Zurückeroberung – Die Top Trends für CIOs und Entscheider 2018

Illustration: Absmeier, Kalhh

Die Überzeugung, dass die Arbeit sich in den letzten und nächsten Jahren verändert, teilen mittlerweile wohl die meisten Entscheider in deutschen Unternehmen. Neue Führungsstile, neue Organisationsformen, mehr Freiheiten und Technologien für die Mitarbeiter und damit auch mehr Innovation und wirtschaftliches Potenzial. Das sind in etwa die Erwartungen und Charakteristika der neuen Arbeitstrends. Diese sind bereits so real, dass erste Gewerkschaften im Rahmen ihrer Verhandlungen mit den Arbeitgebern nicht mehr in erster Linie bessere Löhne, sondern flexiblere Arbeitszeitregelungen für ihre Mitglieder fordern.

Die Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, sich diesen aktuellen Trends und technologischen Möglichkeiten zu fügen, ohne direkt ihre jahrelang etablierte Kultur der Arbeit und des Miteinanders in Frage stellen zu müssen. Dass dies in der Praxis bisweilen auch mal nicht so schnell geht, wie es möglicherweise die öffentliche Erwartung vermuten lässt, wird vielen Unternehmen auch sehr schnell klar.

Die diesjährige Digitalkonferenz DLD der Burda Media beschreibt mit ihrem Motto ziemlich exakt die derzeitige Situation. »Reconquer!« – Zurückerobern lautet es. Und genau das ist es, was die Entscheider in vielen Unternehmen derzeit beschäftigt. Das Heft des Handelns, die Kontrolle, Sicherheit und den klaren Pfad – all das fehlt vielen Unternehmen derzeit, wenn es darum geht, die neue Arbeit organisatorisch und technisch zu definieren.

Also steht ganz oben auf der Trendliste, die Reconquer-Mission weiter zu intensivieren. Die Unternehmen haben eine Reihe von Technologien und Best Practices als Handlungsleitlinie. Sie können zwischen bewussten Entscheidungen und Ausprobieren balancieren und selbst entscheiden, was für sie der richtige Weg ist. Dies alles jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeiter die Technologien und Möglichkeiten nicht zuvor für sich entdeckt und definiert haben.

Darüber hinaus werden diese Trends die Unternehmen und Entscheider in 2018 stark beeinflussen:

 

#1 Unified User Experience

Mehr Endgeräte, mehr Betriebssysteme, mehr Softwareplattformen. Der Software und Device Stack der Mitarbeiter wird immer umfangreicher. Gleichzeitig verlangen die Nutzer, dass jede Information auf allen diesen Geräten verfügbar gemacht wird. Damit nicht genug. Ein Task, der auf dem einen Gerät begonnen wurde, muss unmittelbar und in Echtzeit auf einem anderen Gerät weitergeführt werden können. Das stellt eine substanzielle Herausforderung für die Software und Daten-Repositories selbst dar.

Unified User Experience bedeutet, dass alle Endgeräte und Betriebssysteme eine einheitliche Softwareplattform erhalten. Dazu zählen alle Ebenen des IT-Stacks. Die Backend-Services, Management und Security sowie die Collaboration Apps unterscheiden nicht mehr, auf welchem Betriebssystem sie gerade funktionieren müssen.

 

#2 Mixed Reality

Die Mixed Reality hat das Potenzial, das Consumer-Image im Jahr 2018 endlich abzulegen. Gemeinsam mit Augmented und Virtual Reality erhalten Unternehmen für ihre Prozess- und Wertschöpfungsketten, den Digital Workplace und den digitalen Kundenkontakt ganz neue Möglichkeiten der Interaktion. Auf dem Smartphone oder mit der Hand voll »Head Mounted Devices«, allen voran die Microsoft HoloLens beziehungsweise dessen Betriebssystem Windows Mixed Reality, entwickeln sich langsam aber sicher vielfältige Einsatzszenarien.

 

 

Die Optimierung von Wartungsarbeiten, Fertigungslinien, Produktdesign oder auch dem Vertrieb durch Mixed Reality wurde anhand einiger Leuchtturmprojekte bereits bewiesen. Mit einer Reihe gut vorbereiteter Dienstleister und Agenturen auch hierzulande wird Mixed Reality schon kurzfristig für weitaus mehr Unternehmen nutzbar gemacht werden können.

 

#3 Chat-Hubs

Team Collaboration wird der definierende Faktor für den digitalen Arbeitsplatz. Ein ständiger Wissensaustausch ist im Konzept des Digital Workstyle absolut gewünscht. Je dezentraler die Teams werden, desto mehr braucht es dazu auch die richtige Technologieplattform.

Da Whatsapp das Kommunikationsverhalten vieler Menschen aller Altersklassen schon komplett auf den Kopf gestellt hat, bietet sich auch in der Unternehmenskommunikation der Chat als neuer Standard für kurze Nachrichten an.

Chat-Hubs sind die Chat-Plattformen der Unternehmen, die alle notwendigen Collaboration-Features mitbringen und alle Office- und Workplace-Anwendungen integrieren. So werden Chat-Plattformen in diesem Jahr die zentrale Anlaufstelle für die Mitarbeiter.

 

#4 Mobile AI & Comeback der Hardware

Artificial Intelligence boomt derzeit. Alle Hersteller und Unternehmen verfolgen den Trend und versuchen, ihm ihren Stempel aufzudrücken.

Mit steigender Performance der mobilen Endgeräte erschaffen sie neue Use Cases und Einsatzszenarien auch mobil. Neuronale Netze, Spracherkennung, Automatisierungsprozesse und Co. werden also schon bald auch maßgeblich durch mobile Endgeräte getrieben.

Für diese Mobile-AI-Szenarien braucht es auch neue Chips auf den Smartphones. Alles über die Cloud zu machen ist schon aus der Mode. Vielmehr kommen mit leistungsfähigen Endgeräten viele Rechenprozesse wieder zurück auf die Geräte selbst (Edge Computing).

Google, Samsung und auch Apple arbeiten derzeit daran, die AI-Prozesse auf den Endgeräten noch leistungsfähiger zu machen. Samsung verspricht gar, bis 2020 alle neuen Geräte (vom Kühlschrank bis zur Smartwatch) mit einem zusätzlichen AI-Chip auszustatten.

Die Sourcing-Entscheidung bei Smartphones erhält so eine weitere Komponente (zurück). Design, Usability und Manageability werden durch die Entscheidung nach Hardwarespezifikationen beziehungsweise leistungsfähigen AI-Chips ergänzt.

 

#5 Voice Interaction

Die Sprache als neuer Interaktionskanal ist erst einmal nicht neu. Sprachsteuerung beispielsweise in Fahrzeugen gibt es schon lange. Auch Siri, Google Now und Co. locken nur die wenigsten noch aus der Reserve. Ebenso ist es bei Alexa und Konsorten, die in den Wohnzimmern unzähliger Haushalte als Freund und Einkaufshelfer ihren Platz gefunden haben.

 

 

Für die Unternehmen ist es jetzt an der Zeit, diese vielen Voice-enabled Devices auch mit eigenen Use Cases zu bereichern. Amazon hat mit Alexa for Business einen wichtigen Schritt gemacht. Viele Vendoren haben ähnliches getan. Jetzt folgt die Zeit, in der die Anwendungen und Integrationen in die wichtigsten Plattformen initiiert werden. Schon bald wird die Spracheingabe die bevorzugte Art vieler Menschen sein, mit digitalen Endgeräten und Anwendungen zu interagieren. Allein darauf gilt es sich mit den eigenen Anwendungen und Marketing-Apps vorzubereiten.

Und auch für die Geschäftsprozesse selbst wird Sprache eine wichtige Rolle spielen. In den Call- und Contact-Centern gehören sie schon heute als Voice Assistant oder Chatbot zum Erstkontakt für den Anrufer. Und auch für die Mitarbeiter werden sie bald ein wichtiger Assistent sein, der als Kommunikationsplattform, Frage-Antwort-Assistent oder Steuerungsmechanismus für einzelne Aktionen oder ganze Produktionsanlagen verantwortlich sein wird.

 

#6 Work-Like-Balance

Sie haben es schon gemerkt, der Autor hat sich hier wohl vertippt!? Nein, hat er nicht.

Aus der Work-Life-Balance entsteht jetzt die Work-Like-Balance. Zugegebenermaßen etwas visionär und noch weniger greifbar bedeutet es, dass Arbeit und Lebensfreude noch enger zusammenwachsen.

Mit einem engeren Wissensaustausch an der Arbeit orientiert sich die Kultur noch mehr in Richtung sozialer Interaktion. Das soziale Leben findet noch mehr im Kontext des eigenen Berufs statt und umgekehrt. Das eigentliche Privatleben wird noch mehr durch die Arbeit durchzogen. Aber auf eine positive Art und Weise – soweit es der einzelne Mensch zulässt.

Ein Beispiel dafür sind die immer beliebteren Corporate Coworking Spaces. Die Design Offices aus Deutschland oder die internationale Variante WeWork machen es vor und schaffen eine eigene Plattform und Community für ihre Mitglieder. WeWork geht dabei noch etwas weiter und hat kürzlich mit WeLive ein eigenes Wohnkonzept, angelehnt an das Couchsurfing à la Airbnb, vorgestellt.

Das klingt jetzt alles etwas »Start-up-Like«, »Silicon-Valley-Style« oder einfach nur unlogisch? Vielleicht. Aber dahinter steckt eine sehr zielführende Denkweise. Neue Kulturen und Wirtschaftsorganisationen definieren sich gemeinsam über ihr Ziel. Und wenn die Arbeit immer mehr zu einem »Like« und weniger zu einer Pflicht wird, ist allen dabei geholfen. So wird der Einklang von Arbeit, Privatleben und Lebensfreude der einzelnen umso mehr gefördert.

 

#7 Lifelong Learning

Ein Faktor für die Work-Like-Balance ist auch Lifelong Learning. Für alle diejenigen, die auf den neuen Zug der Arbeitsfreude und Identifikation aufspringen wollen, gehört ein immer größerer Wissensschatz zum Lebensziel.

Viele Uni-Absolventen wollen nicht mehr vorrangig Geld und Dienstwagen haben, sondern eine lebenslange Entwicklungsperspektive in ihrem Wirken sehen. Zu einer solchen »Learning Culture« tragen derzeit insbesondere Online-Unis wie Udacity und Co. bei. Mitglieder können in ganz unterschiedlichen Themenfeldern Micro-Abschlüsse ablegen und sich so immer mit den neuesten Themen und Trends befassen.

Lifelong Learning wird damit zu einem echten HR-Faktor. Die Personalabteilungen haben bald eine Art Learning Experience Management auf der To-Do-Liste. Sie geben die Perspektive, geeignete Organisations- und Arbeitsmodellen bereit zu halten und gleichzeitig die Plattform für den Wissensaustausch zur Verfügung zu stellen. Dies wird ein entscheidender Faktor im Employer Branding und virtuellen Kampf gegen Google, Apple oder Facebook.

 

#8 New Leadership

Der Anspruch an die Führungskräfte wandelt sich zunehmend. Die Tendenzen in diese Richtung nehmen viele Unternehmen bereits seit einiger Zeit wahr.

Mittlerweile werden die neuen Führungskompetenzen im Hinblick auf ein gesteigertes Technologieinteresse und Know-how, einen offenen und empathischen Führungsstil oder auch das Fördern einer neuen Kultur schon als Qualitäts- und Leistungsmerkmal herangezogen.

Gerade in der Zeit des »Reconquerns« brauchen die Unternehmen zumindest einen Teil ihrer Führungsriege, der aus dem Konservativen und Kontinuierlichen ausbricht und Diversität und neue Innovationen aktiv fördert. Das ist für den Unternehmenserfolg im gesamten, aber auch ganz konkret für den digitalen Arbeitsplatz, den Mobile Workstyle, die zugehörige Arbeitskultur und den Erfolg der meisten hier beschriebenen Trends im jeweiligen Unternehmen ein oder möglicherweise sogar der entscheidende Faktor.

 

Die 8 Trends in der Übersicht:

Unified User Experience Die neue Generation der Software- und App-Stacks braucht einheitliche Features, Nutzeroberflächen, Management-Features und eine Echtzeitvernetzung
Mixed Reality Neue Use Cases für die Mixed Reality im Bereich der Produktion, Kommunikation und Kundeninteraktion
Chat Hubs Chat-Plattformen erhalten mehr Enterprise Features und werden zum zentralen Knotenpunkt des Digital Workplace
Mobile AI // Comeback der Hardware AI findet auf den mobilen Endgeräten statt – neue Chips in der Hardware bestimmen die Sourcing-Entscheidung und erschaffen neue Möglichkeiten
Voice Interaction Alexa & Co. kommen ins Business – Mit der steigenden Zahl an Apps und Skills können bald Produktionslinien gesteuert und Standard-Tasks an digitale Assistenten ausgelagert werden
Work Like Balance Beruf und soziale Interaktion wachsen noch enger zusammen – Work Like Balance wird das neue Schlagwort für die HR-Abteilungen
Lifelong Learning Online-Unis, Microabschlüsse und unersättlicher Hunger nach Wissen – das wünschen sich die Mitarbeiter der nächsten Generation
New Leadership Neue Unternehmenskultur heißt auch neue Führungskultur – Empathie, Vision und Technikaffinität spielen mittlerweile weit mehr eine Rolle als radikales Durchsetzungsvermögen

 

 

Maximilian Hille

Senior Analyst & Mobile Practice Lead

 

Maximilian HilleMaximilian Hille ist Analyst und Mobile Practice Lead des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Maximilian Hille ist verantwortlich für Marktforschungsinitiativen und Beratungsprojekte maßgeblich in den Bereichen Mobile Business und Enterprise Mobility. Zuvor war Maximilian Hille Research Manager in der »Cloud Computing & Innovation Practice« der Experton Group AG.
Weiterhin ist er Produkt Manager des Research-Web-Dienstes Crisp Analytics. Seine Fokusthemen sind Mobile User Experience, Mobile Application Performance, mobile Development Platforms, Enterprise Mobility und Mobile Collaboration.
Maximilian Hille ist Juror bei den Global Mobile Awards 2017.

 


 

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