Kompetenz zur Organisations- und Prozessgestaltung: Multiplikatoren als Erfolgsgaranten

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In vielen Unternehmen wird eine prozessorientiert gestaltete Organisation für immer notwendiger erachtet. Ein neuer Auslöser, neben den sich stetig verändernden Marktbedingungen, bestimmt die derzeitige Diskussion: die digitale Transformation. Beschleunigte Geschäftsmodelle und vernetzte Prozessketten lösen individuelle Veränderungsprozesse aus, die wiederum eine entsprechende Kompetenz erfordern. Wurden bisher prozess- oder strukturoptimierende Projekte meist externen Experten oder einigen Inhouse-Organisationsentwicklern überlassen, wünscht man sich heute Organisations- und Prozessgestaltungskompetenz bei möglichst vielen Mitarbeitern. Warum das so ist und wie ein »flächendeckendes« Prozessmanagement am besten gelingt, zeigen Beispiele aus der Consulting-Praxis.

Unternehmen messen dem Geschäftsprozessmanagement beziehungsweise der prozessorientierten Organisationsgestaltung einen immer höheren Stellenwert bei. Arbeitsplätze, Prozesse und Strukturen sollen immer effizienter gestaltet werden. Verstärkt gilt das für Unternehmen, die bislang noch funktional ausgerichtet organisiert sind. Aber auch »prozess-affine

Unternehmen mit etabliertem Geschäftsprozessmanagement sind ständig auf der Suche nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten. Gründe dafür liegen zum einen ganz aktuell in der Entwicklung von digitalisierten Geschäftsmodellen, zum anderen in der unverändert vorhandenen Notwendigkeit, Ergebnissteigerungen zu erzielen. Dementsprechend steigt der Bedarf, auch und ganz besonders funktionsübergreifendes Synergiepotenzial zu heben.

Vernetzung und Synergiepotenziale

Auf einen weiteren Grund stieß aktuell in einer branchenübergreifend durchgeführten Studie das Hamburger Beratungsunternehmen ChangePartner AG, welches organisationale und individuelle Veränderungsprozesse begleitet: Führungskräfte wünschen sich eine Kultur von mehr Vernetzung und übergreifender Synergieerschließung innerhalb der gesamten Organisation. Dieser Trend unterstreicht die sachlichen Notwendigkeiten einer prozessorientierten Unternehmensorganisation aus einer weiteren Perspektive, nämlich der der Soft-facts.

Ein aktuelles Projektbeispiel für diese Entwicklung ist die Vernetzung der Vertriebs-, Marketing- und Kommunikationsbereiche zur Abwicklung umfassender Kampagnen mit Ergebnismaximierung oder zur Implementierung des Multi-Channel-Marketings. Ein anderes ist etwa im Zusammenwachsen von Vertrieb und Entwicklung zu sehen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich die Entwicklung jedoch in einem Paradigmenwechsel, der zurzeit vielfach zu beobachten ist: Die IT-Bereiche werden als zentraler »Enabler« von Geschäftsprozessen wieder in die Verantwortung genommen. Um Organisation und IT zu verzahnen, müssen sie nun ihre Organisationskompetenz wieder aufbauen, die vielerorts seit den 80er-Jahren in getrennten Organisationsbereichen angesiedelt war. Dazu gehört, das »Geschäft« der einzelnen Funktionsbereiche zu verstehen sowie Beratungs-, Organisations- und Prozessgestaltungskompetenz aufzubauen, um reibungslose Abläufe und eine höhere Prozessagilität zu erreichen.

Aufbau von Organisationskompetenz

Um diesen Anforderungen an das Geschäftsprozessmanagement gerecht zu werden, holen sich Firmen entweder Experten von außen oder – und von diesem Trend berichten viele Consulting-Unternehmen – wollen möglichst viele ihrer eigenen Mitarbeiter für das Funktionieren der internen Prozesse sensibilisieren sowie ihnen Instrumente und Vorgehensweisen zur Analyse und Verbesserung beibringen. Auf diese Weise wird Prozessmanagement flächendeckend umgesetzt. Denn Weiterentwicklung im Sinne von Optimierung wird heute verstärkt als gemeinsame Arbeit in den operativen Einheiten mit IT und Qualitätsbereichen verstanden und weniger als Job einer einzelnen Abteilung oder als Beratertätigkeit seitens Dritter.

»Flächendeckendes« Prozessmanagement als Dreh- und Angelpunkt

»Flächendeckendes« Prozessmanagement bedeutet dabei, dass die Verantwortung für das Prozessmanagement, einschließlich der Verbesserung, nicht allein bestimmten Abteilungen oder Stabsstellen obliegt oder gar an Dritte ausgelagert wird, sondern dass sämtliche Mitarbeiter in allen Funktionsbereichen daran beteiligt sind. Das hat den Vorteil, dass die notwendige Expertise dort vor Ort ist, wo die Prozesse operativ auch ablaufen. Zudem gibt es eine höhere Akzeptanz von neuen Ideen und Ergebnissen, wenn sie ein anerkannter Kollege anstelle eines Außenstehenden präsentiert. Außerdem bestehen bei den Mitarbeitern auch weniger Berührungsängste, selber Verbesserungsvorschläge zu entwickeln und auszusprechen. Um es mit dem Beispiel der IT als »Enabler« zu sagen: Wie sollen brachliegende Potenziale gehoben werden, wenn die IT sich nicht mit den jeweiligen Fachbereichen darüber austauscht, welche Tätigkeiten durchgeführt werden und wie diese durch die vorhandene IT-Infrastruktur unterstützt werden können?

Umsetzung nach dem internen Multiplikationsprinzip

Unternehmen, die eine Organisations- und Prozessgestaltungskompetenz bei möglichst vielen Mitarbeitern erreichen wollen, gehen am besten nach dem internen Multiplikationsprinzip vor. Für überschaubare Organisationen bietet sich die Ausbildung von sogenannten Prozessberatern an. Für große Organisationen empfiehlt sich die Durchdringung über sogenannte »Train-the-Trainer«-Ausbildungen, wie sie von spezialisierten Beratungsunternehmen angeboten werden. Interne Trainer qualifizieren hier Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens zum Prozessberater.

Die angehenden Prozessberater werden dabei vom durchführenden Beratungsunternehmen in internen Schulungsprogrammen in Fach- und Methodenkompetenz (Prozessmanagement) geschult, ebenso wie in Sozial- und Persönlichkeitskompetenz (Moderation, Change-Management und Kommunikation). In der Ausbildung werden Inhalte wie Prozess-Visualisierung, methodisches Vorgehen zur Analyse und Potenzial-Identifikation, Prozess-Redesign sowie IT-gestützte Nutzensimulation vermittelt. Zentrales Augenmerk liegt dabei auf dem Erlernen einer attraktiven Visualisierungstechnik und dem Workshopdesign einer schnittstellenübergreifenden, aktivierenden Ist-Aufnahme. Eine weitere Qualifizierung besteht in der Vermittlung der Denklogik, wie vorhandene Potenziale auf den unterschiedlichen prozessualen Gestaltungsebenen systematisch transparent gemacht werden können. Ziel ist es, das Lesen von Prozessketten und das Arbeiten mit diesen wie eine zweite, allgemeinverständliche Sprache für alle im Unternehmen zu installieren, damit ein fachabteilungs- und hierarchieübergreifender Austausch überhaupt erst möglich wird.

Sieben Schritte der Prozessoptimierung

So orientiert sich beispielsweise das Ausbildungskonzept von ChangePartner an den sieben Schritten der Prozessoptimierung:

  1. Prozess-Architektur,
  2. Detail-Visualisierung,
  3. Reflexion,
  4. Redesign,
  5. Soll-IT- und Soll-Struktur,
  6. Implementierung,
  7. Messung und Steuerung.

Nach Abschluss des Schulungsprogrammes in drei Modulen, zu dem auch Praxisphasen für das Erzielen eines direkten ROI bereits während der Ausbildungszeit gehören, verfügen die Prozessberater in den jeweiligen Funktionsbereichen über die Fähigkeit, Prozesse selbst zu analysieren und zu optimieren. Parallel werden Führungskräfte durch eine entsprechende Qualifizierung darin befähigt, die Prozessberater in ihrem Wirken zu unterstützen.

Denn die hierarchieübergreifende Zusammenarbeit ist, ebenso wie der fachabteilungsübergreifende Austausch, ein wesentlicher Faktor fürs Gelingen. Und genau deshalb erweisen sich Multiplikatoren als Erfolgsgaranten, wenn es um nachhaltige Arbeitsplatz-, Prozess oder Strukturoptimierungen geht. Prozesse hingegen ohne aktive Mitarbeit und Qualifizierung der Basis optimieren zu wollen, kann Konflikte und Verzögerungen riskieren, die die nötigen Investitionen erhöhen.

Eva Günzler, IT-Journalistin für Wordfinder PR

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