Scheinselbstständigkeit: Änderungen bei der Arbeitnehmerüberlassung

Die bereits im Oktober 2016 im Parlament beschlossenen Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) traten am 1. April 2017 in Kraft. Das Hauptziel dieser Gesetzesänderungen war es, Scheinselbstständigkeit und Scheindienstverträge in den Griff zu bekommen.

Die wesentliche Änderung ist der Wegfall der Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat. Durch diese Änderungen entstehen große Risiken für die Auftraggeber – bei Verstößen ist mit hohen Bußgeldern zu rechnen. Da dadurch Rechtsunsicherheiten bezüglich Scheinselbstständigkeit bei Werkverträgen mit Freiberuflern entstehen, sollten Sie auf die folgenden vier Aspekte besonders achten:

 

  1. Nimmt der Auftraggeber Einfluss auf den Ort, die Zeit sowie Art und Weise der Werkerstellung liegt Scheinselbstständigkeit vor. Allerdings führt nicht jedes Weisungsrecht des Auftraggebers zur Scheinselbstständigkeit. Auch bei Werkverträgen besteht ein Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf die Ausführung des Werkes, jedoch nicht auf den Arbeitsvorgang selbst.

 

  1. Sind Dienstleister ausschließlich für einen einzigen Auftraggeber tätig, liegt grundsätzlich eine Scheinselbstständigkeit vor. Hierbei ist es irrelevant, ob der Dienstleister seinem Auftraggeber weisungsrechtlich unterstellt ist oder nicht. Auch eine vollständige Remote-Tätigkeit und freie Arbeitszeiteinteilung schützt nicht vor der Klassifizierung als Scheinselbstständigkeit.

 

  1. Je stärker die ausgeführte Tätigkeit zum Kerngeschäft des Auftraggebers gehört, umso wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit.

 

  1. Die Erbringung der Arbeitsleistung mit eigenen Betriebsmitteln sowie eine persönliche Haftung gegenüber dem Auftraggeber sind allerdings Indizien für eine selbstständige Tätigkeit.

 

Des Weiteren gilt jetzt eine arbeitnehmerbezogene Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten und nach spätestens neun Monaten sind Leiharbeitnehmern die gleichen Arbeitsbedingungen wie vergleichbaren Stammarbeitskräften zu gewähren (Equal-Pay-Regelung).

 

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen, insbesondere, wenn die Alternative »Zeitarbeit« wegen des Equal-Pay keine gute Alternative darstellt. Wegen der Equal-Pay-Regelung ist der Arbeitgeber gegenüber den Zeit-Arbeitnehmern und den Normal-Arbeitnehmern zur Auskunft verpflichtet. Ausnahmen stellen hierbei nur branchenspezifische Tarifverträge dar, bei denen das Gehalt abweichen kann und der Auftraggeber von der Auskunftspflicht entbunden ist. Ein dauerhafter Zeitarbeiter kann darüber hinaus auch nicht mehr verdienen als andere Arbeitnehmer des Auftraggebers, weil in diesem Fall der Auftraggeber nach einer Beschäftigungsdauer von neun Monaten dazu verpflichtet wäre, das Gehalt seiner Arbeitnehmer auf das Niveau des Externen anzuheben.

 

Textquelle: https://www.freelance-market.de/nl/217/anderungen-bei-der-arbeitnehmeruberlassung-zum-1-april-2017

 


 

Freelancer richtig und rechtskonform einsetzen

Aufgrund steigender Personalkosten gewinnt der Einsatz von Freelancern für viele Unternehmen an Bedeutung. Dabei ist erhöhte Vorsicht gefragt. Wie Firmen freie Kräfte langfristig engagieren und böse Überraschungen vermeiden.

Immer mehr Unternehmen stöhnen über den Kostenfaktor Personal. Nicht wenige forcieren den Einsatz selbstständiger Kräfte, um den Mindestlohn und Sozialabgaben zu umgehen. Die Rentenversicherer haben auf diese Entwicklung reagiert und prüfen den Status selbstständiger Dienstleister besonders kritisch. Der Einsatz von Freelancern will gut geplant sein, betont die Wirtschaftskanzlei WWS aus Mönchengladbach. Sonst steht schnell der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit im Raum.

Organisation und Ablauf der Zusammenarbeit

Bewerten Prüfer Freelancer als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, hat dies fatale Folgen für die Arbeitgeber. Die ursprünglichen Kosten können leicht um mehr als die Hälfte ansteigen, ganz zu schweigen von Bußgeldern und strafrechtlichen Konsequenzen. Viele Unternehmen wiegen sich in trügerischer Sicherheit. Schnell erfüllen Freelancer die Merkmale eines versicherungspflichtig Beschäftigten. »Es ist zweitrangig, wie ein Dienst- oder Werkvertrag ausgestaltet ist«, sagt Rebekka De Conno, Rechtsanwältin der WWS. »Maßgeblich sind die tatsächliche Organisation und der Ablauf der Zusammenarbeit.«

Die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung vermuten eine Scheinselbstständigkeit immer dann, wenn Freelancer dauerhaft in den Betriebsablauf eingegliedert sind. Verdächtig ist auch, wenn sie über Ort, Zeit und Art ihrer Tätigkeit nicht frei entscheiden können. Dafür spricht etwa, wenn eine regelmäßige Anwesenheitspflicht besteht und detaillierte Arbeitszeitnachweise erstellt werden. Kritisch ist auch, wenn freie Mitarbeiter die gleichen Arbeiten erbringen wie feste Angestellte oder bei einem Auftraggeber mehr als 80 Prozent des Jahresumsatzes erwirtschaften.

Vorsicht Kostenfalle

Der Einsatz von Scheinselbstständigen kann für Unternehmen eine immense Kostenfalle werden. Firmen müssen bis zu vier Jahre rückwirkend alle Sozialversicherungsbeiträge sowie die Lohnsteuer abführen. Besonders prekär: Der Betrag wird meist sofort und auf einen Schlag fällig. Für alle Nachzahlungen werden zudem saftige Säumniszuschläge von einem Prozent pro Monat erhoben. Wurden die Abgaben erwiesenermaßen vorsätzlich nicht abgeführt, kann das Finanzamt Firmen für die letzten zehn Jahre in Regress nehmen, die Rentenversicherung sogar für die letzten 30 Jahre. In besonders schweren Fällen droht ein Strafverfahren, das eine Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren nach sich ziehen kann. Bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz drohen zudem Bußgelder von bis zu 500.000 Euro.

Schriftlicher Rahmenvertrag

Auch zwischen Unternehmen und Freelancer kann es Ärger geben. Scheinselbstständige können vor dem Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber einklagen. Aus dem vermeintlichen Freelancer wird womöglich ein Angestellter mit Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz. Unternehmen sind gut beraten, sich im Vorfeld einer Zusammenarbeit mit Selbstständigen rechtlich zu schützen. »Firmen sollten mit Freelancern immer einen schriftlichen Rahmenvertrag abschließen«, rät WWS-Anwältin De Conno. »Zudem ist es wichtig, vor der ersten Beauftragung den sozialversicherungsrechtlichen Status abzuklären. So ist für Rechtssicherheit gesorgt.«

Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung

Wie können Unternehmen den Status von Freelancern prüfen? Einen entsprechenden Antrag können Firmen kostenlos bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) stellen. Das erforderliche Formular steht online unter www.clearingstelle.de bereit. Die DRV teilt daraufhin mit, welche Informationen und Unterlagen sie für die Prüfung benötigt. Die Entscheidung wird den Beteiligten abschließend schriftlich mitgeteilt. Bei Bestätigung des Freelancer-Status gilt: »Firmen sollten die ausgefüllten Antragsformulare und den Bescheid zusammen mit den Vertragsunterlagen aufbewahren«, sagt WWS-Anwältin De Conno. »So lässt sich im konkreten Einzelfall immer nachvollziehen, welche Bedingungen für die Statuseinordnung maßgeblich waren.«

Eine von der DRV bestätigte Selbstständigkeit ist kein dauerhafter Freibrief. »Steigt das Auftragsvolumen, kann schleichend ein Beschäftigungsverhältnis entstehen«, warnt WWS-Expertin De Conno. »Firmen sollten daher die Zusammenarbeit mit Freelancern immer hinterfragen, wenn sich Art und Umfang der Tätigkeit ändern.« Wer auf Nummer sichergehen will, sollte besser fachlichen Rat einholen. So ist gewährleistet, dass der Einsatz von Freelancern keine Stolperfallen birgt.

Quelle: WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de

 


 

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