Internationale Projekte: Interkulturelle Aspekte sind der Schlüssel zum Erfolg

Der Projektleiter sitzt in Deutschland, andere Beteiligte des Projekts in Japan, Italien und Mexiko. Bei internationaler Zusammenarbeit ist die geografische Verteilung der Mitwirkenden Alltag. Der Vorteil: Multikulturelle Projektteams sind facettenreich. Sie bieten eine interessante Konstellation aus vielfältigen Sichtweisen und unterschiedlichen Fähigkeiten sowie einen großen Wissensschatz. Damit sich diese Umstände positiv auf das Projekt auswirken, muss ein Projektleiter die kulturellen Unterschiede erkennen und interkulturelle Teams moderieren können.

Warum interkulturelle Kompetenz wichtig ist

Interkulturelle Kompetenz beschreibt die Fähigkeit, mit Personen und Gruppen unterschiedlich kultureller Orientierung, angemessen zu interagieren. Die Grundlage bildet das Erkennen und Verstehen anderer Verhaltens- und Denkmuster. Anfangs sind Irritationen in einem internationalen Team normal. Wichtig ist es, daraus keine Distanz entstehen zu lassen, sondern mit einer positiven Grundhaltung immer wieder auf die anderen zuzugehen. Wer offen für Überraschungen bleibt, reagiert angemessen auf diese Situationen und beeinflusst den Projektausgang positiv.

Kulturelle Unterschiede in der Projektzusammenarbeit

Eine gute internationale Zusammenarbeit kann sich sehr positiv auf Kostenentwicklung, Zeitbedarf und Ergebnisse auswirken. Dafür ist es wichtig, sich kultureller Unterschiede bewusst zu sein. Ein Projektleiter sollte die wichtigsten Dimensionen kennen, die in Projekten immer wieder Schwierigkeiten machen:

  1. Machtdistanz: Diese bezeichnet die Distanz, die zwischen Führenden und Mitarbeitern, hier also Projektleiter und Projektbeteiligten herrscht. So wirkt z. B. in Mexiko oder China eine hohe Machtdistanz; Entscheidungsprozesse verlaufen hierarchisch und Widerspruch wird nicht geduldet. In Deutschland oder England hingegen ist die Machtdistanz deutlich niedriger, man erwartet von Mitarbeitern, dass sie mitdiskutieren und auch einem Chef gegenüber ihre Meinung kundtun.
  2. Zeitverständnis: In monochronen Kulturen, wie in Deutschland üblich, wird eine Aufgabe nach der anderen gemacht. Ein Projektplan wird im Wesentlich so abgearbeitet, wie er beschrieben ist. In polychronen Kulturen dagegen kann man viele Dinge zur gleichen Zeit tun – und ein Projektplan ist nur eine von tausenden Möglichkeiten, wie man arbeiten könnte. Entsprechend variantenreich ist dann die Umsetzung.
  3. Risikotoleranz: Projektbeteiligte gehen Risiken in unterschiedlichen Maßen ein. Risikovermeidende Kulturen möchten alles absichern und entsprechend vorsorgen, in risikotoleranteren Kulturen löst dies Unverständnis aus.
  4. Direkte und indirekte Sprache: Direkte Sprache, wie wir Deutsche sie pflegen, wird in vielen Ländern als unhöflich empfunden oder gar als persönlicher Angriff gewertet. In Japan und etlichen anderen asiatischen Kulturen beispielsweise wird dagegen so höflich und indirekt wie möglich kommuniziert.

Durch fremde Mimik und Gestik oder andersartiges Verhalten treten Missverständnisse auf, das Konfliktpotenzial erhöht sich. Um dieses zu minimieren, hilft es, gemeinsam Regeln für ein weitestgehend reibungsfreies Zusammenarbeiten aufzustellen. Einen global geltenden Regelkatalog für die optimale Zusammenarbeit interkultureller Teams gibt es allerdings nicht. Denn jede Konstellation ist einzigartig. Ein Grundverständnis für die andere Kultur sowie ein wertungsfreies Miteinander begünstigen die harmonische und konstruktive Arbeitsatmosphäre. Generell ist es gut, konfliktbehaftete Situationen rasch anzusprechen, um eine Lösung für ein Problem zu finden bevor es sich verstärkt. Entscheidend ist eine gute Kommunikationskultur: Jede Meinung ist wichtig und wird gehört, konstruktive Kritik ist erlaubt und erwünscht.

Kommunikation in interkulturellen Projekten optimal gestalten

Sich der unterschiedlichen Kommunikationsarten in verschiedenen Kulturräumen bewusst zu werden, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. So weist beispielsweise ein Deutscher direkt auf ein Problem hin, während dieses in anderen Kulturen – Stichwort direkte Sprache – höflich umschrieben wird. Dabei fällt es einem ungeübten Deutschen oft schwer herauszuhören, was der andere sagen will.

Des Weiteren kann ein klares »Nein« erhebliches Konfliktpotenzial zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturgruppen provozieren, wenn in einer der Kulturgruppen ein »Nein« als kommunikatives Tabu gilt. In Gesprächen mit Angehörigen solcher Gruppen sollte daher dem Formulieren eines »Nein« eher ausgewichen werden, um Konfliktpotenzial zu entschärfen. Zugleich bemühen sich Angehörige solcher Gruppen, ein »Nein« eher indirekt zu formulieren, sodass der Gegenüber zwischen den Zeilen lesen und das »Nein« herausinterpretieren muss. Ein »Ich werde darüber nachdenken« stellt in diesem Zusammenhang ein Beispiel aus asiatischen Kulturkreisen für eine höfliche Absage dar. Alternativ dient eine sich widersprechende Körpersprache aus Mimik oder Gestik ebenfalls als höfliche Art der Negation. Im Extremfall wird diesem Verhalten sogar noch verbal ein »Ja« beigefügt – obwohl das Gegenteil gemeint wird.

Dem gegenüber steht eine andere Auffassung des »Ja« in China oder Indien. Für Angehörige entsprechender Kulturkreise bedeutet es, dass das Gesagte (akustisch) gehört, jedoch nicht zwangsläufig auch verstanden wurde. Hier hilft konkretes Nachfragen, um zu hören, was der Andere denn verstanden hat oder tun wird. Dieses Nachfragen empfinden wir oft als unangenehm und misstrauisch, in der anderen Kultur zeigt man damit jedoch viel mehr Interesse an der Arbeit und dem Engagement des Angesprochenen. Hilfreich ist es, innerhalb einer Projektgruppe festzulegen, dass ein »Ja« eine Zusage oder Zustimmung ist, um Missverständnissen vorzubeugen.

Um rasch eine konstruktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen, ist es sinnvoll, wenn der Projektleiter sich zuerst den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen anpasst und von dort aus die gemeinsame Projektkultur etabliert. Er erklärt jedem Projektteilnehmer, aus welchen Gründen er das Team auf seine Art und Weise führt. Um jedes Teammitglied ins Boot zu bekommen, bleibt er für »kulturellen Verhandlungsspielraum« flexibel. Mit der gedanklichen Fokussierung auf den erfolgreichen Projektausgang kann ein Teamleiter darüber eine eigene Kultur der internationalen Zusammenarbeit etablieren.

Terminpläne und Risiken

In Projekten ist es neben den gemeinsam aufgestellten Regeln sinnvoll, zusammen Zeitpläne zu erarbeiten. Hier lohnt sich eine Analyse des Teams, damit eine verlässliche Planungsbasis sowie ein realistischer Terminplan entsteht. Denn gerade in diesem Bereich bereitet das unterschiedliche Zeitverständnis aus verschiedenen Kulturgruppen Herausforderungen. Auch hier gilt wieder: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation!

Ob ein Kompromiss zwischen monochronen und polychronen Arbeitsabläufen entsteht, oder der Projektleiter einen Weg vorgibt: Grund, Umsetzung und Konsequenzen bei Nichteinhaltung einer verbindlichen Terminplanung müssen allen Projektteilnehmern klargemacht werden und bewusst sein.

Kulturell unterschiedlich ausgeprägtes Risikobewusstsein führt oftmals zu situativ getroffenen Entscheidungen. Risikovermeider sind gut darin, Risiken früh zu erkennen und Präventivmaßnahmen zu planen. Risikotolerantere Kulturen sehen Risiken oft nicht voraus, sind aber dafür meist besser im Improvisieren, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Beides sinnvoll kombiniert, kann das Projektteam beflügeln. Bei einer unpassenden Kombination führt es dazu, dass sich die Abgabe des Projekts verzögert oder dass Budgetvorgaben überschritten werden. Als Projektleiter gilt es, sich diesen Risiken bewusst zu sein und angemessen darauf zu reagieren.

Wie entsteht ein optimales Teamgefühl?

Wenn der aufgestellte Rahmen stimmt, erkennt jedes Mitglied den Wert des anderen und wächst als Team zusammen. Alle Mitarbeiter dürfen ihre Meinung offen kommunizieren und Konflikte direkt ansprechen. Im Vorfeld müssen dafür einige Hürden genommen werden.

Mitarbeiter aus dem Nahen oder Fernen Osten bevorzugen enge Vertrauensverhältnisse. Teilweise müssen sich Menschen aus diesen Kulturregionen auch vertraut wie Freunde werden, um gemeinsam produktiv sein zu können. Erst dann wird eine effiziente Zusammenarbeit möglich. Hingegen hat die enge persönliche Beziehung in angloamerikanischen Kulturräumen bei der Arbeit einen niedrigeren Stellenwert und kann auf einem oberflächlichen Level verbleiben. Für den Teamspirit interkultureller Teams ist es jedoch unabdingbar, sich kennenzulernen, Teamgefühl herzustellen und es auch über weitere Distanz zu erhalten.

Die einfachste Variante den persönlichen Kontakt herzustellen ist ein Treffen an einem gemeinsamen Ort. Ist dies nicht möglich, bietet es sich an, Beziehungen visuell, beispielsweise über Webkonferenzen, aufzubauen. Eine weitere Variante zum Aufbau und Erhalt des Teamspirits liegt in der Vernetzung zwischen Kleingruppen. Anstatt die gleichzeitige Begegnung aller Teammitglieder untereinander herzustellen, arbeiten die Projektteilnehmer zeitweise in unterschiedlicher Konstellation zusammen. Der Projektleiter stellt nach alle zwei bis drei Wochen neue Gruppen zusammen, womit er den gemeinsamen Austausch fördert. In allen Fällen gilt: Kommunikation schafft Vertrauen, Vertrauen schafft Wissen und dies führt letztlich zum vollen Erfolg.

Projektbeteiligte effektiv schulen

Jedes Mitglied eines Teams trägt zum wesentlichen Erfolg des Projekts bei. Projektleiter müssen sich mit den kulturellen Unterschieden und den damit verbundenen Vor- und Nachteilen befassen. In Seminaren erhalten sie das Handwerkszeug, um ein internationales Team führen und formen zu können.

Für eine Projektarbeit mit Angehörigen zweier unterschiedlicher Länder beziehungsweise Kulturregionen hat sich eine Seminarform für Projektleiter bewährt, die explizit die kulturellen Unterschiede der beiden betroffenen Länder herausstellt. Das entspricht somit einem idealen Training für eine 1:1-Beziehung. Im Kontext größerer interkultureller Zusammensetzungen von Projektteams empfiehlt es sich, die verschiedenen Aspekte und Charakteristika der betroffenen Kulturräume gemeinsam im Team kennen zu lernen. So können Projektleiter wie -teilnehmer ihre interkulturelle Kompetenz durch Gruppen- und Gesprächsübungen, Videosequenzen und Rollenspiele verbessern.

Interkulturelle Kompetenzen sind für eine konstruktive internationale Zusammenarbeit und den positiven Ausgang des Projekts unabdingbar. Sie vermeiden Missverständnisse und minimieren das Konfliktpotenzial um ein Vielfaches. Ein interkulturelles Teamtraining zu Projektbeginn schult jeden Teilnehmer und öffnet und sensibilisiert für andere Verhaltensweisen und Denkmuster.

Patrick Schmid, Geschäftsführer PS Consulting GmbH

www.psconsult.de

 


 

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