foto cc0
Für rund 77 Prozent aller Anleger spielt die ethische Ausrichtung ihrer Geldanlage eine wichtige Rolle. Dies legt der aktuelle »DC Fair Finance Report« des globalen Think Tank Diplomatic Council (DC, www.diplomatic-council.org) nahe. Für den Report wurden mehr als 1.400 Anleger über Corporate Social Responsibility (CSR) befragt. Das Diplomatic Council ist eine »Denkfabrik« mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen, zu dessen Mitgliedern neben Diplomaten auch Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie Unternehmen mit Verantwortungsbewusstsein gehören.
»Das Gros der Anleger hat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und ist keineswegs so gierig, wie ihnen manchmal nachgesagt wird«, bringt der Börsen- und Finanzexperte sowie Chairman des Global Fair Finance Forum im Diplomatic Council Dirk Müller das Schlüsselergebnis auf den Punkt.
So lässt sich laut Umfrage die überwiegende Mehrheit von 77 Prozent beim Aktienkauf von der ethischen Ausrichtung eines Unternehmens stark oder sehr stark beeinflussen. Für nicht einmal ein Fünftel (20 Prozent) spielt dieser Aspekt nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich 3 Prozent scheren sich laut Umfrage gar nicht um die Ethik einer Geldanlage.
Signal der Fairness an Vorstände und Fondsmanager
95 Prozent (!) sind eigenen Angaben zufolge als Aktionär bereit, auf einen Teil ihrer Rendite zu verzichten, wenn sich das Unternehmen dafür im Sinne der Corporate Social Responsibilty (CRS) fair verhält. Dazu zählen die Befragten beispielsweise die Sorge um den Umweltschutz, die faire Bezahlung der Beschäftigten und weitere Aspekte. »Die ausgeprägte Sensibilität der Aktionäre in Bezug auf faires Unternehmertum sendet ein klares Signal an alle Vorstände und Fondsmanager, die Balance zwischen Rendite und Verantwortungsbewusstsein neu zu überdenken«, erklärt DC Chairman Dirk Müller.
Weit mehr als ein Drittel (39 Prozent) der Anleger würden laut Umfrage auf bis zu 25 Prozent ihrer Rendite verzichten, wenn das Unternehmen mit diesem Anteil wichtige Verbesserungen im Sinne der CSR vornehmen würde. Ein Viertel (25 Prozent) würde dafür sogar eine Einbuße bei der Rendite um bis zu 40 Prozent hinnehmen. 19 Prozent wäre das ethische Verhalten »ihres« Unternehmens sogar bis zu 50 Prozent ihrer Rendite wert. Lediglich 17 Prozent wollen nicht mehr als 6 Prozent ihrer Rendite für CSR abgeben.
Faires Finanzwesen
Das Diplomatic Council hatte kürzlich ein White Paper mit den Grundprinzipien für eine faire Finanzwirtschaft vorgelegt. Als die drei wichtigsten Grundprinzipien für Fairness auf den Finanzmärkten werden darin genannt:
- die Finanzmärkte müssen den Menschen dienen,
- Finanzgeschäfte müssen allen involvierten Parteien einen Nutzen stiften und
- die Finanzakteure müssen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
»Fairness gehört zu den zentralen normativen Idealen in der globalen Gesellschaft und beinhaltet Aspekte wie Respekt, Gegenseitigkeit, Teilhabe, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit. Ebenso wie im gesellschaftlichen Leben ist Fairness auch im Finanzsektor von fundamentaler Bedeutung«, erklärt DC Chairman Dirk Müller.
»Moralischer Kompass für die Finanzmarktakteure«
Vor diesem Hintergrund mahnt das Diplomatic Council einen »moralischen Kompass für die Finanzmarktakteure« an. Dieser Aspekt muss systematisch in der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern und Entscheidungsträgern im Finanzsystem verankert werden, fordert der globale Think Tank. »Der Gedanke des Fair Finance muss sowohl in die Prozesse als auch in die Strukturen im Finanzsektor systematisch implementiert werden«, verlangt Dirk Müller.
[1] Das Diplomatic Council (UNO reg.) ist ein bei den Vereinten Nationen mit Beraterstatus akkreditierter globaler Think Tank zur Verbindung von Diplomatie, Wirtschaft und Gesellschaft. Hierzu verknüpft das Diplomatic Council ein weltweites Wirtschaftsnetzwerk mit der Ebene der diplomatischen Kommunikation. Als Mitglieder sind gleichermaßen Diplomaten und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie verantwortungsbewusste Unternehmen, wissenschaftliche Forschungs- und akademische Bildungseinrichtungen willkommen. Man kann sich frei um eine Mitgliedschaft bewerben; der Rat der Botschafter, der das Diplomatic Council führt, entscheidet über die Aufnahme jedes einzelnen Mitglieds. In Fachforen wie dem Global Fair Finance Forum unter der Führung von Dirk Müller und unter Mitwirkung von Prof. Nick Lin-Hi (Professorship of Business and Ethics, University Vechta) und Christina Kleinau (Wittenberg Center of Global Ethics) treibt das Diplomatic Council im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für die Menschheit wichtige Themen voran.
Weitere Informationen: Diplomatic Council (UNO reg.), E-Mail: info@diplomatic-council.org, Web: www.diplomatic-council.org
Textquelle: Diplomatic Council Global Fair Finance Forum
- Die Finanzmärkte müssen den Menschen dienen
Wie jeder Markt sind auch Finanzmärkte nicht naturgegeben, sondern unterliegen der menschlichen Gestaltung und Gestaltbarkeit. Sowohl Existenz als auch Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten basieren auf gesellschaftlich geschaffenen Voraussetzungen, angefangen von Eigentumsordnung und Vertragsrecht über Geldordnung und Geldschöpfung bis hin zur Vergabe von Bankenlizenzen. Die Inanspruchnahme dieser Vorrausetzungen setzt in der demokratisch verfassten Gesellschaft eine potenziell permanente Legitimierung im Rahmen von politischen Willensprozessen voraus. Die Menschen müssen der Existenz von Finanzmärkten zustimmen können.
Eine unabdingbare Voraussetzung für die gesellschaftliche Zustimmungsfähigkeit von Märkten ist, dass sie gesellschaftlichen Nutzen stiften. Finanzmärkte müssen daher immer wieder neu unter Beweis stellen, dass sie den Menschen dienen. Können sie dies nicht, so verlieren sie die Bedingung für ihre Existenz. Eine grundlegende gesellschaftliche Aufgabe von Finanzmärkten liegt dabei in ihrer Unterstützungsfunktion für die Realwirtschaft. Finanzmärkte sollen den Handel und den Tausch von Gütern einfacher machen, sie sollen die Herstellung von Gütern vorfinanzieren, sie sollen Infrastrukturprojekte realisierbar machen, sie sollen Investitionen in technischen Fortschritt ermöglichen, sie sollen individuelle Risiken absicherbar machen und vieles andere mehr.
Fair Finance ist das klare Bekenntnis dazu, dass Finanzmärkte den Menschen dienen müssen und es hierfür unerlässlich ist, dass Finanzmärkte die Funktionsfähigkeit von Realmärkten verbessern. Fair Finance bedeutet weiterhin, dass aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive und jenseits von Partikularinteressen eine offene Debatte darüber geführt wird, wann und unter welchen Bedingungen Finanzmärkte im Dienste der Gesellschaft stehen und wo Risiken für Realmärkte drohen bzw. nicht kalkulierbar sind. Im Sinne von Fair Finance ist von allen Akteuren im Finanzsektor darauf hinzuwirken, dass Finanzmärkte so gestaltet werden, dass sie die Funktionsfähigkeit von Realmärkten befördern und hierdurch einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.
2. Finanzgeschäfte müssen allen involvierten Parteien einen Nutzen stiften
Damit Finanzmärkte ihre gesellschaftliche Funktion erfüllen können, bedarf es stets dem Austausch von Leistungen. Geschäftsbeziehungen basieren grundsätzlich auf dem Prinzip, dass sie für alle Akteure vorteilhaft sind und damit eine Win-Win-Situation schaffen. Ein derartiges Positivsummenspiel wird durch die Logik des freiwilligen Tausches erreicht. Wer freiwillig Leistungen tauscht, der tut dies üblicherweise aus dem Grund, weil er oder sie hierdurch im Moment des Tausches einen Nutzen hat. Beispiele für Nutzen aus Finanzgeschäften sind der Zugang zu Liquidität, die Absicherung gegen Schadensrisiken oder die Erwartung auf künftige Erträge.
Im Vergleich zu Geschäften auf Realmärkten weisen Finanzgeschäfte einige Besonderheiten auf. Hierzu zählt zuallererst, dass immaterielle Leistungen getauscht werden. Bei immateriellen Leistungen ist es für den Abnehmer, selbst im Nachhinein, oft nicht genau bewertbar, wie es um den wirklichen Nutzen der Leistung bestellt ist. Hinzu kommt, dass Leistungen und Gegenleistungen zeitlich auseinanderfallen bzw. Leistungen in der Zukunft liegen können, so dass Produkte bisweilen einen sehr abstrakten Charakter haben und im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nur begrenzt greifbar sind. Befördert wird dieser Umstand auch dadurch, dass Finanzprodukte über die letzten Jahre hinweg kontinuierlich komplexer geworden sind und der Markt generell eine sehr hohe Innovationsgeschwindigkeit aufweist. Im Zusammenspiel führen diese Besonderheiten auch dazu, dass zu viele Leistungen auf Finanzmärkten nur noch von Spezialisten hinreichend verstanden werden. Entsprechend ist es für viele Menschen schwierig, Leistungen auf Finanzmärkten bewerten und damit entscheiden zu können, ob sich das Eingehen von Geschäftsbeziehungen lohnt.
Die schwierige Bewertbarkeit von Leistungen bedingt eine besondere Sorgfaltspflicht von Finanzmarktakteuren. Fair Finance bedeutet hier, dass Finanzmarktakteure sicherstellen, dass der eigene Vorteil aus einem Finanzgeschäft nicht auf Kosten von Geschäftspartnern realisiert wird. Entsprechend kann die die Täuschung von Geschäftspartnern kein legitimes Mittel auf Finanzmärkten sein. Ganz im Gegenteil, Fair Finance bedeutet, dass Finanzmarktakteure sich davon überzeugen, dass ein Finanzgeschäft nach bestem Wissen und Gewissen den anderen beteiligten Parteien einen Nutzen stiftet. In diesem Sinne ist Fair Finance darauf ausgerichtet, Win-Win-Situationen zu schaffen. Nur dann ist die nachhaltige Produktivität von Finanzgeschäften gewährleistet.
3. Finanzakteure müssen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen
Selbst wenn Finanzgeschäfte allen direkt beteiligten Akteuren einen Vorteil bieten, so ist damit noch keine Aussage über den gesellschaftlichen Nutzen getroffen. Faktisch können auch Finanzgeschäfte, die für die Beteiligten eine Win-Win-Situation darstellen, negative Effekte auf andere Akteure bzw. die Gesellschaft als Ganzes haben. Beispiele hierfür sind etwa Beihilfe zur Geldwäsche oder Steuerhinterziehung die zwar – sofern sie unentdeckt bleiben – für die Geschäftspartner vorteilhaft sind, gleichzeitig aber zulasten der Allgemeinheit gehen. Die Finanzkrise zeigt zudem, dass stets auch langfristige gesellschaftliche Effekte zu berücksichtigen sind, die aus einzelnen Geschäften erwachsen. In den Jahren vor dem Ausbruch der Finanzkrise wurden Geschäfte gemacht, von denen zwar erst einmal alle Akteure einen Vorteil hatten – angefangen von den Kreditnehmern, die ein Eigenheim erwerben konnten über Banken, die Zinseinnahmen generierten bis hin zu Investmentbanken, die mit strukturierten Produkten wie »Mortgage-Backed-Securities« Milliarden verdienten. Im Ergebnis wurde indes die Stabilität des Finanzsystems unterminiert und die Allgemeinheit hatte die Kosten dafür zu tragen, den Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern.
Fair Finance erfordert, dass alle Akteure im Finanzsektor sich darüber bewusst sind, dass ihre Aktivitäten stets auch gesellschaftliche Effekte haben. Ausgehend hiervon bedeutet Fair Finance ebenso, dass alle Finanzmarktakteure sich zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen und dieser dadurch gerecht werden, dass sowohl individuell als auch gemeinschaftlich sichergestellt wird, dass aus Finanzgeschäften keine Nachteile für Dritte bzw. die Allgemeinheit erwachsen. Dies impliziert auch, dass Finanzmarktakteure jederzeit in der Lage sind, für Verluste geradestehen zu können. Letzteres impliziert, im Zweifelsfall auf Geschäfte zu verzichten, deren langfristiges Risiko ungewiss ist.
Von gesellschaftlicher Seite werden Akteuren aus dem Finanzsektor Spielregeln – angefangen von Gesetzen und Richtlinien bis hin zu gesellschaftlichen Normen – vorgegeben, welche darauf hinwirken sollen, dass die Akteure im Dienste der Gesellschaft handeln. Fair Finance bedeutet, dass alle existierenden Spielregeln von Finanzmarktakteuren als verbindlich anerkannt werden und geeignete Maßnahmen existieren, welche ihre Einhaltung zu jeder Zeit sicherstellt. Aufgrund der Komplexität von globalen Finanzmärkten sowie der hohen Innovationsgeschwindigkeit können heute existierenden Spielregeln niemals alle Handlungsoptionen abdecken. Entsprechend finden viele Finanzgeschäfte in einem Umfeld statt, indem es an klaren Spielregeln fehlt. Fair Finance bedeutet, dass Akteure stets im Sinne der existierenden Spielregeln handeln und nicht danach streben, existierende Spielregeln zu umgehen.