Zertifizierte und updatefähige Branchenlösungen – Integrierte Module statt individueller Programmierung

Zertifizierte und updatefähige Branchenlösungen

Der individuelle Standard – ein Paradoxon? Auf jeden Fall eine Sackgasse, wenn Customizing und Standard im falschen Verhältnis zueinander stehen. Die Lösung bieten branchenspezifische Module, die sich in den Standard integrieren lassen.

Im Jahre 1822 beginnt die Historie der Firma Röchling mit einer Kohlenhandlung. Heute steht die Röchling-Gruppe für höchste Kompetenz in Sachen Kunststoff. Mit fortschrittlichsten Bearbeitungs- und Veredelungsverfahren und in modernsten Produktionsprozessen fertigt das Unternehmen thermo- und duroplastische Kunststoffe für jeden denkbaren Industriebereich. Unterteilt ist die Firmen-gruppe in den Geschäftsbereich Hochleistungskunststoffe mit einem Produktspektrum von Halbzeugen wie Platten, Rund-, Hohl- und Flachstäben über Profile und Formgussteile bis zu mechanisch bearbeiteten oder im Lasersinterverfahren hergestellten Fertigteilen. Der zweite Bereich Auto-mobil-Kunststoffe versorgt weltweit Automobilhersteller und Systemlieferanten mit technologisch anspruchsvollen Kunststoffanwendungen. Die Röchling-Gruppe ist mit 60 Stand-orten in 20 Ländern vertreten und erwirtschaftete in 2012 mit 7.300 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro.

Zu individuell. Seit 1998 setzt man bei der Röchling Engineering Plastics KG in Haren an der Ems die kaufmännische Unternehmenssoftware von Navision, heute Microsoft Dynamics NAV, ein. »Heute sind wir mit 340 Usern einer der größten Dynamics NAV-Anwender und haben in den vergangenen 15 Jahren viel Erfahrung mit der Software gesammelt«, weiß Andreas Paschke, Head of Organisational Development. Von den 650 Mitarbeitern in Haren gibt es keinen, der nicht in irgendeiner Form auf der Basis des ERP-Systems arbeitet. Selbst die Lieferanten müssen sich mit ihren Lkws beim Werkschutz im System an- und später wieder abmelden. »Mit unserer ERP-Software können wir mittlerweile das Unternehmen komplett abbilden«, berichtet Paschke. Allerdings war das nicht von Beginn an so.

1998 bei der Einführung der neuen Software versprach man den Mitarbeitern, sie könnten auch weiterhin mit dem neuen System so arbeiten, wie mit den inzwischen veralteten Insellösungen. Aber schon bald merkte man, dass diese Denkweise in eine Entwicklungssackgasse führt. Durch zu viele Anpassungen und Sonderprogrammierungen – die Mitarbeiter wollten ja so wie gewohnt arbeiten – entstand ein stark individualisiertes System, das einerseits zwar hoch produktiv, andererseits aber nicht mehr update-fähig war. Paschke verdeutlicht: »Wir hatten ein Verhältnis von 80/20, also etwa 80 Prozent selbst programmiert und nur noch 20 Prozent Standard.« Eine ökonomische, sinnvolle Weiterentwicklung war da nicht mehr möglich.

Durch und durch erneuert. Die Lösung hieß Reengineering: die Ablösung eines hoch individualisierten Produkts durch die neueste Standardsoftware Microsoft Dynamics NAV. »Ein Projekt mit der Überschrift ›Zurück zum Standard‹. Da ging es darum, alte Zöpfe abzuschneiden«, erinnert sich Paschke. Ein Ziel bestand vor allem darin, das Verhältnis von Anpassungen zum Standard umzukehren, also 20/80 statt 80/20. So ging man 2006 daran, die gesamte EDV umzukrempeln; Stammdaten, Datenstrukturen – alles wurde erneuert und mit Testdatenbanken und Probeläufen durchgespielt und abgesichert. »Natürlich kommt man bei so einem Projekt auch in Grenzsituationen«, gibt Paschke zu, »Mit einem Produktionsbetrieb unter Volllast im Hintergrund – mit tausenden Tonnen pro Jahr – inklusive der erforderlichen Logistik kann ein Fehler schon fast existenzielle Züge annehmen.« In so einer Situation zahlt es sich aus, wenn man mit einem langjährigen IT-Partner zusammenarbeitet.

Cosmo Consult hat mit uns jahrelang Erfahrungen  gesammelt und Module für Dynamics NAV ständig in unserem  Sinn weiterentwickelt.

Mit dem Microsoft-Partner Cosmo Consult, einem Branchenspezialisten für die Fertigungsindustrie, projektorientierte Dienstleister sowie die Zulieferindustrie, hatte man bei Röchling seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht. Daher kannten die Berater die Abläufe im Unternehmen und konnten die Keyuser, die aus allen Abteilungen kamen, so schulen, dass alle Tests -korrekt abliefen und das neue System später in den Abteilungen mit ihren Kol-legen problemlos umsetzten. Aber Paschke weiß auch: »Wenn so ein Projekt funktionieren soll, muss man als Auftraggeber die Hälfte der Verantwortung selbst übernehmen. Man darf nicht einfach sagen, hier ist das Geld und wir möchten zum 1.1. starten.« Er verweist darauf, dass die Berater Programmier- und Strategieprofis sind, den Meistern im Betrieb aber kaum sagen können, wie sie ihre Prozesse besser machen sollen. Hier ist Partnerschaft und Kooperation auf Augenhöhe gefragt.

Ergänzter Standard. Es gab auch Rückschläge. So musste der Echtstart der neuen ERP-Version einmal verschoben werden, weil in einer Phase der Hochbeschäftigung keine Mitarbeiter zu Schulungszwecken oder gar Datenübergaben abgezogen werden konnten. Daher gab es zunächst nur einen Teilstart für den Bereich Lohn und Gehalt, der aber reibungslos funktionierte – ebenso wie die spätere Einführung von Modulen wie Auftragsfertigung, Prozessfertigung, Workflow, Qualitätsmanagement und Lieferantenbewertung sowie eines grafischen Leitstands für die Prozessfertigung. Anschaulich beschreibt Paschke die ersten Erfahrungen mit der neuen Version: »Stellen Sie sich vor, Sie haben im Auto eine zehn Jahre alte Technik und steigen auf ein modernes Hightech-Fahrzeug um. In der IT ist der Unterschied noch viel eklatanter. Für uns war es, als würden wir eine völlig andere Software einführen.«

So steuert jetzt das ERP-System die kompletten Logistikabläufe einschließlich der Erstellung der Warenbegleitpapiere für die Kunden. Auch die Stapler im Logistikcenter steuert Dynamics NAV über WLAN zum richtigen Lagerort. Dieses Modul entwickelte Röchling ebenso gemeinsam mit Cosmo Consult wie das Modul Prozessfertigung, das jetzt zum Branchenlösungsportfolio der Cosmo-Consult-Gruppe gehört. Laut Paschke ist Dynamics NAV eine ausgesprochen flexible Software, die sich leicht an die eigenen Bedürfnisse anpassen lässt, aber da liegt auch wieder die Gefahr eines zu hohen Anteils an Eigenprogrammierungen. Darum ist er froh über die aus der Praxis entwickelten, zertifizierten und updatefähigen Branchenlösungen des IT-Partners, die völlig in das ERP-System integriert werden. So ließ sich das angestrebte 20/80-Verhältnis bei hoher Funktionalität erreichen.

Allerdings ist das Projekt schon wieder sechs Jahre alt und man denkt bereits an das nächste große Upgrade. Auch diesmal will sich Paschke wieder gut zwei Jahre Zeit für die Vorbereitung lassen. Er betont, wie wichtig ein Partner ist, der die Unternehmensprozesse kennt und über spezifische Branchenlösungen verfügt, die sich in den Standard integrieren lassen: »Cosmo Consult hat mit uns jahrelang Erfahrungen gesammelt und Module für Dynamics NAV ständig in unserem Sinn weiterentwickelt. So wollen wir beim kommenden Projekt ein 10/90-Verhältnis erreichen, ein realistisches Ziel.«


Volker Vorburg