Von der digitalen Vision zur Umsetzung: Herausforderungen und Chancen

Das Thema Digitalisierung steht in den meisten Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Die fehlenden Skills von Fach- und Führungskräften sind der größte Hinderungsgrund, um durch digitale Innovationen das Unternehmen vorwärts zu bringen. Gregor Stöckler, CEO von Datavard, erklärt im Interview, welche Kompetenzen und Fähigkeiten wichtig sind und zeigt Erfolgsbeispiele aus der Praxis.

 

Herr Stöckler, das Thema Digitalisierung ist für Sie in erster Linie ein Management-Thema, warum?

Gregor Stöckler: Die Digitalisierung wird meiner Meinung nach zu sehr an den Polen gespielt. Die IT steht meist im Fokus, aber es gibt wichtige Themen, die nichts mit Technik zu tun haben. Beispielsweise Veränderungsbereitschaft, Skills, die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren und auch zu scheitern, und die Bereitschaft, bisherige Geschäftsmodelle zu verändern und zu skalieren. Das sind Kernfragen der Führung und haben viel mit cleverem innovativem Denken zu tun. Unternehmen wie Netflix oder Amazon hatten es vergleichswiese einfach, denn sie starteten von Grund auf neu, mit neu entwickelten Prozessen und entsprechend qualifizierten und veränderungsbereiten Mitarbeitern. Etablierte Unternehmen haben diese Freiheit nicht, sie müssen mit den Voraussetzungen arbeiten, die sie haben. Für diese Unternehmen ist es notwendig, zu verstehen, wo macht wieviel Digitalisierung bei uns Sinn und wo kann Digitalisierung ein echter Game Changer sein. Das muss vom CEO kommen, das ist keine Initiative, die man an einen Business Developer oder an die IT delegieren kann. Die Veränderungen sind zu weitreichend und das Risiko ist groß.

 

Wo sehen Sie die größten Barrieren beim Thema Digitalisierung?

Aus meiner Erfahrung scheitert die Digitalisierung an drei Faktoren:
Zum einen an den verantwortlichen Personen, denen zu wenig Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen. Dazu fehlen oftmals das Empowerment und die nötigen Skills, um voranzukommen. Dabei meine ich nicht nur technologisches Know-how, sondern auch Methodenkompetenz und Change Management.
Zum anderen wird die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen oft überschätzt. Nicht alle sehen sich als Gewinner der Digitalisierung, damit muss man proaktiv umgehen. Der Faktor Mensch muss vor allem bei der Digitalisierung ernst genommen werden. Viele Ideen scheitern an der wahrgenommenen Eintrittshürde, bevor sie wirklich ausprobiert wurden. Fakt ist, der Effekt von digitalen Technologien, wie beispielsweise Big Data lässt sich nicht prognostizieren, sondern muss ausgetestet werden.
Eine weitere Hürde ist die Tatsache, dass die Zielsetzung zu vage formuliert und der wirtschaftliche Mehrwert der Anwendungsfälle unklar ist. Hier sehe ich vor allem Versäumnisse in der Chefetage, sich konstruktiv und fundiert mit dem Thema auseinanderzusetzen und klare Ansagen zu machen.

 

Welche Voraussetzungen brauchen Unternehmen, um von der Digitalisierung profitieren zu können?

Unternehmen, die digital erfolgreich sein wollen brauchen zwei Grundlagen. Zum einen sollte vor allem das Management Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen, um das Thema Digitalisierung vorantreiben zu können. Aus unserer Erfahrung sind die Führungskräfte der meisten Unternehmen in puncto Digital Skills nicht auf einem einheitlichen Stand. Das ist aber die Grundvoraussetzung, um mögliche Chancen überhaupt zu erkennen und später effektiv anzugehen. Die zweite Voraussetzung ist die technologische Basis. Unternehmen müssen evaluieren, welche Teile ihrer IT-Landschaft die Digitalisierung unterstützt. Datenintegration, offene Standards, einfache Erweiterbarkeit, sichere und kosteneffiziente Datenspeicher sind heute ein Muss.

 

Welche digitalen Skills sind das Ihrer Meinung nach?

Wir sehen fünf Kompetenzfelder, die entscheidend für erfolgreiche digitale Innovationsprojekte sind. Das erste ist ein grundsätzliches Verständnis der Technologien, erst mit diesem Verständnis kann der kreative Denkprozess beginnen. Das zweite Kompetenzfeld ist die Kenntnis der richtigen Methoden, um diese Technologien in ihrer Schnelllebigkeit nutzbar zu machen, beispielsweise Design Thinking, Value Proposition Canvas oder Agile, um nur einige zu nennen. Das dritte Kompetenzfeld ist, die Veränderungen managen zu können (Change Management). Dazu gehört auch, die Sorgen und Widerstände der Mitarbeiter ernst zu nehmen und Gespräche zu führen. Eine weitere entscheidende Fähigkeit ist, die eigenen Potenziale zu erkennen. Was bedeutet das für mein Unternehmen, welche Möglichkeiten habe ich? Das ist ein sehr schwieriger Punkt, an dem die Initiativen oft scheitern. Als fünftes Kompetenzfeld sehen wir, die ethischen und rechtlichen Aspekte zu betrachten und einen digitalen Wertekompass zu entwickeln. Wie weit gehen wir, nutzen wir alle Spielräume oder setzen wir Grenzen, beispielsweise wenn es um das Sammeln von Daten geht? Kultur und Werteorientierung ist eine wichtige Führungsaufgabe bei Innovationsprojekten.

 

Wie können Unternehmen die genannten Hürden überwinden?

Zunächst sollten sie herausfinden, wo sie stehen. Wir erleben in unseren Trainings oft, dass die Beteiligten erstaunt sind, dass viele zeitlose Komponenten in Innovationsprojekten genutzt werden. Zum Beispiel im Bereich Change Management. Hier ist viel Wissen vorhanden, das sich auch in zukünftigen Projekten einsetzen lässt. Neue Ideen entstehen bei uns nicht auf dem grünen Tisch, sondern mit dem Gepäck und den Erfahrungen, das jedes Unternehmen nun einmal hat. Gepäck klingt jetzt negativ, aber es sind positive Dinge, wie Kunden- und Marktzugang, Lieferstrukturen, Logistikketten. Das haben digitale Player wie Amazon teuer erkaufen müssen. Ganz wichtig ist uns, den Unternehmen Mut zu machen, sich auf die »Innovationsreise« zu begeben und Use Cases für das eigene Unternehmen zu finden.

 

Können Sie uns ein Beispiel aus der Praxis geben?

Wir führen gerade bei einem großen deutschen Nahrungsmittelkonzern ein Digital Skillset Training durch. Als Transformationsbegleiter entwickeln wir gemeinsam mit dem Kunden stufenweise eine Roadmap für die Digitalisierung. Mithilfe von Innovard, unseren Co-Innovation Labs, bringen wir die erste und zweite Führungsebene auf einen einheitlichen Kenntnisstand, um in einem zweiten Schritt konkrete Anwendungsfälle zu identifizieren. Hierbei überprüfen wir auch die Datenlage und die Machbarkeit von Digitalisierungsprojekten. Anschließend unterstützen wir den Kunden bedarfsorientiert bei der Pilotierung von Anwendungsfällen. Uns geht es darum, unsere Kunden im gesamten Innovations-Prozess zu begleiten, ihr Digitalisierungspotenzial zu ermitteln und anschließend auch konkrete Projekte gemeinsam auszuprobieren. Ziel ist es, den Kunden zu befähigen, künftige Digitalisierungsprojekte selbst anzugehen und voranzutreiben.

 

 


 

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