Gesetz zur Umsetzung der NIS-Richtlinie und BSI-Kritisverordnung in Kraft getreten

Am Freitag ist das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS-Richtlinie) in Kraft getreten. Damit erhält auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) neue Aufgaben und Befugnisse. So werden unter anderem die Aufsichts- und Durchsetzungsbefugnisse des BSI über die Betreiber Kritischer Infrastrukturen ergänzend zum IT-Sicherheitsgesetz ausgeweitet. Diese gestärkte Kontrollfunktion wird das BSI auch weiterhin in einem kooperativen Ansatz gegenüber den KRITIS-Betreibern wahrnehmen. Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und dem BSI gestärkt. So darf das BSI die Länder künftig umfassender unterstützen und ihnen seine technische Expertise zur Verfügung stellen.

Dazu erklärt Arne Schönbohm, BSI-Präsident: »Die NIS-Richtlinie schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für den EU-weiten Aufbau nationaler Kapazitäten für Cyber-Sicherheit. Wie wichtig das ist, haben zuletzt die Cyber-Angriffe mit Ransomware wie WannaCry oder Petya/NonPetya gezeigt, die im globalen Maßstab Schäden verursacht haben. Durch die neuen Befugnisse und Aufgaben wird die Rolle des BSI als nationale Cyber-Sicherheitsbehörde weiter gestärkt. Wir werden diese Befugnisse auch in Zukunft in guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ausüben und dafür sorgen, dass das IT-Sicherheitsniveau in Deutschland weiter steigt, als notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung.«

BSI-Kritisverordnung in Kraft

Zudem ist auch die geänderte BSI-Kritisverordnung in Kraft getreten. Diese bestimmt transparente Kriterien, anhand derer Betreiber Kritischer Infrastrukturen aus den Sektoren »Finanz- und Versicherungswesen«, »Gesundheit« sowie »Transport und Verkehr« prüfen können, ob sie unter die Regelungen des IT-Sicherheitsgesetzes fallen. Daneben wurden erforderliche Ergänzungen und Klarstellungen zu den bereits getroffenen Festlegungen zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen für die Sektoren Energie, Wasser, Ernährung und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) vorgenommen. Mehr Informationen hierzu stehen auf der BSI-Webseite unter https://www.bsi.bund.de/IT-SiG zur Verfügung.

 

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Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Weiter erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel

 

Der Bitkom sieht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nicht als geeignetes Mittel, um gegen Hassrede und andere strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken vorzugehen. »Der Versuch, das hastig zusammengezimmerte und bei Rechtsexperten hochumstrittene Gesetz auf den letzten Metern so zu verändern, dass es verfassungsmäßig und europarechtskonform sein kann, ist nach einem juristischen Kurzgutachten im Auftrag des Bitkom gescheitert«, sagt Rohleder. Das Gesetz enthalte nach wie vor zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Zudem sei es ein großer Fehler, dass Unternehmen gravierende, die Meinungsfreiheit im Netz gefährdende Entscheidungen allein und unter Zeitdruck treffen müssten, wenn sie nicht ein hohes Bußgeld in Kauf nehmen wollen, erklärt Rohleder weiter. Dass es betroffenen Unternehmen möglich ist, schwierige Fälle an eine Drittinstanz der Co-Regulierung weiterzuleiten, sei grundsätzlich zu begrüßen, ändere aber nichts an der breiten Kritik. Rohleder: »Es ist sehr wahrscheinlich, dass das unausgereifte NetzDG genauso wie die Vorratsdatenspeicherung gerichtlich gekippt wird. Wir empfehlen, das NetzDG auf seinen Kern zu konzentrieren: die Verpflichtung der Unternehmen, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Alles Weitere sollte unmittelbar nach der Bundestagswahl mit der notwendigen Sorgfalt angegangen werden.«

 

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Netzwerkdurchsetzungsgesetz: eco warnt vor starren Bearbeitungsfristen und Löschkultur im Netz

 

Am Freitag hat das Bundeskabinett gleich zwei Gesetzesentwürfe verabschiedet, die das freie Internet ernsthaft gefährden könnten: Der Gesetzentwurf für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz geht jetzt im Eiltempo in den Bundestag, wo er noch vor der Sommerpause beschlossen werden soll. Und auch der Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) hat heute das Bundeskabinett passiert. eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. bedauert, dass die Bundesregierung offenbar bei beiden Gesetzesvorhaben wesentliche Aspekte in Bezug auf Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit nicht eingehender betrachtet hat und die vielen Kritikpunkte von Internetwirtschaft, Journalisten und Bürgerrechtsorganisationen einfach übergeht:

»Die am Freitag vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzesentwürfe für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz und der Entwurf zur WLAN-Störerhaftung enthalten problematische Regelungen, sie bedrohen die Meinungsfreiheit im Internet, befördern eine Löschkultur oder fördern Netzsperren. Ein schwarzer Tag für das freie Internet«, sagt Oliver Süme, eco Vorstand für Politik und Recht.

Der Verband kritisiert insbesondere die starren Bearbeitungspflichten und die Implementierung von Content-Filtern zum Auffinden von Kopien beanstandeter Inhalte beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz. »Die Plattformen werden unter Androhung von Bußgeldern zu unrealistischen Maßnahmen gezwungen. Dabei reichen 24 Stunden bei offensichtlichen beziehungsweise sieben Tage für sonstige Rechtsverstöße für eine juristische Einordnung nicht aus, insbesondere wenn es sich um Beiträge handelt, die in einem größeren Kontext gesehen werden müssen. Zwangsläufig erkennen wir bei starren Fristen die Gefahr einer Löschkultur des vorauseilenden Gehorsams. Es wird im Zweifel mehr gelöscht, als notwendig wäre«, sagt Oliver Süme.

Auch an dem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) übt eco Kritik und fordert Nachbesserungen. Aus Sicht des Verbands schafft der Entwurf in seiner vorliegenden Form eine Rechtsgrundlage für Netzsperren auf Zuruf der Rechteinhaber ohne richterlichen Beschluss und verfehlt damit das eigentliche Ziel, endlich Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen.

»Das Gesetz bedeutet einen Rückschritt gegenüber der bestehenden Regelung », sagt Süme. »Abgesehen davon, dass Netzsperren grundsätzlich ein falscher Ansatz sind, ist hier vor allem problematisch, dass der Entwurf hinter den vom Europäischen Gerichtshof und Bundesgerichtshof aufgestellten rechtsstaatlich gebotenen Anforderungen und hohen Hürden für Netzsperren zurückbleibt und Netzsperren ohne Richtervorbehalt und quasi auf Zuruf ermöglicht«, so Süme.

 

Die vollständige eco Stellungnahme zum Gesetzentwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes finden Sie hier. Die Stellungnahme zum geplanten TMG-Änderungsgesetz zur WLAN-Störerhaftung können Sie hier nachlesen.

 


 

Bitkom warnt vor Wahlkampf-Hektik beim Kampf gegen Hassrede im Internet

 

■  Kabinett beschließt Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität im Netz.

■  Regelungen betreffen nicht nur einzelne US-Netzwerke, sondern Vielzahl von Kommunikationsplattformen.

■  Bitkom kritisiert Suche nach einfachen Lösungen und warnt vor Grundrechtseinschränkungen im Netz durch »Löschen auf Zuruf«.

 

Berlin, 5. April 2017: Der Digitalverband Bitkom hat anlässlich der heutigen Beratung des Gesetzesentwurfes zur Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) im Bundeskabinett davor gewarnt, aus wahlkampftaktischen Überlegungen im Hauruck-Verfahren ein handwerklich schlechtes Gesetz zu beschließen, bei dem heute schon klar ist, dass es mehr Schaden als Nutzen erzeugt. »Der Kampf gegen die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten und gegen Hassrede in sozialen Netzwerken ist zu wichtig, als dass wir uns hier einen Schnellschuss leisten könnten. Zum einen muss sichergestellt werden, dass solche Straftaten im Internet konsequent verfolgt und geahndet werden, zum anderen geht es um Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die es im Netz ohne Wenn und Aber zu schützen gilt«, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. »Die Bundesregierung hat sich mit dem Gesetzentwurf vergaloppiert. Gegen Hassrede im Netz gibt es keine einfachen und schnellen Lösungen. Von dieser Hoffnung müssen wir uns verabschieden. Beim Kampf gegen Hassrede brauchen wir einen langen Atem. Vor allem müssen die Behörden personell so ausgestattet werden, dass sie ihrem Auftrag der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ebenso nachkommen können wie im Straßenverkehr.« Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf nur wenige Tage nach dem Ablauf der Stellungnahmefrist von Verbänden, Experten und NGOs beschlossen, bereits eine Woche zuvor war der Referententwurf bei der EU notifiziert worden.

 

Bitkom weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf eine ganze Reihe Unstimmigkeiten und handwerklicher Fehler aufweist und unisono von Unternehmen, Verbänden, Netzaktivisten und namhaften Juristen kritisiert wird, da er nicht geeignet ist, dem vorhandenen Problem von Hassrede im Netz wirksam entgegenzutreten. Rohleder: »Die heute im Regierungsentwurf im Vergleich zum notifizierten Referentenentwurf vorgenommenen Änderungen können die schwerwiegenden Bedenken gegen das Gesetz nicht aus der Welt schaffen. Unser Befremden über die anhaltende Hektik wächst, zumal das Problem seit mehr als zehn Jahren bekannt ist.« So sollen künftig zum Beispiel private Unternehmen in wenigen Stunden oder Tagen Entscheidungen treffen, die eigentlich eine umfassende Grundrechteabwägung erfordern. Rohleder: »Ob es sich bei einer Äußerung um Beleidigung, Verleumdung oder sonstige strafrechtlich relevante Aussage handelt, ist mit wenigen Ausnahmen nicht in kurzer Zeit und manchmal auch nicht abschließend ohne einen juristischen Instanzenweg zu klären. Der vorliegende Gesetzentwurf führt zu einem Löschen auf Zuruf.«

 

Die Schwächen des Gesetzentwurfs sind umso gravierender, da anders als in der öffentlichen Diskussion dargestellt nicht nur zwei oder drei große soziale Netzwerke aus den USA reguliert werden, sondern praktisch alle Online-Communities, etablierte Bewertungsplattformen mit großem Nutzen für Verbraucher und sogar Kommunikationsdienste wie Messenger oder E-Mail betroffen sein können. »Grundsätzlich kann jede Online-Kommunikation von dem Gesetz betroffen sein. Dies beinhaltet große Spieleplattformen, auf denen sich die Nutzer auch in Foren oder Chats austauschen, ebenso wie E-Mail-Kommunikation«, so Rohleder. »Angesichts der kurzen Fristen und der hohen Bußgeld-Androhungen werden sich die Anbieter gezwungen sehen, in Zweifelsfällen vorsorglich eine Äußerung zu löschen. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die freie Rede im Netz.«

 

In den gesetzten Fristen wird es zum Beispiel nicht möglich sein, Betroffene vor dem Löschen anzuhören. Auch ist kein rechtsstaatliches Verfahren garantiert. Rohleder: »Statt hoheitliche Aufgaben auf Privatunternehmen abzuwälzen, brauchen wir neben den bestehenden Maßnahmen der Unternehmen gegen rechtswidrige Inhalte im Netz ein verstärktes Engagement des Staates.« So hat Bitkom vorgeschlagen, spezialisierte Teams in den zuständigen Behörden aufzubauen, die dafür sorgen, dass rechtswidrige Äußerungen auch online Konsequenzen haben. Dabei gehe es zum einen um online geschulte Polizisten, die Präsenz in den sozialen Netzwerken zeigen, aber auch um Digitale Streetworker. Schon mit wenigen Hundert zusätzlichen Stellen bundesweit könne hier viel erreicht werden. »Das Thema Hassrede im Netz gibt es seit mindestens zehn Jahren. Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, die Menschen online anzusprechen und zu überzeugen«, so Rohleder. »Die Hassrede aus den inzwischen ausgeleuchteten sozialen Netzwerken in neue Dunkelräume zu vertreiben greift zu kurz.«

 

Ebenfalls kritisch sieht Bitkom, dass sich Deutschland mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, der in der Fassung des Referentenentwurfes bereits bei der EU notifiziert wurde, auf einen europäischen Sonderweg begibt, nachdem durch die E-Commerce-Richtlinie in diesem Bereich eine europaweite Harmonisierung hergestellt wurde. »Wir brauchen mehr Einheitlichkeit in Europa, nicht mehr Alleingänge«, so Rohleder. »Es ist gut möglich, dass dieses Gesetz europarechtswidrig ist. Die EU-Kommission wird dies mit Blick auf den angestrebten einheitlichen digitalen Binnenmarkt sicherlich sehr gründlich prüfen.«