Digitalisierung des Autos in China birgt Risiken für internationale Autobauer

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Auf dem chinesischen Automarkt läuft es für internationale Autobauer nicht mehr so glatt wie noch vor einigen Jahren: Die deutschen Hersteller mussten 2015 erstmals einen Rückgang ihrer Absätze auf dem weltgrößten Pkw-Markt hinnehmen. Nicht nur das verlangsamte Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik ist für diese Entwicklung verantwortlich. Auch starke einheimische Automarken machen den internationalen Unternehmen inzwischen ernsthaft Konkurrenz.

Die Digitalisierung des chinesischen Automarktes könnte die Lage für internationale Unternehmen weiter verschärfen, wie Mirjam Meissner und Jost Wübbeke im aktuellen MERICS China-Monitor feststellen.

China treibt sein »Internet der Autos« voran

In China arbeiten Politik und Unternehmen fieberhaft am Aufbau eines »Internets der Autos«: Die Digitalisierung einer ganzen Branche geht deutlich schneller voran als in Europa oder den USA. Chinesische Internet- und Telekommunikationskonzerne, staatliche Militärunternehmen, Hard- und Softwarehersteller und sogar Versicherungen streben auf einen lukrativen Markt. Der internationalen Konkurrenz sind neue Player wie »Chinas Google« Baidu, der Internethändler Alibaba, der Social-Media-Anbieter Tencent oder der staatliche Militärkonzern Norinco oft nicht einmal bekannt. Dabei dürften diese Player den chinesischen Automarkt kräftig aufmischen: Umfragen zufolge würden 60 Prozent aller Chinesen für bessere digitale Dienste ein einheimisches Auto kaufen.

Die rasch voranschreitende Digitalisierung von Autos und Verkehrssystemen in China könnte die aktuellen Zuwächse chinesischer Hersteller verstärken, analysierten die MERICS-Experten. Dazu kommt, dass manche der auf den Automarkt drängenden Unternehmen – ähnlich wie Google und Apple in den USA – an autonom fahrenden Automodellen tüfteln. Dazu gehört u.a. der Smartphone-Hersteller Xiaomi.

Digitalisierung stärkt chinesische Anbieter

Auf diese Entwicklung müssen auch deutsche Autobauer schnell reagieren: Denn zurzeit werden die digitalen Gewohnheiten chinesischer Kunden vor allem von einheimischen Firmen geprägt. Diese bestimmen seit Jahren die Standards der digitalen Kommunikation mit und wollen nun auch chinesischen Autofahrern sämtliche digitale Dienstleistungen – von Navigation über Gesundheitsservice bis zu Kfz-Versicherungen – anbieten. Bei der Eroberung des Automarkts werden die Unternehmen von der chinesischen Regierung unterstützt. Für internationale Konkurrenten könnte dies schwierig werden, wie der Bereich E-Mobilität in China zeigt: Mit gezielten Förderprogrammen für heimische Produkte gelang es der Regierung in Peking, chinesischen Hersteller zu einer beherrschenden Position zu verhelfen. Diese dominieren den Markt heute mit einem Anteil von rund drei Vierteln. Auch für das Internet der Autos wurden ehrgeizige Ziele ausgegeben, wie die MERICS-Autoren ausführen: Bis 2020 soll die Hälfte aller IT-Produkte für Autos aus chinesischer Hand kommen. Bei der satellitengestützten Navigation soll die chinesische Beidou-Technologie bis 2030 den Konkurrenten GPS vollständig verdrängen.

Pekings Datenhunger: Ein Hindernis für ausländische Hersteller

Ein wichtiger Markt für die europäische und US-amerikanische Automobilwirtschaft sei im Begriff, alle bisher gewohnten Bahnen zu verlassen, warnen Meissner und Wübbeke in ihrer Analyse. Auch wenn die Auswirkungen dieser Entwicklung erst in den kommenden Jahren spürbar werden: »Handlungsbedarf besteht jetzt.« Auch die deutschen Autobauer müssten sich jetzt Gedanken machen, wie sie auf digitale Gewohnheiten chinesischer Kunden eingehen und Kooperationen mit den neuen Wettbewerbern ausloten.

Das chinesische Internet der Autos birgt für die internationalen Hersteller aber noch andere Tücken: Der Datenhunger des offiziellen Chinas macht vor dem Auto nicht halt, was einmal mehr Fragen zum ungewollten Technologietransfer aufwirft. Die MERICS-Autoren richten deshalb an Verbände und Politik die Empfehlung, China stärker in internationale Standardisierungsverfahren und Datenschutzabkommen einzubinden. Letzteres sei ein wichtiger Schritt, um in der digitalisierten Autowelt sensible Firmendaten vor dem Zugriff staatlicher Stellen in China zu schützen.

https://www.merics.org/merics-analysen/analysechina-monitor/merics-china-monitor-no-31.html