Wide Area Network – Die Qual der WAN-Anbieterwahl

Wide Area Network

In vielen Branchen löst die technologische Entwicklung eine Marktdynamik aus, die Unternehmen zu einer kontinuierlichen Anpassung ihrer Geschäftsprozesse zwingt. Ob auch Serviceverträge für das Wide Area Network (WAN) noch zum aktuellen Wettbewerbsumfeld passen – diese Frage gehört mindestens alle drei bis fünf Jahre auf die Tagesordnung. Ebenso oft steht damit auch ein möglicher Anbieterwechsel im Raum.

Beim Thema Kosten für die WAN-Anbindung geografisch verteilter Unternehmensstandorte wird zuallererst meist nach dem Preis gefragt. Doch rechtfertigt ein Preisunterschied einen Anbieterwechsel bestenfalls dann, wenn die Ersparnis den oft unterschätzen Umstellungsaufwand deutlich übersteigt.

Kein Standort ist wie der andere. Auf nachhaltige Weise lassen sich WAN-Kosten nur im Lichte der konkreten Geschäftsanforderungen optimieren. Die aber sind an jedem Standort individuell: Wo zeitkritische IT-Anwendungen via Weitverkehrsnetz bereitgestellt werden, ist Hochverfügbarkeit durch entsprechende WAN-Redundanz unabweisbar. Ein Logistikzentrum etwa kann einen längeren Ausfall kaum tolerieren. Denn beladene Lkws könnten nicht vom Hof fahren, solange das Netzwerk keine Auslieferungsaufträge überträgt.

Andererseits sind redundante Komponenten stets Stand-by-Equipment, das Kosten verursacht, ohne direkten Mehrwert zu produzieren. Wo immer möglich, sollte sich WAN-Redundanz also auf ein Minimum beschränken. Zum Beispiel überall da, wo im Alltag keine zeitkritischen Applikationen gebraucht werden und die lokalen Abläufe relativ unempfindlich gegen temporäre Offline-Phasen sind. Zu beachten ist allerdings, dass die Kritikalität der Geschäftsprozesse nicht unbedingt linear von der Standortgröße abhängt. Im Gegenteil: Manchmal haben kleine Niederlassungen mit wenigen Mitarbeitern einen besonders hohen Verfügbarkeitsbedarf. Ergo: Es führt kein Weg daran vorbei, die Betriebsrisiken an jedem Standort extra abzuwägen – nur so lässt sich eine gesunde Balance zu den WAN-Kosten herstellen.

Bei der Analyse der Geschäftsanforderungen darf nicht übersehen werden, dass sich diese Anforderungen sehr schnell wieder ändern können. Statische Service Level Agreements (SLAs), die einen Zustand für fünf Jahre unverrückbar festschreiben, sind heutzutage ungeeignet. Mit Blick auf die WAN-Anbieterauswahl stellt sich dabei unter anderem die Frage: Sind Bandbreitenaufstockungen je nach Bedarf quasi ad hoc möglich? Immerhin wächst das weltweite Datenvolumen bis 2020 um den Faktor 10, wie Analysten von IDC in der Studie »EMC Digital Universe« prognostizieren. Gleichwohl muss auch eine Abwärtsskalierung im Angebot sein – etwa bei nur saisonalem Bandbreitenbedarf, zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft eines Versandhändlers, bei einem anstehenden Jahresabschluss oder bei nur zeitweilig benötigten Projektstandorten wie etwa im Baugewerbe.

Auch Serviceketten sind nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Konsequenzen für die Anforderungen an das WAN hat auch ein geplanter Umstieg auf Voice-over-IP: Ist der Anbieter in der Lage, die SLAs unkompliziert um Quality of Service (QoS) und das Netzwerk um entsprechende Gateways in das öffentliche Telefonnetz zu erweitern? QoS ist bei Voice-over-IP unverzichtbar, denn für Sprach- und Videodaten müssen die Ampeln im WAN gleichsam immer auf Grün stehen.

Ganz ähnlich verhält es sich bei einer Verlagerung von IT-Anwendungen in die Cloud: Wie hoch sind die konkreten Verfügbarkeits- und Sicherheitsanforderungen der jeweiligen Applikation? Besitzt der WAN-Anbieter genügend Agilität, um beispielsweise Class of Service (CoS) bis zum Cloud-Provider sicherzustellen? Gibt es überdies die Option, das eigene Firmennetzwerk ohne Umweg über das Internet direkt an das Rechenzentrum des Cloud-Providers anzuschließen? Sofern ein Exchange- oder WAN-Anbieter die entsprechenden Datacenter-Standorte unterstützt, ist es zum Beispiel ohne weiteres möglich, eine exklusive Direktverbindung zur Amsterdamer Microsoft-Cloud einzurichten. Dafür ist – salopp gesprochen – kaum mehr notwendig, als ein Stück Kabel zu verlegen.

Egal, ob tausend virtuelle Desktops oder ein komplettes ERP-System – jede einzelne Facette beim Cloud-Service braucht eine dedizierte WAN-Servicebeschreibung, um die notwendige Agilität und Qualität der WAN-Architektur bei gleichzeitig optimierter Kostenstruktur nachhaltig zu sichern. Allerdings hat man es hierbei nicht mehr mit isolierten Services zu tun, sondern mit einer ganzen Servicekette – und die ist wie bei jeder Kette nur so belastbar, wie ihr schwächstes Glied. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass Prozess- und WAN-Anforderungsanalysen samt ihrer Übersetzung in klar definierte SLAs ohne Spezialkompetenzen nicht auskommen. Diese sind nur in wenigen Unternehmen verfügbar und werden daher vielerorts mit Vorteil als externe Dienstleistung in Anspruch genommen.

 


autor_sven_kreimendahlSven Kreimendahl,
Head of Business Technology Services,
Campana & Schott

 

 

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