Interview – Digitalisierung und der Faktor Mensch

Die Digitalisierung, Industrie 4.0 und das Internet der Dinge (IoT) sind zurzeit die beherrschenden IT-Themen. Wie man diese Themen bei der Software AG angeht, erklärt Werner Rieche, Geschäftsführer der SAG Deutschland GmbH.

Herr Rieche, IoT und digitale Transformation beherrschen zurzeit die Diskussionen in allen Branchen, denn letztlich soll irgendwann einmal alles digitalisiert sein. Wie gehen Sie an diese Herkules-Aufgabe heran? 

So neu ist das Thema Digitalisierung eigentlich nicht. Große Banken und Versicherungen versuchen schon seit vielen, vielen Jahren, Dokumente und Daten zu digitalisieren. Nur war man bisher dabei auf Großrechner fokussiert, während jetzt Mobile Devices wie Tablets und Smartphones eine wichtige Rolle spielen und so die Konsumenten viel stärker eingebunden werden können. Was die ganze Sache jetzt so spannend macht, ist, dass wir als Menschen in der Lage sind, mit Sensoriken eine Vielzahl von Daten zu erheben und auszuwerten. Und viele Unternehmen machen sich jetzt Gedanken darüber, was das für ihr Geschäft bedeutet und ob sie ihre Geschäfte in der Zukunft noch so erfolgreich führen können? Oder gibt es sogar einen Zwang zur Veränderung und neuen Geschäftsmodellen mit traditionellen und innovativen Produkten, angereichert mit ganz neuen Möglichkeiten, aus den Produkten und mit den Produkten in Echtzeit Daten für aktuelle Unternehmensprozesse, für Geschäftsstrategien und Fertigungsprozesse zu generieren?

Die Fragen lauten also in etwa: Was, wie und wofür?

Ich muss meine Lösungen so konzipieren, dass ich weiß, welche Daten ich auswerten will, wo ich diese Daten erheben kann und wie ich sie schnell – nämlich in Echtzeit – und sicher speichern kann. Und dann muss ich klären, wie ich die Rechenalgorithmen für die Auswertungen aufsetze. Man kennt in den Unternehmen meist genau die Punkte, wo es oft geklemmt hat, die Dinge, die nicht funktioniert haben und dass man viele Sachen nicht gewusst hat, obwohl man sie gern gewusst hätte. Heute gibt es technologisch diese Möglichkeiten und man muss sich überlegen, wie man die in sein Unternehmen einbringt.

Daten wie Temperatur, Schwingungen und Abnutzungsgrade von Werkzeugen, Werkstücken oder Maschinen über entsprechende Sensoriken in Echtzeit zu bekommen, stellen für jedes Unternehmen einen Riesenmehrwert dar. Dafür hätte man gerne so etwas wie einen goldenen Weg; den gibt es aber nicht, weil die Anforderungen so vielfältig sind. Eine Abteilung braucht die Daten nur einmal am Tag, während das andere Ressort sie mindestens viermal benötigt. Man braucht also vor allem eine Infrastruktur, eine Plattform, um unter anderem die Hochgeschwindigkeitsanforderungen abzudecken.

Ist so die nach Ihren Worten weltweit erste digitale Business-Plattform der Software AG entstanden?

Damit sind wir vor zwei, drei Jahren an den Markt gegangen. Heute sprechen wir eher davon, dass die Software AG unternehmenswichtige und unternehmenskritische Fähigkeiten in eine digitale Plattform, eine IoT-Plattform einbringt. Es ist heute jedem klar, dass niemand in der Lage ist, so eine Plattform von A bis Z alleine zu bauen. Wir beherrschen die Integration von Daten und Datenquellen, egal, ob es Backend-Systeme sind, Systeme beim Kunden oder von Sensoriken transferierte Daten. Wir können die Daten sicher irgendwohin transferieren oder die Software mit den Rechenalgorithmen dort laufen lassen, wo die Daten generiert werden, also direkt auf den Sensoren. Dann werden nur die Ergebnisse gesendet. Worin wir ebenfalls gut sind, ist die Fähigkeit, in Echtzeit die ganzen Datenströme, die generiert werden, zu streamen und aus diesen Datenströmen direkt die Ergebnisse herauszulesen. Schließlich gibt es noch die GDPR, die einheitlichen Datenschutzbestimmungen der Europäischen Union. Hier müssen die Prozesse wirklich so transparent gestaltet werden, dass sie auch von extern einsehbar sind. Und da haben wir exakt die Möglichkeiten, genau diese Anforderungen zu unterstützen.

Man wundert sich immer wieder, dass in vielen Bereichen ganz alte Systeme laufen, auf teilweise veralteten Maschinen oder älteren Datenbanken. Trotzdem werden dort Daten geführt, die im weiteren Prozess extrem wichtig sind. Dann wieder reden wir von der Cloud, also hochmoderner Technologie, um dort wesentliche Informationen abzuspeichern oder zwischen zu speichern. Jetzt gibt es aber Prozesse, die es erfordern, diese Daten zusammenzubringen. Hier können wir ebenfalls Transparenz schaffen. Wir können zeigen, welche Systemkomponenten in einem Unternehmen existieren, welche Versionen von welcher Software vorhanden sind, wie die Release-Abhängigkeiten aussehen, um schließlich eine vollkommene Transparenz des gesamten Bestands darzustellen.

Stehen Ihnen dafür Programme oder Tools zur Verfügung?

Ja, da gibt es unser Tool Enterprise Archicture Management, genannt Alfabet. Die Lösung ist sehr skaliert und ausgereift und am Markt etabliert. Das ist eine umfassende Software-Suite, mit der Sie alle IT-Portfolios in einer einzigen Umgebung managen – einschließlich der Anforderungen, Applikationen, Technologien, Projekte, Finanzen und Risiken. Wir kümmern uns damit um das Integrieren und das Vernetzen der digitalen Welt.

Früher gab es keine virtuellen Brillen und keine Mikrosensoriken, die ich heute sogar an Brücken anbringen kann, um etwa deren Schwingungen zu analysieren. Allein Bosch produziert am Tag fünf Millionen Sensoren, und es gibt noch weitere Produzenten. Diese Mikrosensoren in Produkte einzubauen, um eine Vielzahl von Informationen zu erhalten, das ist genau das, was bei vielen Unternehmen passiert. Und wir stellen die Software her, um das zu realisieren. Diesem Ziel dient auch unsere Partnerschaft mit Bosch oder dem Maschinenbauer Dürr. Heute möchte niemand mehr lediglich ein austauschbarer Hardwarelieferant sein, sondern – Stichwort Predictive Maintenance – seine Maschinen zukunftssicher herstellen.

Bei Dürr gibt es viele Ingenieure, die wissen bestens über die Einzelteile ihrer Maschinen Bescheid. Unsere Kernkompetenz ist seit fast 50 Jahren die Softwareentwicklung. Wir wissen genau, wie wir Ideen im unternehmenskritischen Umfeld zur Produktreife bringen. Das kommt in den Partnerschaften zusammen. So liefern wir stets aktuelle Technologien, mit denen man in der Lage ist, die verschiedensten Geräte und Maschinen zu vernetzen, Daten zu sammeln und in Echtzeit zu analysieren. Mit Bosch sprechen wir da auch von Co-Innovation.

Früher lieferte man im traditionellen Softwaregeschäft ein System, das hat der Kunde dann genutzt. Wenn man aber heute Kernkomponenten für die Industrie liefert, weiß niemand, wie die Anforderungen in zehn Jahren aussehen. Darum ist es für ein Unternehmen wichtig, einen Partner an seiner Seite zu haben, der das versteht. Also einen Partner, der stets nach aktuellen Anforderungen entwickelt, damit die Komponenten, die heute verbaut werden, definitiv auch in zehn Jahren noch laufen und die Dinge unterstützen, die es dann geben wird. Um unseren Kunden das zu bieten, gehen wir Partnerschaften ein, darum sprechen wir von Co-Innovation.

Partnerschaften gehören also heute dazu?

Absolut. Heute entstehen permanent Partnerschaften allein aufgrund der Tatsache, dass niemand allein Alles bieten kann. Auf der Cebit haben wir mit Huawei einen Vertrag geschlossen und wir stehen in Kontakt mit der deutschen Telekom. Manchmal übernehmen wir aber auch einen Partner, wie zum Jahresbeginn Cumulocity, einen Spezialisten für die Vernetzung von Geräten im Internet.

Aber damit allein ist es natürlich nicht getan. Neben dem Thema Sicherheit spielen für mich Bildung, Aus- und Weiterbildung eine herausragende Rolle. Denn: Haben wir in Deutschland überhaupt genug Fachkräfte, um all das umzusetzen, was zu tun ist? Darum sind wir da hoch engagiert, auch mit finanziellen Mitteln. Wir machen sehr viel mit Schülern, beispielsweise in dem Projekt Calliope. Da werden kleine Mini-Computer an den Grundschulen verteilt, mit denen die Schüler bereits grobe Programmierkenntnisse erwerben können. Wir haben aber auch enge Bindungen zu den Hochschulen über unsere eigene University-Relations-Abteilung.

Cloud, Machine Learning und Artificial Intelligence sind also vermutlich zurzeit Ihre Hauptthemen?

Na ja, die Cloud ist eigentlich gar kein Thema mehr. Die ist in modernen, zukunftsorientierten Unternehmen fast schon Normalität. Und künstliche Intelligenz besteht letztlich auch wieder aus Sensorik und Daten, mit denen sich – gesammelt und ausgewertet – ein Programm weiterentwickelt, ohne dass ein Mensch kodiert. Aber ich glaube, dass neben der ganzen Technik immer auch der Faktor Mensch wichtig ist – wie wir zusammenarbeiten und wie wir miteinander kommunizieren. Und als Menschen haben wir eigentlich gar keine andere Wahl, als die neuen Technologien verantwortungsvoll einzusetzen. Machine Learning und Human Learning dürfen nicht auseinanderstreben, sondern müssen sich parallel entwickeln und eine Einheit bilden, beides gehört zusammen. Denn schließlich soll die Digitalisierung den Menschen Nutzen bringen.

Herr Rieche, vielen Dank für dieses Gespräch.


Das Gespräch führte Volker Vorburg

 

Bild: © SAG Deutschland GmbH

 


 

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