Machine Learning in der medizinischen Forschung

Daten sind allgegenwärtig. In vielen Bereichen unseres Alltags bestimmt die Technik längst unseren Biorhythmus. Im Zuge der Selbstvermessung tragen Fitnessarmbänder und mobile Apps dazu bei immer mehr Daten von uns selbst zu erheben. Eine schier unaufhörliche Flut von historischen, aktuellen und in Echtzeit erhobenen Daten strömt auf die Medizin zu. Um all diese Daten sinnvoll zu nutzen und die Evolution erfolgreich in Richtung personalisierter Medizin durchzuführen werden wir auf die Hilfe der Maschinen angewiesen sein.

Seit dem Jahr 1956 keimen immer wieder neue Funken von künstlicher Intelligenz (KI) auf, welche versuchen das Licht der Welt zu erblicken und die Grundpfeiler der Wissenschaft zu verändern. Verfahren des maschinellen Lernens erleichterten den Umgang mit medizinischen Daten bisher, zeigten jedoch auch die Grenzen auf. Gerade in der medizinischen Bildverarbeitung gibt es viele Ansätze und Lösungen, wie etwa die

  • Segmentierung,
  • Diagnose und
  • bildgestützte Therapie.

Mit der Flut an Daten kam jedoch ein Katalysator im Bereich der künstlichen Intelligenz ins Spiel, welcher alles verändern kann. Deep Learning nennt sich das seit mehr als 30 Jahren bekannte Verfahren, bei dem die Architektur des menschlichen Gehirns mit Hilfe von neuronalen Netzen nachgebildet wird. Dieser Art der Architektur wird das Leben durch Training eingehaucht. Dabei lernen die Maschinen von Daten, die Menschen oder andere Maschinen erhoben und bewertet haben. Qualitativ hochwertige Datensätze sind das Elixier, welches Experten und Maschinen gleichermaßen in Entzücken versetzt. Durch das Cloud Computing und Big Data-Technologien, wie Hadoop, wurden neue Möglichkeiten für die künstliche Intelligenz geschaffen.

Mit Deep Learning ist es möglich in Echtzeit Übersetzungen durchzuführen (Dolmetscher KI), Gesichter zu erkennen, Autos ohne Fahrer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen und vieles mehr. Diese Technologie ermöglicht es der Maschine, Fähigkeiten anzutrainieren, die in den meisten Bereichen dem Menschen deutlich überlegen sind. Dabei lernt die Maschine mittels vorhandener Datensätze, Daten zu interpretieren und zu verstehen. Am menschlichsten lässt sich dies vielleicht mit der Inselbegabung beschreiben. Doch es werden immer mehr Brücken gebaut, so dass eine generelle künstliche Intelligenz immer wahrscheinlicher wird. DeepMind, ein zum Google Universum gehörendes Unternehmen, demonstrierte erst kürzlich eine KI, welche unterschiedliche Computerspiele hervorragend beherrschte. Dies zeigt sehr gut den Fortschritt in diesem Bereich von der Technologieseite.

Doch worin genau liegt der Vorteil von Deep Learning? Um dies zu verstehen, müssen wir uns zunächst einmal verdeutlichen, wie das Deep-Learning-Verfahren beziehungsweise die neuronalen Netze funktionieren.

grafik crisp deep learning

Die neuronalen Netze spannen Ebenen von unterschiedlicher Komplexität auf. In der ersten Ebene beginnt die Maschine mit der Identifizierung von relativ einfachen Mustern. Dies kann zum Beispiel bei einem Röntgenbild die Helligkeit der einzelnen Pixel sein. In der nächsten Ebene kommen dann Kanten oder Formen hinzu. In der darauffolgenden Schicht dann Formen und Objekte. Dies geht immer so weiter, bis das gewünscht menschenähnliche Verhalten erreicht ist. Dabei fließen immer mehr Beispieldaten durch die neuronalen Netze, wodurch die internen Verknüpfungen kontinuierlich optimiert werden. Je mehr Daten zum Trainieren zur Verfügung stehen, umso besser das Resultat und die trainierte KI. Die Tiefe der neuronalen Netze ist dabei lediglich durch die Rechnerressourcen beschränkt. Am Ende hat die Maschine dann gelernt, wie man beispielsweise anhand von Lungen-CT-Bildern potenzielle Krebsgeschwüre diagnostiziert und dies mit einer Präzision, die denen vom Menschen überlegen ist. Durch die starke Gamer-Gemeinde in den letzten Jahrzehnten haben wir neben den hoch-performanten CPU-Chips auch sehr leistungsstarke GPU-Chips (Grafikprozessoren), welche gerade für das Deep Learning ein optimales Einsatzgebiet sind und deren Performance deutlich über denen von CPU-Chips in diesem Bereich liegt.

Was die Maschinen lernen und welche Regeln sie anwenden um ihre Ergebnisse zu erlangen ist nicht einsehbar und bleiben dem menschlichen Intellekt verschlossen. Gerade durch diese Tatsache eröffnen sich der medizinischen Forschung vollkommen neue Möglichkeiten. Einsatzgebiete sind unter anderem:

  • Diagnose von erkranktem Gewebe
  • Segmentierung von erkranktem Gewebe
  • Erforschung und Entdeckung von neuen Medikamenten
  • Diagnose von Krebs/Krebszellen

Dies ist auch keine Zukunftsmusik. Denn die ersten Ergebnisse wurden bereits erzielt. So nutzte ein Zusammenschluss aus Forschern von der Harvard Universität, vom Helmholtz Zentrum in München, vom Francis Crick Institute in London und der Newcastle Upon Tyne Universität genau diese Verfahren, um Krebszellen von künstlicher Intelligenz identifizieren zu lassen. Aktuell beruhen viele Ansätze in der Forschung noch auf Bildmaterial, welches in ausreichender Anzahl vorhanden ist. Weitere Einsatzbereiche sind jedoch bereits in der Erschließung. Mit immer mehr Sensoren und erfassten Daten in Kombination mit Forschungsergebnissen und digitalen Krankenakten lassen sich zunehmend mehr Anwendungsgebiete der künstlichen Intelligenz für den Menschen nutzbar machen.

Ein Beispiel stellt das im März letzten Jahres zum Patent eingereichte Nanoparticle-Phoresis-Armband da, welches zur Diagnostik und Bekämpfung von Krebszellen genutzt werden kann. Unternehmen wie Google und Apple haben längst diese Entwicklung für ihre eigene Roadmap entdeckt und stellen Plattformen, Tools und Rechenleistung zur Verfügung. Im Gegenzug versucht die Wissenschaft sich den technologischen Vorsprung ein Stück weit zu Nutze zu machen und ermöglicht den Unternehmen einen Einblick in die Daten. Ein Beispiel für eine solche Kooperation sind das Research Kit von Apple und die Zusammenarbeit von Google mit Krankenhäusern im Vereinigten Königreich. Diese füttern 1,6 Millionen Patientendaten in die künstliche Intelligenz von Google. Dabei umfassen die Daten digitale historische Patientenakten, Testresultate, aber auch Echtzeitdaten, welche am Patienten sensorisch erfasst werden.

Das Verständnis von Maschinen für

  • Gene
  • Medikamente
  • Proteine
  • Krankheiten
  • Verhaltensmuster
  • Diagnosen
  • Suchtverhalten

läutet eine neue Ära in der Medizin ein, welche vielleicht ohne die Maschine auch gar nicht möglich wäre. Denn die Regeln, welche Maschinen nutzen, um Daten zu interpretieren und verstehen, sind andere als die von Menschen. Und auch die Geschwindigkeit und die Qualität ist wesentlich größer als die der Menschen. Dennoch ist es nicht ein Alleingang der Maschinen. Der medizinische Fachblick auf die Resultate bleibt notwendig und wird vielleicht sogar noch bedeutender, denn mit dem neuen Kollegen KI (künstliche Intelligenz) muss man auf sehr hohem Niveau zusammenarbeiten.

foto autor björn bröhl crisp  Björn Böttcher, Crisp

 

 

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