Warum ist Volkswagen eigentlich vertrauenswürdig?

von Andera Gadeib, Gründerin und CEO von Dialego

 

Vor wenigen Tagen veröffentlichten wir bei Dialego die Ergebnisse der Most Trusted Brands, die wir jährlich für Reader’s Digest durchführen [1]. In vielen Kategorien standen alte Bekannte auf dem Siegertreppchen als vertrauenswürdigste Marke der jeweiligen Kategorie: etwa Nivea bei Hautpflege, Persil beim Waschmittel oder TUI für die Reiseveranstalter.

Gegenwind: wenn Befragungsergebnisse nicht gefallen

Als wir die Ergebnisse publik machten, wehte uns jedoch vereinzelt eiskalter Wind entgegen: Teilnehmer aus unserem Panel und auch die Presse meldeten sich mit den Worten »Das ist nicht Euer Ernst?« (O-Ton). Ausgerechnet Volkswagen sollte die vertrauenswürdigste Marke sein?

Von siebzehn durchgeführten Erhebungen war Volkswagen bereits das sechzehnte Mal auf Platz eins dieser begehrenswerten Auszeichnung und hatte auch gut zwei Jahre nach dem Dieselskandal nicht seinen Siegerposten an eine andere, vielleicht »unbescholtene« Marke, abgegeben.

Mein erster Impuls: Ich kann den Unmut gut verstehen. Wir sind genauso überrascht. Allerdings stammen die Befragungsergebnisse nicht von uns persönlich, wir geben »nur« die Stimme vieler Menschen wieder. Das ist das große Glück des forschenden Unternehmens: Die Gedanken einer Zielgruppe oder hier gar der deutschen Bevölkerung nachzuvollziehen und erklären zu dürfen. Mit einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe von 4.000 Menschen ist die Aussage zur vertrauenswürdigsten Marke sehr belastbar.

Warum vertrauen die Menschen nun Volkswagen?

Also sind wir bei Volkswagen etwas tiefer eingestiegen: Warum vertrauen die Menschen Volkswagen? Nun, sie vertrauen schlichtweg vor allem ihrer eigenen Erfahrung, mehr als Medienberichten. Jeder fünfte in Deutschland zugelassene Pkw ist ein VW. Dementsprechend viele VW-Fahrer bilden in der repräsentativen Stichprobe ab.

Und deren Erfahrung mit ihrem VW ist – teilweise seit Generationen – positiv. Wer Jahre oder gar Jahrzehnte mit seinem Automobil zufrieden ist, weil es zuverlässig von A nach B kutschiert und die zugehörige Autowerkstatt einen nicht im Stich lässt, der entscheidet nicht so schnell um. Erst recht nicht bei einem langlebigen Produkt wie dem Automobil.

 

So lauten die Hauptargumente für das Vertrauen in die Marke bei der Kategorie Automobil: 1. Die eigene Erfahrung (46 %), 2. Ständige Kontrollen (13 %) und 3. Langlebigkeit des Produktes (9 %).

Hauptargumente für das Vertrauen zu Automobilmarken

 

Medienbild versus Verhalten

Sämtliche Medienberichte samt ihrer Empörungswellen sind für den VW-Fahrer offenbar weniger relevant. Gleiches scheinen die Konzernzahlen zu bestätigen: Der Einbruch der Absatzzahlen in Deutschland hält sich in Grenzen. Und statt in Scharen abzuwandern, halten die Verbraucher der Marke in sehr hohem Maß die Treue. Weil sie nach wie vor Vertrauen in die Marke haben.

Auf die Frage, ob man auf eine andere Automobilmarke umsteigen wolle, sind VW-Fans sogar tendenziell treuer als andere Markenbesitzer. Nur knapp jeder zehnte Autofahrer plant einen Markenwechsel (11 % VW-Fans, 13 % andere Marken).

Trotz allem: Markenvertrauen sinkt insgesamt

Nichtsdestotrotz verlieren alle Marken insgesamt an Vertrauen. Nicht nur bei VW – die Niveaus sinken in nahezu allen Märkten. Konsumenten sind durch Skandale verunsichert.

Beim »Vertrauensindex« schneidet der Automobilmarkt nur mittelmäßig ab: Nur vier von zehn Verbrauchern äußern hohes Vertrauen in die Automobilhersteller. Zum Vergleich: Bei Mineralwasser sind es sechs von zehn. Haushaltsgeräte, Tee, Waschmittel oder Arzneimittel zeigen ein deutlich höheres Vertrauen seiner Verbraucher als der Automarkt.

Vertrauen in Märkte MTB 2018

 

Was künftig über Erfolg entscheidet

Eine der größten Herausforderungen in der Zukunft wird für viele Anbieter sein, ehrlich und authentisch Produkte anzubieten. Insbesondere in Zeiten der Digitalisierung wird zunehmend der Umgang mit den erhobenen Daten ein Maß für Vertrauen in Marken darstellen. Die Automobilindustrie betrifft dies deutlich früher als manch anderen Markt, da die Vernetzung und Datenaufzeichnung im Automobil sehr relevant für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren ist.

Investments in die authentische Führung einer Marke sind nötig und sollten auf die strategische Agenda – nicht nur im Marketing, sondern ebenso auf die oberste Führungsebene eines Unternehmens. Nicht nur, weil wir bei VW sehen, wie Kunden eine so gigantische, weltweit präsente Krise auspolstern können, »nur« weil vorab der Markenaufbau gelungen ist und eine hohe Stabilität vermittelt werden konnte.

 


Vertrauenswürdige Marken: Volkswagen, Sparkasse, Aspirin – Most Trusted Brands 2018

Für die jährliche Studie »Most Trusted Brands« befragte Dialego mehr als 4.000 Deutsche, welcher Marke sie am meisten vertrauen. Das überraschende Ergebnis: In der Kategorie Automobil belegt Volkswagen erneut den ersten Platz – trotz des Dieselskandals.

Was diese Studie von anderen abhebt? Die Konsumenten geben ihre Wahl offen ab. Das heißt, es gibt keinen Stimmzettel, auf dem Marken aufgelistet sind – man verlässt sich vollständig auf das Gedächtnis und die Assoziationen der Befragten. Diese ungestützte Frageform ist eine Besonderheit: Während eine Aufzählung der verfügbaren Marken möglicherweise von Vorgaben oder Vergleichen beeinflusst sein könnte, entspringt die offene Aussage der spontanen, impliziten Wahrnehmung und liefert dadurch einen sehr starken Wert.

Markenvertrauen in 27 Kategorien

In insgesamt 27 Kategorien, davon 20 zu Konsumgütern und sieben rund um das Feld Gesundheit, wählten die Verbraucher ihre persönliche Marke des Vertrauens. Das Ergebnis ist über die Jahre erstaunlich stabil. Zum wiederholten Mal seit 2004 belegt etwa Volkswagen den ersten Platz in der Kategorie Automobil, was überraschen mag. Schließlich wurde die Marke während der letzten Monate und Jahre vom Dieselskandal kräftig durchgeschüttelt. Dieses Ergebnis verblüffte daher auch die Fachpresse. Doch während die Medien den Skandal auf den Titelblättern und im Bewusstsein tragen, urteilt der Verbraucher vielmals nach der eigenen Erfahrung. Und die ist – trotz Skandal – überwiegend positiv.

Auffallend ist dennoch: In fast allen Märkten sinken die Niveaus, die Marken verlieren an Stärke. Eine wichtige Erkenntnis, schließlich steigt in Zeiten der Digitalisierung die Geschwindigkeit, in der Märkte sich bewegen. Auch die Vielfalt an Optionen nimmt zu. Klassische Bank- oder Versicherungsangebote etwa sind inzwischen auch digitalem Wettbewerb ausgesetzt. Es wird spannend, die weitere Entwicklung zu beobachten. Derweil sind Markeninhaber gefordert, ihre Marke zu pflegen und zu stärken.

Die Sieger in den Konsumgüter-Kategorien

Ganze 3.895 verschiedene Marken über alle Kategorien hinweg nannten die Befragten – eine zunächst schier unfassbare Menge. Die Anzahl der Marken je Kategorie variiert aber stark: Bei den Automobilen konzentriert sich die Auswahl auf nur 46 Marken, der Markt für Bekleidung dagegen ist bunt und vielfältig. Er liefert historisch die größte Anzahl genannter Marken, nämlich insgesamt 380. Zu den weiteren »markenvielfältigen Märkten« gehören Reisen (226 unterschiedliche Marken), Nahrungsmittel (262 Marken) sowie Mineralwasser, das typischerweise durch viele regionale Marken geprägt ist (296 Marken).

 

Die Gewinner sind:

Volkswagen (Automobile), Sparkasse (Banken), C&A (Bekleidung), Edeka (Handelsunternehmen), Miele (Haushalts-/Küchengeräte), Frosch (Haushaltsreiniger), Nivea (Hautpflege), Gerolsteiner ( Mineralwasser), Deutsche Telekom (Mobilfunkservice-Anbieter), Samsung (Mobiltelefone / Smartphones), Dr. Oetker (Nahrungsmittel), TUI (Reiseveranstalter), Rotkäppchen (Sekt), Milka (Schokolade), Bahlsen (Süßgebäck), Haribo (Süßigkeiten), Teekanne (Tee), Whiskas (Tiernahrung), Allianz (Versicherungen) und Persil (Waschmittel).

Der Markt für Gesundheit

Im Gesundheitsbereich schauten wir auf insgesamt sieben Märkte, die über die vergangenen Jahre eine hohe Stabilität aufweisen. Alle Gewinner im aktuellen Jahr landeten auch 2017 auf Platz 1. Dies sind:

Wick (Erkältungs-/Hustenmittel), Kind (Hörgeräte), Eucerin (Medizinische Hautpflege), Almased (Mittel zur Gewichtsreduktion), Aspirin (Schmerzmittel), Iberogast (Verdauungsmittel) und Abtei (Vitaminprodukte).

Die weitaus größte Anzahl verschiedener Marken, nämlich 202, nannten die Befragten in der Kategorie Vitaminprodukte, während sie im Markt für Schmerzmittel auf nur 68 verschiedene Marken kamen.

Markenarbeit

Die Studie zeigt erneut, wie vielfältig die Welt der Marken ist – aber auch, wie zentral es ist, die eigene Marke zu entwickeln, um sich in dieser Vielfalt zu behaupten. Je digitaler und schneller unsere Welt wird, desto wichtiger wird die glaubwürdige Marke, der man auch über Jahre vertrauen kann. Zunehmend werden hier Ethik und auch die Datensicherheit – bei digitalisierten Geschäftsmodellen – eine Rolle spielen. Ebenso wie in einzelnen Märkten auch Siegel und die Differenzierung zu Discountangeboten.

 


 

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