Prozesse der Fertigungsindustrie nur noch ausreichend?

Seit der Ersterhebung im Jahr 2011 weist der Business Performance Index (BPI) in der Fertigung nach einem Jahr der Steigerung nun das dritte Jahr in Folge einen Performance-Rückgang auf [1]. In diesem Jahr verzeichnet die Fertigung einen BPI von 61,7 von 100 Punkten und damit eine Verschlechterung des BPI um 4,4 Punkte. Damit kann der Industrie gerade mal eine 3- bestätigt werden, mit deutlicher Tendenz in Richtung ausreichend. Parallel zum Performance-Rückgang der gesamten Fertigung, bestätigt sich sowohl in der diskreten Fertigung als auch in der Prozessfertigung die fallende Trendbewegung.

Fertigung muss Einbußen hinnehmen

Auch bei den weiteren von techconsult ermittelten Performance-Indikatoren musste die Fertigung Einbußen hinnehmen. Der IT-Unterstützungsgrad sinkt um 4,7 Punkte auf 59,1 Punkte und der Reifegrad innovativer IT-Lösungen um 5,2 Punkte auf 58,4 Punkte. Der Indikator für das Prozessergebnis sinkt um 3,9 Punkte und erreicht nun 63,0 Punkte. Bedenkt man, dass erst ab 60 Indexpunkten eine befriedigende Performance den Unternehmen unterstellt werden kann, so tragen Probleme in der IT-Unterstützung und die Zurückhaltung im Einsatz innovativer IT-Lösungen durchaus zum rückläufigen Prozessergebnis bei.

Subbranchenvergleich

Beim Subbranchenvergleich ergeben sich in sämtlichen Subbranchen Rückgänge. Die Nahrungsmittelbranche muss heftige Verluste von 12,7 Punkten hinnehmen, nachdem sie noch im Vorjahr einen Performanceanstieg verzeichnen konnte. Bei den diskreten Fertigern verloren die Elektrotechnik- und High-Tech-Industrie und die Metallerzeugung und -verarbeitung mit jeweils -6,5 Punkten am stärksten an Business-Performance.

Die gute Konjunktur ist schuld

Dass der gesamtheitliche Performance-Rückgang nicht nur alle Subbranchen, sondern auch nahezu alle Größenklassen betrifft, lässt darauf schließen, dass hier die momentan gute Konjunktur die Schuld trägt, indem sie einen negativen Effekt auslöst: im laufenden und vollständig ausgelasteten Betrieb werden kaum Prozessverbesserungen realisiert, Schwachstellen und Engpässe aber umso deutlicher wahrgenommen. Hierfür sprechen auch die Ergebnisse nach Unternehmensbereichen: die im Mittelpunkt der Fertiger stehende Produktion verbessert sich durch mutmaßliche Ad-hoc-Prozessverbesserungen marginal, während alle weiteren Bereiche wie Controlling, Einkauf oder Verkauf einfach weitergeführt werden, um den operativen Ablauf zu gewährleisten. Diese stoßen dabei aber an ihre Grenzen und schneiden in der Prozessbeurteilung deutlich schlechter ab.

grafik techconsult bpi index fertigungsunternehmen

Die Performance-Indikatoren der Fertigungsunternehmen für das Jahr 2015 im Überblick

Industrie 4.0 noch kein Performancetreiber des industriellen Mittelstands

Erstmals hat techconsult den Industrie 4.0 Reifegrad in Unternehmen analysiert. Erwartungsgemäß zeigten sich mittelständische Fertigungsunternehmen noch nicht als 4.0 Profis. So ergab der »Industrie 4.0 Reifegrad« einen Wert von 54,8 Punkten. Damit liegt er immerhin über einer mangelhaften Umsetzung (> 50 Indexpunkte), spielt aber aktuell in der Prozess- und Businessgestaltung eine nachrangige Rolle.

Im Vergleich zum Vorjahr nimmt jedoch der Begriff »Industrie 4.0« aus Sicht der Industrie langsam Konturen an. Durch die fortlaufende Kommunikation verschiedener Anwendungsszenarien und Möglichkeiten in diversen Fachmedien und auf Messen nehmen Unternehmen die Tragweite von Industrie 4.0 verstärkt wahr und passen ihren eigenen Status an. Glaubte im letzten Jahr noch der Großteil der befragten Unternehmen, er würde bereits Industrie 4.0 einsetzen, so verschiebt sich mit dem konkreteren Verständnis des Begriffs die Wahrnehmung der Unternehmen hin zu einer realistischen Einschätzung. Damit sehen aktuell nur noch rund 18 % der Unternehmen Industrie 4.0 bereits mindestens teilweise umgesetzt – ein Wert der sich in den nächsten drei bis fünf Jahren aber verdoppeln soll. Größtes Potenzial für die eigene Branche sehen die Fahrzeugbauer und die Chemiker.

Wettbewerb ist weiterhin Hauptherausforderung

Auch in diesem Jahr macht den Fertigungsunternehmen der Wettbewerb wieder stark zu schaffen. Weitere Herausforderungen, mit denen sich Fertigungsunternehmen im kommenden Jahr konfrontiert sehen, sind der Preisdruck, die Globalisierung und Kostensenkungen.

Die IT Sicherheit wird weiterhin nur von wenigen Unternehmen als herausfordernd angesehen. Es stellt sich die Frage, ob Fertiger, die von der jüngst aufgedeckten Industriespionage am stärksten betroffen sein müssten, aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus resignieren oder sich selbst überschätzen und sich nicht zum Kreis der Ausspionierten zählen – beide Varianten sind besorgniserregend.

[1] Analystenhaus techconsult legt den fünften Expertenbericht Business Performance Index (BPI) Mittelstand Fertigung vor.
An der repräsentativen Studie BPI Mittelstand Fertigung 2014 beteiligten sich über 350 mittelständische Unternehmen in Deutschland. Befragt wurden in erster Linie Geschäftsführer und Fachbereichsleiter. Der BPI wird unterstützt von marcom source, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, cormeta, Microsoft und Swisscom IT Services, dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft sowie weiteren Partnern aus der ITK-Branche. Die Management Summary zur Studie, eine detaillierte Handlungsfeldanalyse sowie die branchenspezifischen Expertenberichte mit ausführlichen Studienergebnissen finden Sie unter https://www.business-performance-index.de
Über den Business Performance Index (BPI) Mittelstand D/A/CH
Das Marktforschungs- und Beratungshaus techconsult führt eine repräsentative Langzeitstudie zur Performance von Geschäftsprozessen im deutschen, österreichischen und schweizerischen Mittelstand durch. Die Leistungsfähigkeit der Geschäftsprozesse wird ergänzt durch weitere wichtige Unternehmens-Performance-Indikatoren: Prozessergebnis, IT-Unterstützungsgrad und Reifegrad innovativer IT-Lösungen. Mittelständische Unternehmen können den BPI über das Internetportal https://www.business-performance-index.de als kostenfreies, unabhängiges Benchmark-Tool nutzen.