ERP/MES-Branchenlösung für die Medizintechnik – Flexibilität als Wettbewerbsfaktor nutzen

Prozess­ampel

Weltweit präsent sein und dabei Zertifizierungsstandards wie ISO 13485 oder die FDA-Richtlinien erfüllen müssen – das veranlasst auch kleinere Unternehmen in der Medizintechnik eine alle Bereiche abbildende ERP/MES-Lösung anzuschaffen. Die Arno Fritz GmbH führte dazu die Medizintechnik-Branchenlösung von GEWATEC ein. Sie ermöglicht eine bis dato nicht gekannte Übersicht der Fertigung sowie eine rückverfolgbare und normengerechte Dokumentation aller qualitäts- und fertigungsrelevanten Auswertungen und Dokumente.

Die Arno Fritz GmbH in Mühlheim a. d. Donau ist ein Familienunternehmen mit gut 30 Mitarbeitern, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von Implantaten und Instrumenten für die MKG-Chirurgie (Mund-, Kiefer- und Gesicht) sowie die Hand- und Fuß-Chirurgie spezialisiert hat. Vertrieben werden die Produkte weltweit über die eigens gegründete Vertriebsgesellschaft Mondeal Medical System, in Deutschland im Direktvertrieb und im Ausland in über 40 Ländern mit Vertriebspartnern. Geschäftsführer Arno Fritz sieht die Medizintechnikbranche nicht mehr in so einem rosigen Licht wie noch in den neunziger Jahren. Und auch wenn nach seinen Worten die Medizintechnik heute überwiegend vom Export lebt, habe sich der Preisdruck durch neue Konkurrenz aus Ländern wie China enorm erhöht.

Für die Produktion der Platten und Schrauben setzt Arno Fritz ausschließlich hochwertiges Titan ein. Die Schrauben, Platten und Instrumente werden als kompletter Größensatz in Implantatkassetten und Instrumententrays ans Krankenhaus geliefert. Die Ware wird in einem Reinraum verpackt, bei Bedarf auch steril zugesandt.

Die Trümpfe der kleineren Unternehmen: Flexibilität und Kundenservice. Eins der wichtigen Ziele neben höchstmöglicher Qualität ist für den Medizintechnikhersteller, von einem auf den anderen Tag Kundenanfragen beliefern zu können. »Als kleineres, flexibleres Unternehmen ist das unser Pluspunkt gegenüber den großen Medizintechnikunternehmen. Unser Ziel einer Lieferzeit von einem Tag wird in den allermeisten Fällen erreicht«, erklärt der Geschäftsführer. Unterstützt wird diese Strategie durch ein Lager für Fertigwaren und ein weiteres Zwischenlager für Halbfabrikate, sodass der weitaus größte Teil sofort ab Lager geliefert werden kann. Die Qualität der Produkte wird belegt durch die Zertifizierungen von Konstruktion, Herstellung und Vertrieb des Unternehmens nach der internationalen Norm ISO 13485 und nach der europäischen Richtlinie für Medizinprodukte. Darüber hinaus sind die regulatorischen Anforderungen verschiedener Länder, wie etwa der FDA (Food and Drug Administration-Behörde der USA), in den Abläufen berücksichtigt.

Die 3D-Koordinatenmessmaschine (CNC-Lasermessmaschine)  von Mitutoyo gibt die Messdaten direkt ins QS-Modul von GEWATEC ein.

Die 3D-Koordinatenmessmaschine (CNC-Lasermessmaschine) von Mitutoyo gibt die Messdaten direkt ins QS-Modul von GEWATEC ein.

Eine derart flexible Fertigung und hohe Qualität der Produkte, die beispielsweise bei den Implantaten auch nach über 30 Jahre noch zurückverfolgbar sein muss, erfordert ein leistungsfähiges Fertigungs- und Qualitätsmanagement. Bis 2010 wurde dazu bereits ein in der Medizintechnik verbreitetes ERP-System eingesetzt, welches aber den gesamten Bereich der Produktion nicht vollständig abdeckte.

Deshalb wurde nach einem ERP-System gesucht, das diese Lücke schließen konnte. Arno Fritz: »Mit der Medizintechnik-Branchenlösung von GEWATEC fanden wir ein alle Unternehmensbereiche integrierendes System von einem Hersteller, das zudem besondere Stärken im BDE/MDE- und CAQ-Bereich hat.« Installiert wurde die gesamte Bandbreite der GEWATEC-Lösung mit den Modulen WinKalk (Kalkulation), PPS, KapPlan (Leitstand zur Kapazitätsplanung), GRIPS (CAQ), ProVis (BDE/MDE), sowie Dokumentenverwaltung. Das GEWATEC-ERP/MES steuert heute über gut 30 Arbeitsstationen (PCs und GEWATEC-BDE/MDE-Funkterminals) die rund 8.000 Artikelnummern durch eine Serienfertigung mit hochautomatisierten CNC-Fräs- und Langdrehmaschinen, eine Wasserstrahlschneidmaschine, sowie auch eine CNC-Lasermessmaschine, aber auch durch Bereiche mit Handarbeitsplätzen, wie in der Montage und Qualitätserfassung.

Die GEWATEC-Prozessampel bindet den Werker an der Maschine online in die Fertigungssteuerung ein. Die Daten der Aufträge werden mittels RFID erfasst, sodass per Hand nur noch besondere Daten in PC oder BDE/MDE-Terminal eingegeben werden müssen, wie Störungen (beispielsweise Wartungen, Werkzeugbruch) oder Ausschussgründe. Die Stückzahlen kommen automatisiert über Signale aus der Maschine ins MDE/BDE-Terminal. Der bei Arno Fritz installierte Typ IC901 ist zusätzlich mit der sogenannten Prozessampel ausgerüstet. Die Prozessampel zeigt auf vier Signalebenen dem Werker in den Ampelfarben den Zustand beziehungsweise die Grenzwerte für die OEE (Overall-Equipment-Effectiveness / Gesamtanlagen-Effektivität) und den cpk-Wert (statistischer Wert der Prozessfähigkeit) sowie die Aufforderung zur SPC-Messung und zum Werkzeugwechsel an.

»Wir nutzen im ersten Schritt die Ampelaufforderung zur statistischen In-Prozess-Messung«, so Geschäftsführer Fritz, »das ist für den Werker bereits eine große Erleichterung, muss er doch nicht mehr ständig ins System schauen, um den geforderten Messzeitpunkt nicht zu verpassen.« Mit der Einbindung des Werkers mittels der Prozessampel sei der Online-Regelkreis zwischen IT-System und dem Mitarbeiter an der Maschine lückenlos geschlossen, was eine zusätzliche Erfüllung der Zertifizierungs- und FDA-Richtlinien sei.

Die Lasermessmaschine und alle Handmessplätze sind direkt ans CAQ-/ERP-System angebunden, sodass Eingabefehler vermieden werden. Das QS-Modul GRIPS wird umfangreich genutzt. Die Erstellung und Verwaltung der Prüfpläne habe sich wesentlich vereinfacht. Verlinkt mit dem Fertigungsauftrag kann er zudem automatisch erstellt werden. Wareneingangsprüfung und die Messmittelverwaltung sind über GRIPS eingerichtet. Das Reklamations-/Reparaturmanagement mittels GRIPS wird aktuell gerade aufgebaut.

Chirurgiemechanikermeister Arno Fritz: »Es ist erstaunlich, was ein Medizintechniker heute an Strukturen und Nachweissystemen braucht, um überhaupt ein Produkt an den Markt bringen zu können.« Deshalb sei mittlerweile in der Medizintechnik eine moderne und alle Fertigungsfunktionen abbildende ERP-Lösung unerlässlich. Die GEWATEC-Branchenlösung sorge unter anderem für eine rückverfolgbare und normengerechte Dokumentation aller Qualitäts- und Fertigungsdaten, zeigt sich der Geschäftsführer zufrieden. Zudem sei die in den letzten drei Jahren erreichte Transparenz im gesamten Unternehmen ein großer Fortschritt. »Heute können wir bei Nachfragen von Kunden oder auch bei der Ankündigung von Auditoren relativ gelassen bleiben, da wir die Fertigung im Griff haben.«


autor_eduard_ruesingEduard Rüsing,
freier Fachjournalist in Karlsruhe