Internet-of-Things-Geschäftsmodelle, warum und wie?

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Speziell in Deutschland, dem Land der Ingenieure, wird sehr viel über die technischen Hintergründe und die zu meisternden Hürden auf dem Weg zu Industrie 4.0 diskutiert und publiziert. Das ist und mag sicher berechtigt sein, nur allein mit der Umsetzung der Technik ist gerade einmal der Anfang gemacht. Denn, was neben einer auf stark standardisierten schnittstellenbasierenden Technik zählt, in deren Bereitstellung zudem auch noch investiert werden muss, sind die Ableitungen neuer, für den Endkunden, attraktiver Geschäftsmodelle.

Alte Technologiewelten

Doch genau das scheint sich gerade für die großen Marken, darunter auch die Deutschen »Platzhirsche«, als zunehmendes Problem herauszustellen. Die Gründe sind vielfältig. Mal hat die Unternehmensführung bei einer technischen Innovation auf das falsche Produkt gesetzt, mal sind es Managementfehler. Untersuchungen haben aufgedeckt, dass gerade Marktführer Probleme haben, wenn große Umwälzungen im eigenen Marktsegment anstehen und sich damit verbunden die Technologie drastisch verändert. Die gesamten Entscheidungsprozesse sind dann von der alten Technologiewelt geprägt. Auch sitzt nicht selten das Top-Management »auf einem sehr hohen Ross«.

Es gibt dazu sehr prominente Beispiele, so u.a. Kodak, 1892 gegründet, die ab den 1930er Jahren als Standard bei Fotofilmen galten. Auch bei den Farbfilmen änderte sich das nicht. Zwar entwickelte bereits 1975 der Kodak-Mitarbeiter Steven Sasson die weltweit erste digitale Kamera, 4 Kilogramm schwer, 0,01 Megapixel, nur Schwarz-Weiß-Bilder und mit 23 Sekunden Speicherzeit für eine Aufnahme nicht gerade schnell. Aber 1975 boomte das berühmte Kodak-Farbfilm-, Farbabzugspapier- und Diafilmgeschäft. Ein extrem gut gehendes Geschäft. Warum sollte man dieses sichere Geschäft aus den eigenen Reihen mit einer komplett neuen Technologie »angreifen«? Doch man übersah bei Kodak offensichtlich die Macht und die Auswirkungen der Digitalisierung. 2013 endete die Geschichte von Kodaks Filmproduktion.

Ein anderes Beispiel ist die Musikindustrie. Die ersten digitalen Download-Keime ignorierte man. Die Musikverlagsbosse lehnten Kooperationen und derartige Download-Bestrebungen bevorzugt mit dem Hinweis auf die hervorragenden CD-Verkaufszahlen kategorisch ab. Wohin das geführt hat, wissen wir alle: Die CD-Verkaufszahlen gingen in den Keller, Downloads via Apple und Amazon sowie Streaming-Dienste sind die angesagten Technologien. Sehr eindrucksvoll beschreibt dieses Szenario der ehemalige Deutschlandchef von Universal Music, Tim Renner, in seinem Buch »Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm – Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie«. Man könnte es auch »Vom Aufstieg und Fall der Musik- und Medienwirtschaft« betiteln.

Marktführer, unabhängig von der Branche, müssen in der heutigen Zeit extrem spezialisiert sein, um eine führende Position einzunehmen. Dadurch werden sie aber auch oftmals unflexibel. In Zeiten radikaler Veränderungen benötigt man vor allem viele Experimente und große Flexibilität oder Radical Agility, wie es bei Zalando heißt: mit autonomen Teams und der Verwendung von Microservices.

Ausgründungen klassischer Markenkonzerne als Think Tanks und agile Geschäftsidee-Schmieden

Zunehmend mehr hochspezialisierte Marktführer erkennen die Gefahren der auf Basis von IoT und Digitalisierung entstehenden neuen disruptiven Geschäftsideen und Geschäftsfelder. Sie realisieren auch, dass große Unternehmen viel zu schwerfällig sind und Innovationen in kurzer Zeit nur sehr schwierig umgesetzt bekommen. Dies steht ganz im Widerspruch zur »Time to Market«-Forderung der Digitalisierung. Wird es also zukünftig die Zweiklassen-IT geben, den großen, eher behäbigen, personenstarken »Luxus Liner«, der zuverlässig die Meere kreuzt, und daneben das kleine, sehr wendige »Schnellboot«? Eine weitere Frage in diesem Kontext betrifft auch das Miteinander oder Nebeneinander dieser beiden Modelle: Sowohl das Mit-, als auch das Nebeneinander, werfen sehr viele neue Fragen auf.

Viele große Unternehmen suchen die Lösung aus dieser Misere in der Form von Ausgründungen, beziehungsweise »Versuchslabors« im Stil von »Hubraum« der Deutschen Telekom, von »Factory«, durch Google finanziell unterstützt, oder über das Cisco openBerlin Innovation Center. Auch Unternehmen wie der Versandhändler Otto, die Commerzbank, die Münchner Rück, die Deutsche Lufthansa, um hier nur einige zu nennen, investieren in »Radical Agility«. Nach dem Time-to-Market-Vorbild der Samwer-Brüder und »Rocket Internet« werden in immer kürzeren Zyklen neue Geschäftsmodelle umgesetzt und auf dem Markt platziert. Anhand der von Big Data und Business Intelligence ermittelten KPIs werden die Marktsichtbarkeit und der wirtschaftliche Erfolg sehr kritisch geprüft. Fallen diese Zahlen schlecht aus, wird das Geschäftsmodell, beziehungsweise das Startup, vom Markt genommen. Die IoT-Geschäftsmodell-Schmieden sind extrem schnell unterwegs. »The time to market – it is changing«!

autor michael weiß experton groupDr. Michael Weiß, Experton Group