberschreitungen in beiden Fällen weit überdurchschnittlich. Zum Vergleich: Verkehrsprojekte werden im Schnitt 33 Prozent teurer und öffentliche Gebäude 44 Prozent. In diesen Sektoren gibt es allerdings auch eine Reihe von Projekten, die im Plan bleiben oder den geplanten Kostenansatz sogar unterschreiten. Auf der Liste der »sparsamsten Top 10« finden sich ausschließlich Verkehrs- und Gebäude-Projekte. Am anderen Ende der Skala fanden Genia Kostka und ihr Team teilweise Kostenüberschreitungen um das Fünf- oder sogar Elffache, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT): Vier unter den zehn Projekten mit der prozentual höchsten Kostenentwicklung sind diesem Bereich zuzuordnen. Kostka: »Unser Befund, dass IKT-Projekte häufiger um ein Vielfaches teurer werden als geplant, deckt sich mit internationalen Studienergebnissen. Um die Ursachen genau zu analysieren, bedürfte es weiterer Forschungen.«

Empfehlungen

Um die Probleme in den Griff zu bekommen, empfehlen die Forscher vier Schritte:

  • Erstens eine ausreichende Einbeziehung in die Aufsichts- und Steuerungsgremien von Personen mit Kompetenz in der Privatwirtschaft und im Bau.
  • Zweitens müssten öffentliche Bauherren Projektpartner mit hoher Expertise in die Projektorganisation einbeziehen, um gegenüber privaten Baufirmen auf Augenhöhe agieren zu können.
  • Drittens die Verbesserung des Risikomanagements durch die Einbeziehung privaten Kapitals, entweder durch finanzielle Mitbeteiligung an einer Realisierungsgesellschaft oder durch Beauftragung eines Generalunternehmers.
  • Viertens: Schließlich muss in jedem Fall eine ausreichende Planungstiefe vor der Auftragsvergabe erreicht sein, da Planänderungen regelmäßig hohe Kosten nach sich ziehen.

Darüber hinaus machen Genia Kostka und ihr Team Vorschläge, wie die Transparenz über Baurealisierung und Kosten verbessert werden kann. So empfehlen sie den Aufbau einer öffentlich zugänglichen Datenbank, in der große Infrastrukturprojekte systematisch erfasst und ausgewertet werden nach dem Vorbild der britischen Major Project Authority. Außerdem sollte in der öffentlichen Planung eine Referenzklassenprognose eingesetzt werden. Die sich daraus ergebenden sektorspezifischen Referenzklassen kalkulieren für Projekte einen »Risiko-Aufschlag« für potenzielle Kostensteigerungen.

[1] Für die Studie »Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität« unter der Leitung von Genia Kostka, Professorin für Governance von Energie und Infrastruktur, wurden 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte erfasst und analysiert, darunter 119 abgeschlossene und 51 noch laufende Projekte. In den Bereichen öffentliche Gebäude, Verkehr, Energie, Rüstung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie untersucht die Studie erstmals systematisch geplante und tatsächliche Kosten. Drei detaillierte Fallstudien zum Berliner Großflughafen BER, zur Elbphilharmonie sowie zu Offshore-Windparks ergänzen die Untersuchung.
Die Studie wurde mit Unterstützung der Karl Schlecht Stiftung realisiert.
Unter www.hertie-school.org/infrastructure finden Sie sowohl kurze Ergebniszusammenfassungen als auch ausführliche Darstellungen der übergreifenden Studie und der Fallanalysen. Eine wissenschaftliche Buchpublikation befindet sich in Vorbereitung.

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