Von Telepresence bis WebRTC – Videokommunikation auf dem Vormarsch

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Flexible Arbeitsumgebungen werden immer mehr an Bedeutung gewinnen. Über eine moderne Videoinfrastruktur lassen sich Zeitzonenprobleme reduzieren, Entscheidungen beschleunigen oder die Zusammenarbeit fördern.

Der Anspruch an den Arbeitsplatz der Zukunft verändert sich zunehmend in Richtung einer flexiblen und vor allem mobilen Arbeitsumgebung. Gerade die um die Jahrtausendwende geborene Generation wächst heute mit ständig verfügbaren Medien auf, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind: immer und überall erreichbar und präsent sein, chatten, Bilder aus jeder Lebenssituation bloggen oder einfach über die freien Videoplattformen miteinander kommunizieren. Nicht nur diese zukünftigen Arbeitnehmer, sondern auch schon die heutigen Mitarbeiter haben den Wunsch, oftmals sogar die Forderung, die Werkzeuge in ihrer persönlichen Arbeitswelt vorzufinden, die sie im privaten Umfeld bereits leben. Andernfalls besteht die Gefahr für Unternehmen, dass freie und vor allem potenziell unsichere Tools unabgestimmt in den Arbeitsalltag integriert werden. Oder aber, dass die Wahl auf einen anderen Arbeitgeber mit entsprechender Infrastruktur fällt.

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Huddle Room – Ein kleiner Konferenzraum in gemütlicher Atmosphäre zum kreativen Austausch von Mitarbeitern. Quelle: Lifesize

Huddle Rooms. In Deutschland wird in der Regel das Büro heute noch als Zentrum des arbeitstäglichen Wirkens gesehen, wohingegen der Arbeitsplatz in einigen anderen Ländern bereits einen Lounge-Charakter hat. Bequem ausgestattete Entspannungsecken mit Sesseln und Sofas, Huddle Rooms oder Enklaven sollen den Entspannungsfaktor und gleichzeitig die Zusammenarbeit fördern, selbst über Standorte und Landesgrenzen hinweg. Solche persönlichen Habitate sind hierfür natürlich technisch bestens mit moderner Kommunikationsinfrastruktur ausgestattet – Videokommunikation in High Definition (HD) stellt dabei immer häufiger die Basis für den Informationsaustausch dar. Die Videokommunikation bietet den großen Vorteil, dass die Körpersprache des Gegenübers direkt wahrgenommen wird, was den Kontakt persönlicher und effizienter als jedes Telefonat gestaltet. Darüber hinaus kann auf eine Vielzahl von Geschäftsreisen verzichtet werden – nicht unbedingt bei einem Erstkontakt – aber sicherlich bei regelmäßigen Abstimmungen oder beim Knowledge-Transfer in Teams, mit Partnern oder Kunden.

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Immersives Telepresence-Raumsystem. Quelle: Cisco

Immersive Raumsysteme. Auch in Deutschland ist die Videokommunikation weiterhin auf dem Vormarsch. Viele Unternehmen haben die Vorteile bereits erkannt und setzen vor allem auf Videokonferenz-Raumsysteme in ihren Meeting-Räumen, um beispielsweise den Informationsaustausch mit anderen Standorten zu verbessern und Kosten für Geschäftsreisen einzusparen. Diese sogenannten Telepresence-Systeme erlauben es, die Konferenzteilnehmer audiovisuell so zusammenzuschalten, als ob sie im gleichen Raum sitzen würden. Die Königsklasse stellen dabei die immersiven Raumsysteme dar, die mittels zugehörigem Mobiliar eine Einheit bilden. Komplettiert wird solch ein typischerweise Drei-Bildschirm-Konzept durch Herstellerempfehlungen für Beleuchtung, Farbwahl und Klimatisierung. Diese wirklich beeindruckende Videotechnik hat natürlich ihren Preis und lässt wenig Spielraum für eine anderweitige Nutzung des Konferenzraums zu. Aus diesem Grund sind Mehrzweck-Videokonferenz-Raumsysteme immer mehr auf dem Vormarsch und bieten durch die gesunkenen Preise für Displays mit weit über 42 Zoll mittlerweile ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein Mehrzweck-Videokonferenz-Raumsystem besteht dabei idealerweise aus zwei nebeneinander angeordneten Displays und einer hochauflösenden Kamera mit Zoom-Funktion, um das übertragene Bild den jeweiligen Raumgegebenheiten anzupassen.

Auf dem ersten Display wird in der Regel das Videobild des oder der anderen Konferenzteilnehmer dargestellt, das zweite Bild zeigt gemeinsam zu bearbeitende Dokumente, Präsentationen, Skizzen etc. Mit weiteren Kamerabildern von einer Dokumentenkamera lassen sich unter anderem auch Werkstücke oder Produktproben hervorragend präsentieren und gemeinsam besprechen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind dabei vielfältig.

Mittels Fernbedienung oder Touchpanel ist es möglich, verschiedene Kamerapositionen einzustellen, abzuspeichern und auf einzelne Personen zu konzentrieren. Zum Beispiel kann der Fokus auf einen Moderator am Whiteboard gelegt werden. Aber es geht auch weit raffinierter: Durch den Einsatz einer intelligenten Doppelkamera sorgt das System durch Audiotriangulation und Gesichtserkennung dafür, dass immer der jeweilige Sprecher in Großaufnahme dargestellt wird. Gleichzeitig wird bereits der nächste Sprecher anvisiert – selbst, wenn die Gesprächsteilnehmer sich durch den Raum bewegen. Eine beeindruckende Lösung, besonders in großen Meeting-Räumen.

Infrastruktur und Bandbreite. Der nächste und nicht zu vernachlässigende Aspekt bei der Betrachtung von Telepresence-Systemen ist sicherlich die benötigte Infrastruktur. Auch wenn die heute zur Verfügung stehenden Bandbreiten im eigenen Hausnetzwerk, in angemieteten Weitverkehrsnetzen oder direkt ins Internet um das Vielfache angestiegen sind, bringen Videokonferenzen ganz neue Anforderungen auf den Tisch. Die derzeit zur Verfügung stehenden Video Codecs ermöglichen High-Definition-Auflösungen mit relativ moderaten Übertragungsraten, wobei das Netz trotzdem dafür ausgelegt sein muss. Viele Unternehmen haben sich durch die in den letzten Jahren immer mehr verbreitete IP-Telefonie über das Standardprotokoll SIP schon mit dem Thema Bandbreite und Quality-of-Service (QoS) beschäftigt. Da die Videokommunikation auf demselben Netzwerk läuft, ist es notwendig, entsprechende Maßnahmen zu treffen, damit die Qualität der Sprach- und Videoströme auf höchstmöglichem Niveau gehalten werden kann, ohne von anderen bandbreitenhungrigen Diensten gestört zu werden. Ohne eine Ende-zu-Ende-Betrachtung der Dienstgüte kann das Gesamtnetzwerk und somit die Videoqualität negativ beeinflusst werden und relativ schnell an Akzeptanz verlieren.

Infrastruktur bedeutet darüber hinaus auch die bedarfsgerechte (An)Schaffung von Server-Ressourcen zur Zusammenschaltung von Videoteilnehmern, der sogenannten Multipoint Control Unit, kurz MCU. Sollen die Mitarbeiter auch für Teilnehmer außerhalb des eigenen Unternehmens erreichbar sein, muss ein sicherer Zugang zum Internet über Firewall Traversal oder Session Border Controller (SBC) geschaffen werden. Diese können den dynamischeren Sprach- und Videoverkehr besser behandeln als normale Firewalls.

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Telepresence System für große Meetingräume mit 2 Kameras für Speaker-Track. Quelle: Cisco

Am Markt werden drei grundsätzliche Realisierungsmöglichkeiten für Telepresence-Systeme angeboten: Die erste Variante besteht aus der Erweiterung der bereits existierenden lokalen (on-premise) Telefonie-Infrastruktur. Das Groh der Hersteller von Telefonanlagen bietet leistungsfähige Erweiterungen ihrer Lösungen mit entsprechender Video-Systemarchitektur – Hardware-basierend oder auch virtualisiert. Zu beachten ist, dass hier das vorhandene System bereits SIP-fähig sein muss, ISDN-basierte Systeme sind aus heutiger Sicht nicht mehr zukunftssicher.

Bei der zweiten Variante kommt eine Drittanbieter-Lösung zum Einsatz, die entweder per SIP-Protokoll an die vorhandene Telefonanlage angeschaltet oder einfach autark nebenher betrieben wird. Ein Mischbetrieb verschiedener Hersteller sollte nach Möglichkeit jedoch vermieden werden, da dies meist auf Kosten der Bedienerfreundlichkeit geht, wie etwa bei konsistenter Bedienerführung oder bei einem gemeinsamen Telefonbuch.

Wer sich vor Erstinvestitionen, Wartung und Updates scheut, dem bieten als dritte Variante Cloud-Anbieter attraktive Angebote. Cloud-Anbieter stellen die benötigten Videokonferenz-Infrastrukturen in redundant aufgebauten und global vermaschten Rechenzentren bereit, die auf höchst leistungsfähigen Netzwerken basieren. Diese garantieren maximale Verfügbarkeit und exzellente Verbindungsqualität, was bei eigener Installation einen hohen Invest erfordern würde. Eigenverantwortliche Updates und Upgrades gehören damit der Vergangenheit an, der Fokus kann wieder ganz auf das eigentliche Kerngeschäft gelegt werden. Der Vorteil des damit einhergehenden Nutzer-basierten Bezahlmodells liegt klar auf der Hand: Man bleibt flexibel und kann den skalierbaren und hochverfügbaren Dienst je nach Bedarf hinzubuchen oder kündigen – wie es das eigene Geschäft gerade verlangt.

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Die Vielzahl von angebotenen Video-Clients unterstützt die Flexibilität bei der Wahl des Endgeräts. Quelle: Lifesize

Neben dem Nutzen von Telepresence im eigenen Unternehmen ist in den meisten Branchen auch eine flexible Kommunikation mit Partnern und Kunden entscheidend. Aber auch die eigenen Mitarbeiter haben immer mehr den Anspruch, Videokommunikation mobil zu nutzen und somit unabhängig von einem bestimmten Standort aus zu arbeiten. Die Vielfalt der hierfür angebotenen Endpunkte ist reichhaltig: Die Gegenstelle kann ebenfalls aus einem oder mehreren Videokonferenz-Raumsystemen bestehen, aber es genügt durchaus die Installation eines vom Hersteller mitgelieferten Video Clients, eines Mobile Clients für das Smartphone oder einfach eines Internet-Browsers. Die Videokommunikation über den Internet-Browser wird über den offenen Standard WebRTC (Web Real-Time Communication), sprich Web-Echtzeitkommunikation, ermöglicht. In Googles Chrome, Mozillas Firefox oder dem Opera Browser ist WebRTC bereits implementiert und unterstützt diese Zwei-Wege-Videokommunikation, aber auch Dateitransfer, Chat und Desktop Sharing. Zusätzlich sollte noch die Lync- beziehungsweise Skype for Business-Kompatibilität der führenden Herstellersysteme erwähnt werden, mit denen ebenfalls eine direkte Verbindung des Microsoft Clients in die jeweilige Video-Infrastruktur möglich ist. Generell steigt die Verbreitung von Video@Desktop durch die einfache Integration, Bedienung und verfügbare Bandbreite.

Fazit. Videokommunikation ist mehr als eine kurzfristige Modeerscheinung und wird schon bald so normal sein, wie der Griff zum Telefonhörer. Schon heute unterstützen die meisten Hersteller den SIP-Standard und ermöglichen standardisierte und herstellerunabhängige Kommunikation über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg. Das Thema Videokommunikation hört allerdings nicht bei Telepresence auf und birgt erhebliche Potenziale für jedes Unternehmen. Stellen Sie sich einfach nur ein paar Anwendungsbereiche vor: Beratung, Entstörung, Sprachbarrieren, Design Support, Desaster Management, Time2Market, Training, Reisezeit, Fachkonsultation, Einarbeitung, Human Resources, Reaktionszeit, Justiz, Bereitschaftsdienst, Personenschutz, häusliche Pflege, Qualitätsprüfung, Katastrophen oder Fernstudium.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Sie durch eine intelligent aufgebaute Videoinfrastruktur in der Lage sind, lästige Zeitzonenprobleme zu reduzieren, Entscheidungen zu beschleunigen, die Zusammenarbeit zu fördern und sich somit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Wie bereits erwähnt, werden flexible Arbeitsumgebungen zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen. Videokommunikation in Verbindung mit Unified Communications liefert hier einen signifikanten Mehrwert zur Förderung der Work-Life-Balance. Als Systemintegrator steht Ihnen Controlware im gesamten Bereich der Videokommunikation zur Seite – von Telepresence bis WebRTC.


autor_houven_ashauerRouven Ashauer,
Solution Manager
Unified Communications,
Controlware GmbH
www.controlware.de

 

Titelbild: © Rawpixel.com/shutterstock.com