Digital first: Bitkom fordert ehrgeiziges Digitalprogramm von Union und SPD

Illustration: Absmeier, Bess-Hamiti

■  Sondierer haben Digitalisierung zum Randthema degradiert.
■  Berg: »Die Digitalisierung ist Deutschlands Schicksalsfrage«.

 

Zum Abschluss der Sondierungen von CDU/CSU und SPD hat der Digitalverband Bitkom die fehlende Entschlossenheit bei digitalpolitischen Themen kritisiert. »Wir begrüßen, dass die Sondierungspartner in der Präambel ihres Abschlussdokuments erklären, ›den digitalen Wandel von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft für alle Menschen positiv gestalten‹ zu wollen. Umso mehr sind wir verwundert, dass die Sondierer in ihren Verabredungen zur Digitalpolitik nur Stückwerk liefern«, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg.

»Deutschland muss in den kommenden Jahren alles auf die digitale Karte setzen.« Zwar sei unbestritten, dass die Politik maßgeblich durch tagesaktuelle Ereignisse und viele, jährlich wechselnde Herausforderungen geprägt sei und auch in der Sozialpolitik wichtige Aufgaben anstünden. Dabei dürfe aber die Entwicklung einer Strategie für das digitale Zeitalter nicht aus den Augen verloren werden, betont Berg.

»Die Digitalisierung ist Deutschlands Schicksalsfrage. An ihr entscheidet sich, ob wir unseren auch im weltweiten Maßstab einzigartigen Wohlstand erhalten, Vollbeschäftigung sichern und sozialen Zusammenhalt stärken können.«

Beim Thema Digitalisierung seien die bisherigen Vereinbarungen viel zu dünn, teils gingen sie in die falsche Richtung. So wird die Digitalisierung in eine Reihe gestellt mit Herausforderungen wie Globalisierung, Klimawandel und abnehmendem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Union und SPD müssten hier deutlich nachlegen und starke digitale Akzente setzen.

»Lippenbekenntnisse genügen nicht. Wir erhoffen und erwarten von der nächsten Bundesregierung zweierlei: erstens eine überzeugende Vision des digitalen Deutschland. Und zweitens ein zeitlich und inhaltlich sehr ambitioniertes Programm, um die Chancen der Digitalisierung optimal und für alle zu nutzen.«

Für die 19. Legislaturperiode hat Bitkom das Programm »Digital für alle« vorgelegt, das neben Wirtschaft und Verwaltung vor allem auf die Gesellschaft ausgerichtet ist. Es umfasst konkrete Vorschläge zur Digitalisierung von Bildung, Arbeit, Infrastrukturen, E-Government und der Wirtschaft:

  • Menschen aus dem digitalen Abseits holen: Von den Chancen der Digitalisierung können und sollen alle Menschen profitieren – unabhängig von Bildungsstand, finanziellen Möglichkeiten und sozialem Status. Maßnahmen sind die Gründung einer Bundeszentrale für digitale Bildung, digitale Streetworker und einen großen jährlichen Digitalkonvent, der alle relevanten Organisationen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringt.
  • Kooperationsverbot in der Bildung abschaffen und Schulen digitalisieren: Schülern werden in Deutschland nur unzureichend Digitalkompetenzen vermittelt. Das deutsche Bildungswesen landet in internationalen Vergleichen regelmäßig auf den hinteren Plätzen. Es sollte ein Nationaler Bildungsrat eingerichtet werden, der Vorschläge für eine grundsätzliche Reform des deutschen Bildungswesens erarbeitet. Zudem muss der bereits vorgestellte Digitalpakt zügig umgesetzt werden. Deutschlands Schulen müssen flächendeckend zu Smart Schools weiterentwickelt werden.
  • Berufe mit Zukunft erforschen und fördern: Mit Bundesmitteln sollte ein Forschungsinstitut »Berufe mit Zukunft« aufgebaut werden, das die Perspektiven von Berufsbildern und Kompetenzprofilen für die nächsten Dekaden qualitativ und quantitativ untersucht. Die Ergebnisse sollten unmittelbar in die Berufsberatung und die Bildungspolitik einfließen. Für Unternehmen müssen Anreize geschaffen werden, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren.
  • Rechts- und Sozialsysteme für Arbeit 4.0 weiterentwickeln: Die Sozialsysteme sollten grundsätzlich überprüft werden. Angesichts des tiefgreifenden Wandels der Arbeitswelt mit mehr Flexibilität und neuen Erwerbsformen sollten die Altersvorsorgesysteme neu ausgerichtet werden. Starre Regelungen wie die elfstündige Ruhepause müssen überarbeitet und die tägliche auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden.
  • Schnelle und intelligente Infrastrukturen auf- und ausbauen: Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands erfordert die flächendeckende Verfügbarkeit von Gigabit-Infrastrukturen bis 2025 auf Basis eines Technologiemixes. Zunächst sollten bis 2020 alle Gewerbegebiete und Digitalisierungstreiber wie Schulen an Glasfaser angeschlossen werden. Zudem sollten die Infrastrukturen für Energie und Verkehr digital ertüchtigt werden, um Energie- und Verkehrswende zum Erfolg zu führen. Dafür sollte ein Nationaler Infrastrukturrat eingeführt werden.
  • Verwaltung konsequent digitalisieren: Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden sollten bis 2020 auch digital und ab 2025 nur noch digital angeboten werden. Im Zentrum sollten eine bundesweite Bürger-ID und eine Verwaltungs-Cloud stehen. Binnen zweier Jahre sollten alle Schriftformerfordernisse abgeschafft und die Pflicht zum persönlichen Erscheinen auf dem Amt durch längst vorhandene Möglichkeiten der digitalen Authentifizierung ersetzt werden.
  • Digitale Schlüsseltechnologien fördern: Deutschland hat bei einigen Technologien mit großem disruptiven Potenzial eine im Weltmaßstab sehr gute Ausgangsposition. Dies gilt insbesondere für künstliche Intelligenz, Blockchain, 3D-Druck und das Internet of Things. Künftig sollte jeder zweite Euro an öffentlichen Forschungsmitteln für Digitales und Digitalisierung eingesetzt werden. Für künstliche Intelligenz sollte pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden.
  • »Digital first« zum politischen Grundsatz machen: Alle Gesetze sollten unter einem Digitalvorbehalt stehen. Jedes neue Gesetzesvorhaben und jedes bestehende Gesetz sollten auf die Auswirkungen auf die Digitalisierung geprüft und wenn notwendig angepasst werden. Zur Steuerung der Digitalpolitik und Koordination der Aktivitäten der einzelnen Ressorts sollte die Institution eines Digital-Staatsministers im Kanzleramt mit Kabinettsrang geschaffen werden. Er sollte unter anderem den Digitalvorbehalt und digitalen Gesetzescheck ausüben und braucht die hierzu notwendigen Rechte und Ressourcen. Deutschlands politische Institutionen brauchen ein neues Betriebssystem.

Alle Vorschläge des Programms »Digital für alle« gibt es hier zum Download.

 


 

Glasfasernetze bis in alle Gebäude Deutschlands

 

CDU/CSU und SPD haben am Freitag ein gemeinsames Ergebnispapier im Nachgang ihrer Sondierungsverhandlungen verabschiedet. Nach Aussage der Beteiligten handelt es sich hierbei um ein vorläufiges Dokument.

 

In dem Papier heißt es in puncto Digitalisierung und Glasfaserausbau:

 

»Wir wollen den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025 erreichen. Hierfür werden wir die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen zweckgebunden bereitstellen. Dabei sollen zukünftig nur die Ausbauschritte förderfähig sein, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden. Die Lizenzvergabe werden wir mit Ausbauauflagen kombinieren, um bestehende Funklöcher zu schließen und 5G dynamisch aufzubauen. Wir gehen von einem öffentlichen Finanzierungsbedarf von zehn bis zwölf Mrd. Euro in dieser Legislaturperiode aus. Dabei wollen wir Synergien mit den Ländern sicherstellen.«

 

Angesicht der nach wie vor unbefriedigenden Verfügbarkeit reiner Glasfaseranschlüsse bis in die Gebäude appellieren der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO), der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS), der Deutsche Landkreistag (DLT) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) an Union und SPD, sich für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands unmissverständlich auf die Festlegung eines eindeutigen Glasfaser-Infrastrukturziels zu verständigen, das deutlich über die nächste Legislaturperiode hinaus reicht. »Mit einem Glasfaseranschluss bis in alle Gebäude machen wir Unternehmen und Haushalte fit für die digitale Zukunft«, sind sich die Verbände einig. »So sorgen wir dafür, dass Deutschland den digitalen Anschluss nicht verpasst und die beste digitale Infrastruktur für weiteres Wachstum und Wohlstand erhält. Deshalb muss sich die zukünftige Bundesregierung zum Ziel setzen, dass in Deutschland flächendeckend Glasfaseranschlüsse bis in alle Gebäude ausgerollt werden.«

 

Die Verbände unterstreichen: Anders als im vorliegenden Sondierungspapier, in dem nur pauschal von »Gigabit-Netzen« und von »mit Glasfasertechnologie« zu erschließenden »Ausbauschritten« die Rede ist (was einen öffentlich geförderten Ausbau mit kupferbasiertem Vectoring / Super-Vectoring nicht ausschließt), muss in den Koalitionsverhandlungen und im darauf folgenden Koalitionsvertrag eindeutig klargestellt werden, dass sich die Politik auf nachhaltige, reine Glasfasernetze bis in alle Gebäude Deutschlands fokussiert. Auf diese Weise wird – wie in vielen anderen europäischen Ländern auch – eine zukunftssichere Basisinfrastruktur für die rasch fortschreitende Digitalisierung geschaffen. Zugleich wird durch die ultraschnelle Anbindung aller Mobilfunk-Basisstationen auch die optimale Voraussetzung für ein engmaschiges, hochleistungsfähiges 5G-Netz geschaffen, das die festnetzbasierten Glasfaseranschlüsse sinnvoll ergänzt. Dasselbe gilt auch für die hochleistungsfähige Glasfaser-Anbindung öffentlicher WLAN-Netze.

 

Dieses »Glasfaser-only-Prinzip« muss nach Auffassung der vier Verbände auch für die künftige Breitbandförderung gelten: »Fördergelder des Staates darf es künftig nur noch für Ausbauprojekte mit der einzig zukunftssicheren Technologie – der reinen Glasfaser bis ins Gebäude – geben.«

 


 

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