Modernisierung des Leitstands: Technische Betriebsführung am Flughafen München

  • Schnellere Reaktionszeiten: Modernisierte Leitwarte Technik überwacht 15.000 Anlagen und verarbeitet 280.000 Datenpunkte.
  • Spezielle Software erleichtert Bedienung der Leitsysteme und reduziert Monitore.

Der Leitstand wurde mit vier Stratos X11 Command Desks, Version Curve versehen, an denen bequem zwei Personen Platz finden. Aufgrund der Halbmondform des Pults hat aber auch eine Person alle Bildschirme im Blick. Das Pult ist motorisch höhenverstellbar sowie durch die abgesenkte Monitorstellfläche und die Fußgarage besonders ergonomisch. Quelle: Jungmann Systemtechnik

 

Für die technische Betriebsführung am Flughafen München ist die Leitwarte Technik verantwortlich. Bis zum Februar 2016 versahen die dafür zuständigen, im Wechselschichtbetrieb eingesetzten Mitarbeiter ihren Dienst in Räumlichkeiten, die 2002 nach damaligem Stand der Technik eingerichtet wurden. Da mit der Inbetriebnahme des Terminal-2-Satellitengebäudes neue technische und personelle Herausforderungen auf den Leitstand zukamen, entschieden sich die Verantwortlichen für eine komplette Modernisierung der Einrichtung.

Mit der Ausführungsplanung sowie mit der Realisierung dieses Projekts wurde die Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG (JST) beauftragt, die einen repräsentativen Kontrollraum mit fünf ergonomischen Arbeitsplätzen umsetzte. Auf den dort vorhandenen Multikonsolen sowie der proaktiven Großbildwand können nun mittels einer speziellen Multi-Consoling-Hardware verschiedene Überwachungssysteme flexibel aufgerufen und bedient sowie Alarme angezeigt werden. Dadurch reduzierte sich die Zahl der notwendigen Monitore pro Arbeitsplatz auf vier und die der Bediengeräte auf zwei. Die neue Technik sorgt insgesamt für schnellere Reaktionszeiten der Mitarbeiter.

»Die Hauptaufgabe der Leitwarte Technik ist es, die einwandfreie Funktion der gebäudetechnischen und flughafenspezifischen Einrichtungen und Anlagen sicherzustellen und einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten«, erklärt Karl Rubsch, Leiter Leitwarte Technik am Flughafen München. »Zu diesem Zweck müssen auflaufende Störungen sofort erkannt, analysiert und die Behebung eingeleitet werden.« Diese Aufgaben übernimmt das Leitwartenpersonal unter anderem für 300 Gebäude mit circa 30.000 Räumen am Flughafen-Campus, 320 Aufzugsanlagen und 350 Rolltreppen, 120 Brandmeldeanlagen mit 70.000 Brand- und Rauchmeldern sowie Löschwasseranlagen mit mehr als 1.000 km Leitungsnetz und circa 250.000 Sprinklern. Unterstützt werden die Mitarbeiter dabei durch ein Kamera- sowie zwei Gebäudeleittechniksysteme, mit denen aktuell insgesamt 280.000 Datenpunkte und 9.000 Prozessbilder verarbeitet werden.

 

Bisherige Leitwarte Technik im Großraumbüro

Bis Anfang 2016 geschah dies mit einer Leitwarteneinrichtung, die seit 2002 in Betrieb war und hinsichtlich Ergonomie, Technik-Installation und Stabilität nicht mehr den Anforderungen entsprach, die heute an moderne Operator-Arbeitsplätze gestellt werden. »Sie bestand aus normalen Büromöbeln, einem Beamer sowie drei PC-Arbeitsplätzen. Zwei davon waren mit einem Windows-PC sowie einer GLT-Workstation mit jeweils drei Monitoren ausgestattet, ein weiterer Arbeitsplatz mit PC, GLT sowie zwei Monitoren«, so Rubsch. Die Anzahl der Mitarbeiter hatte sich im Laufe der Jahre von anfänglich sieben auf 18 erhöht und es wurden immer mehr verschiedene Systeme benötigt, wodurch die alte Technik an ihre Grenzen stieß. Zudem wiesen die Arbeitstische, die seit 2002 im Wechselschichtbetrieb – in drei Schichten mit je acht Stunden am Tag – genutzt wurden, starke Gebrauchsspuren auf. »Angesichts von etwa 40 Leitwarten-Führungen im Jahr entsprach die alte Einrichtung auch im Hinblick auf den Repräsentationscharakter nicht mehr unseren Ansprüchen«, so Rubsch. Darüber hinaus befanden sich die vier PC-Arbeitsplätze der Abteilung Störungsannahme Technik im gleichen Großraumbüro – was die typischen Nachteile, wie etwa einen hohen Lärmpegel, mit sich brachte.

Da im April 2016 zudem die Inbetriebnahme des Terminal-2-Satellitengebäudes anstand, entschieden sich die Verantwortlichen, die Leitwarte zu modernisieren. Zu diesem Zweck wurde eine technische und räumliche Planung nach den neuesten ergonomischen Maßstäben durchgeführt und die Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG (JST) mit der Umsetzung beauftragt. »Die wesentliche Herausforderung dabei war, dass der Umbau der Warte im laufenden Betrieb erfolgen und der Übergang von der alten auf die neue Technik nahtlos vonstattengehen sollte«, erläutert Rubsch. »Dies ist gelungen: Der 24-Stunden-Schichtbetrieb konnte während der Umbauarbeiten aufrechterhalten werden.«

 

Reduktion der Arbeitsplatz-Monitore von sechs auf vier

Das bisherige Großraumbüro wurde dabei komplett umgestaltet: Die eigentliche Leitwarte Technik ist nun in einem von fünf abgetrennten Räumen untergebracht, was für eine ruhigere Arbeitsumgebung sorgt. »Außerdem haben wir alle Rechner in einen Serverraum ausgelagert«, so Volker Weimer, zuständig für Consulting & Maintenance bei JST. »Dadurch gibt es deutlich weniger Geräusche im Kontrollraum. Auch die Wärmeentwicklung ist wesentlich geringer und wir sparen Platz im Leitwartenpult, was mehr Beinfreiheit für das Personal bedeutet.« Zudem wurde der Leitstand mit vier Stratos X11 Command Desks, Version Curve versehen. »Durch die Halbmondform des Pults hat der Leitwartenmitarbeiter bequem alle Bildschirme im Blick«, erläutert Weimer. Das Modell ist motorisch höhenverstellbar sowie durch die abgesenkte Monitorstellfläche und die Fußgarage besonders ergonomisch. Dadurch werden Fehlhaltungen oder einseitige Belastungen vermieden.

Ebenso wichtig war dem Auftraggeber, die bisher sechs Bildschirme sowie drei Tastaturen und Mäuse am Arbeitsplatz zu reduzieren und gleichzeitig eine intuitive, benutzerfreundliche Bedienung der Systeme sicherzustellen. Dafür sorgt in der neuen Leitwarte nun eine von JST eigens entwickelte Hard- und Software zur Steuerung von Arbeitsplätzen und Großbildsystem: »MultiConsoling korreliert Monitore, das heißt die Menge der Monitore wird in Summe reduziert und der Leitwartenmitarbeiter holt sich immer die Anzeige auf einen der eigenen Bildschirme, die er gerade braucht«, so Weimer. Vier Arbeitsplätze sind mit einer sogenannten Multikonsole bestehend aus vier Bildschirmen sowie jeweils einer Tastatur und Maus ausgestattet, ein weiterer Arbeitsplatz verfügt über eine Konsole mit zwei Monitoren.

 

Unterschiedliche Systeme flexibel auf Monitore aufschaltbar

Auf die Multikonsole kann jeder Mitarbeiter je nach Arbeitsverteilung oder Arbeitsaufwand individuell die benötigten Systeme aufschalten. Die Bilddarstellung und Tastatur-/Maus-Bedienung erfolgt dabei in Echtzeit. »Das war in der alten Leitwarte nicht möglich, die Systeme waren fest den Bildschirmen zugeordnet«, erklärt Rubsch. MultiConsoling benötigt keine zusätzliche Software auf den Quellrechnern. Unterschiedlichste Systeme von verschiedenen Herstellern lassen sich per Plug & Play anschließen und stehen sofort für die Bedienung bereit. »Das war besonders hilfreich, als in den ersten Wochen der Inbetriebnahme des Satellitengebäudes ein Arbeitsplatz ausschließlich für diese Aufgabe benötigt wurde. Auf der zuständigen Konsole war nur eines der beiden vorhandenen GLT-Systeme aufgeschaltet«, so Rubsch weiter.

Insgesamt befinden sich in der Leitwarte Technik nun 18 24-Zoll-Monitore an den Arbeitsplätzen sowie zehn 46-Zoll-Monitore mit besonders schmalen Rahmen an der Großbildwand, die nicht – wie in anderen Leitwarten üblich – der Spiegelung der Bildschirme am Leitwartenpult dient: Stattdessen werden dort die wichtigsten Übersichtsbilder großformatig angezeigt und bringen alle im Raum anwesenden Personen auf den gleichen Wissensstand. Früher waren diese Bildschirme auch an jedem Arbeitsplatz zu finden. »In der alten Leitwarte mit mehreren Bediengeräten pro Arbeitsplatz kam es außerdem ständig vor, dass man mit der falschen Tastatur und Maus einen Bildschirm bedienen wollte«, erklärt Rubsch. Das »MouseHopping« bietet hier eine deutliche Erleichterung: »Der Mitarbeiter kann seine Maus zum Beispiel über alle Bildschirme an seinem Arbeitsplatz sowie hoch auf die Monitorwand ziehen oder einen bestimmten Bildausschnitt auf die Konsole seines Kollegen verschieben«, erläutert Weimer. »So können etwa Aufgaben umverteilt und damit die Reaktionszeiten weiter minimiert werden.«

 

Schnelle optische Alarmierung durch Ambient Alarmlight

Dazu trägt auch bei, dass das Gebäudeleittechniksystem für die Flughafen-Infrastruktur und dessen Alarmerkennung über eine eingebaute CommandBox in das JST-System eingebunden ist. Eine spezielle Software sorgt dafür, dass wichtige Alarme erkannt werden und das gesamte Team akustisch und optisch deutliche Signale erhält: »PixelDetection ist ein Programm, das je nach Konfiguration kontinuierlich Bildschirme auf bestimmte Farben oder Texte überprüft und bei deren Identifikation eine Warnung ausgibt«, so Weimer. Eine spezielle Beleuchtung für Command Desk und Großbildwand, das Ambient Alarmlight, blinkt in diesem Fall zusätzlich auffällig in Rot. So wird die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter schnell auf einen kritischen Alarm gelenkt. Bei großem Störaufkommen kann wahlweise nur das optische Signal genutzt werden, so dass die Mitarbeiter nicht ständig durch Lärm belästigt werden und dennoch sofort gewarnt sind.

Alle Komponenten der JST-Lösung sind für den 24/7-Betrieb optimiert. Durch die einfache Bedienung beherrschten die Mitarbeiter der Leitwarte die neue Technik zudem innerhalb kürzester Zeit. »Wir hatten eine Eingewöhnphase von nur einer Woche«, so Rubsch. In dieser Zeit konnte jeder Mitarbeiter neben seiner Arbeit in der alten Warte auch die neue Einrichtung samt Hard- und Software testen. Anschließend wurde die Technik von JST in Betrieb genommen und das alte System nach zwei Tagen abgeschaltet. Seit Februar 2016 ist die modernisierte Leitwarte nun zuverlässig im Einsatz. »JST hat unsere Anforderungen durch eine ständige kaufmännische und technische Begleitung von der Auftragsvergabe bis zur Fertigstellung mehr als erfüllt. Technisch wurden unsere Vorstellungen besonders durch den Einsatz von Curve-Operator-Pulten, MultiConsoling und die proaktive Großbildwand optimal umgesetzt«, resümiert Rubsch.

 

 

Die 1949 gegründete Flughafen München GmbH (FMG) betreibt mit ihren Tochtergesellschaften den Münchner Airport. Gesellschafter der FMG sind der Freistaat Bayern mit 51 Prozent, die Bundesrepublik Deutschland mit 26 Prozent und die Landeshauptstadt München mit 23 Prozent. Das bayerische Luftverkehrsdrehkreuz ist Deutschlands zweitgrößter Flughafen und der einzige Fünf-Sterne-Flughafen Europas. Als »Full-Service-Operator« bietet er Leistungen in allen Bereichen des Airport-Managements an. Seit der Eröffnung 1992 ist der Flughafen München einer der passagierstärksten in Europa, Nummer 2 in Deutschland und heute ein wichtiges Luftverkehrsdrehkreuz von internationalem Rang.
Die JST-Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG wurde vor 15 Jahren von Carsten Jungmann und Kay Hansen in Buxtehude mit der Zielsetzung gegründet, Kontrollräume grundlegend zu modernisieren. JST prägte in der Folge den Begriff des Kontrollraums in Deutschland maßgeblich mit und führte vier unterschiedliche Bezeichnungen ein: IT-Leitstand (Überwachungsraum im Bereich der Rechenzentren), Prozessleitwarte für Industrie und Energieversorgung (Kontrollraum für die Prozessindustrie, zum Beispiel in Kraftwerken), Facility- und Sicherheitszentrale (Kontrollräume für Gebäudeüberwachung oder Sicherheit, etwa bei Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdiensten) sowie Verkehrsmanagementzentrale (für Straße, Schiene, Luft). Das Unternehmen übernimmt regelmäßig die Ausstattung von Leitwarten für Privatunternehmen und staatliche Auftraggeber. JST baut Leitstände in der Regel ganzheitlich, von der Planung bis zur Realisierung. Das Unternehmen greift dabei auf ein eigenes Möbelsystem sowie auf eine spezielle, besonders bedienerfreundliche Hard- und Software zurück, die beispielsweise die frühzeitige (proaktive) Darstellung von Alarmen auf der Großbildwand ermöglicht.

 


 

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