Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung der Führungskräfte und der Sicht der Mitarbeiter auf die Manager. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie »Deutschland führt?!« [1].
Konkret zeigen sich die Defizite bei der Zusammenarbeit im Arbeitsalltag wie folgt: 93 % der Führungskräfte sind davon überzeugt, einen offenen und ehrlichen Dialog mit ihren Mitarbeitern zu führen. Dies bestätigt nicht einmal die Hälfte der Mitarbeiter (42 %). 86 % der Führungskräfte sagen, dass sie ihren Mitarbeitern Ziele vorgeben. Gleichzeitig ist lediglich ein Drittel (33 %) der Mitarbeiter der Meinung, dass ihre Führungskraft klare Ziele definiert.
Während knapp drei Viertel (74 %) der Führungskräfte der Meinung sind, regelmäßig Rückmeldung zur Leistung ihrer Mitarbeiter zu geben, gibt nur ein Viertel (25 %) der Mitarbeiter an, regelmäßig Feedback von ihrer Führungskraft zu erhalten. Fast die Hälfte (46 %) der befragten Angestellten gibt an, keinerlei Feedback zu bekommen. In Abteilungen, die sich im Vergleich zu anderen als weniger erfolgreich einstufen, sind es sogar 70 % der befragten Mitarbeiter, die sagen, kein Feedback zu erhalten.
Ähnlich sind die Wahrnehmungsunterschiede schließlich auch bei der Begeisterung, die Führungskräfte vermitteln: So glauben immerhin noch drei Viertel der Führungskräfte (76 %) von sich selbst, mit Begeisterung über das, was erreicht werden soll, zu sprechen. Diese Begeisterung nehmen allerding nur 36 % der Mitarbeiter bei ihren Führungskräften wahr.
Führungskräfte und Mitarbeiter leben offenbar in Parallelwelten. Dabei sind gerade Feedback und klare Zielvorgaben besonders wichtige Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Führungskraft.
Interessanterweise spiegeln sich diese Unterschiede zwischen Führungskraft und Mitarbeiter auch in der Motivation wieder. So sagen fast 90 % der Führungskräfte, dass sie gerne Vorgesetzte sind, und nahezu drei Viertel (73 %) der Führungskräfte betonen, dass ihnen ihre derzeitige Arbeit Freude bereitet. Demgegenüber sind es nur 45 % der Mitarbeiter, die Spaß in ihrem Job haben. Entsprechend der hohen Zustimmung zur Führungsrolle ist Führung also keine undankbare Aufgabe, mit der nur Anstrengung verbunden ist. Im Gegenteil: Führen motiviert und kann die Zufriedenheit erhöhen. Vielleicht werden aber auch vor allem motivierte Mitarbeiter Führungskraft?
Besorgniserregend ist in jedem Fall die geringe Anzahl an Mitarbeitern, die Freude an ihrer Arbeit haben.
Perspektiven und Entwicklungspotenziale
Welche Ursachen machen Mitarbeiter und Führungskräfte für die teils sehr weit auseinanderliegenden Sichtweisen verantwortlich? Mitarbeiter sehen die größten Führungsschwächen bei den Anforderungen an die Mitarbeiterführung und bei der Mitarbeitermotivation. Führungskräfte dahingegen sehen ihre Entwicklungspotenziale vor allem bei den unternehmerischen Kompetenzen. Folgerichtig decken sich auch die Aussagen, wo sich Führungskräfte weiterentwickeln sollten, weitgehend mit den ausgemachten Defiziten.
Die Gebiete, auf denen sich Führungskräfte laut Mitarbeitern weiterentwickeln sollten, sind: Sozialkompetenz, Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterführung und kommunikative Kompetenz. Führungskräfte hingegen möchten sich in erster Linie fachlich weiterentwickeln, legen aber auch Wert darauf, kommunikativ besser zu werden. Die Mitarbeiterführung ist den Führungskräften ebenfalls wichtig, aber einen ebenso hohen Stellenwert ordnen sie der unternehmerischen Kompetenz zu.
Die Ergebnisse malen folgendes Bild: Führungskräfte sehen die Welt in erster Linie aus der Unternehmensperspektive und vernachlässigen unter Umständen die Tatsache, dass sie Projekte ohne ihre Teams und Experten nicht erfolgreich bewältigen können (Typ »Einsamer Wolf« bzw. »Einsame Wölfin«). Mitarbeiter stellen häufiger sich selbst, die eigenen Bedürfnisse und Motivationsstruktur in den Mittelpunkt und vergessen dabei vielleicht, dass auch sie einen Beitrag zu einer gelungenen Führungsbeziehung leisten müssen (»Couch Potatoe-Mitarbeiter«).
Für die Zusammenarbeit und damit eine wirksame Führungskultur wird es dann zunehmend riskant, wenn die Führungskraft es zulässt oder sogar fördert, dass der Mitarbeiter sich zurückzieht und das »Geführt-werden« in der Schonhaltung konsumiert. Hippie-Leader sind ein schlechtes Vorbild. Mittelfristig wirkt es demotivierend und macht unproduktiv. Weil man heute als Mitarbeiter den Anspruch hat, mehr Freiraum zu erhalten und mitzubestimmen, muss auch mehr Verantwortung für das große Ganze (Unternehmenserfolg) möglich sein. Eine Verantwortung, der man sich als Mitarbeiter in der Wissens- und Netzwerkgesellschaft nicht mehr entziehen kann. Eine Verantwortung, die Führungskräfte ihren Mitarbeitern transparent und attraktiv machen können und dann auch einfordern sollten.
Vor dem Hintergrund der zunehmend volatiler, komplexer und unsicherer werdenden Arbeitswelt: Wirksame Führung, egal ob männlich oder weiblich geprägt, gewinnt an Bedeutung, Tendenz steigend. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie »Deutschland führt?!« [1]. Gleichzeitig kommt heraus, dass es in der Praxis alles andere als rund läuft: Deutsche Manager erhalten vor allem bei den klassischen Führungsthemen Kommunikation, Zielvorgaben und Motivation schlechte Noten. Weniger als die Hälfte der Mitarbeiter hat heute Spaß im Job. Und auch die Arbeit der Personalabteilungen wird schlecht bewertet – sogar von den Personalern selbst.
Gute Führungskräfte
Die Studie, die Information Factory zusammen mit seinen Partnern stellenanzeigen.de und Personalwirtschaft bundesweit durchführte, zeigt allen voran, dass das Thema Führung weiterhin brandaktuell und von großer Bedeutung ist. So sind 92 % der Mitarbeiter, Führungskräfte und Personalverantwortlichen der Meinung, dass gute Führungskräfte die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens deutlich verbessern können. Mit 93 % sagen rund genauso viele Umfrageteilnehmer, dass gute Führungskräfte die Arbeitgeberattraktivität steigern können – ein entscheidender Vorteil im »War for Talents«. Weiterhin gehen immer noch knapp mehr als drei Viertel (76 %) aller Befragten davon aus, dass Führung in Zukunft sogar eine noch wichtigere Rolle in Unternehmen spielen wird, als es bisher der Fall ist.
Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung
Trotz dessen schwächeln Vorgesetzte im Büroalltag in vielerlei Hinsicht. So sagen nur 43 % der Mitarbeiter, dass die Zusammenarbeit mit ihren Vorgesetzen wirkungsvoll ist, demgegenüber stehen satte 90 % der Führungskräfte, die von einer effektiven Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern sprechen. Defizite gibt es etwa in puncto direkte Kommunikation: Während nicht einmal die Hälfte der Mitarbeiter (42 %) angibt, dass ihre Führungskraft einen offenen und ehrlichen Dialog mit ihnen führt, gehen auch hier mit 93 % deutlich mehr Führungskräfte davon aus, offen und ehrlich gegenüber ihren Mitarbeitern zu sein. Weiterhin ist nur ein Drittel der befragten Angestellten der Meinung, klare Zielvorgaben zu erhalten, andererseits geben 86 % der Führungskräfte optimistischerweise an, ihren Mitarbeitern klare Ziele vorzugeben. Und auch bei den Themen Feedback und Motivation kommen Chefs nicht gut weg: Während knapp drei Viertel (74 %) der Führungskräfte angeben, regelmäßiges Feedback zu geben, bestätigt dies nur ein Viertel der Mitarbeiter. 76 % der Führungskräfte glauben, mit Begeisterung voranzugehen, dies nehmen allerdings nur 36 % der Mitarbeiter wahr. Ob in Folge dessen oder nicht, besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang auch, dass lediglich 45 % der Mitarbeiter angeben, Spaß im Job zu haben.
Führungskräfteentwicklung stark in der Kritik
Führungsschwächen attestieren die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten in Hinblick auf die Anforderungen an die Mitarbeiterführung und Motivation, während Führungskräfte sich in erster Linie fachlich weiterentwickeln und ihre unternehmerischen Kompetenzen ausbauen möchten.
Sind die falschen Personen Führungskraft? Obwohl 64 % der befragten Mitarbeiter und immer noch 52 % der Führungskräfte dieser Meinung sind, ist das nicht unbedingt die alleinige Ursache für die Qualitätsprobleme, worauf auch weitere Umfrageergebnisse hindeuten. So sind 65 % der Führungskräfte der Meinung, dass sie zu wenig auf ihre Rolle vorbereitet werden. Das denken auch 69 % der HR-Befragten. 69 % der Führungskräfte und 65 % der Mitarbeiter finden, dass Führungskräfte besser von der HR-Abteilung unterstützt werden sollten. Selbst Personaler schließen sich dem mit 69 %-Zustimmung an. Damit aber nicht genug: Rund ein Drittel (34 %) der Führungskräfte stufen die aktuellen Führungsprogramme in ihrem Unternehmen als nicht zielführend ein, diese Einschätzung teilen mit 31 % nahezu gleich viele HR-Mitarbeiter.
Erfolgreich kommunizieren
In einem Punkt sind sich alle einig: Die Fähigkeit, mit Mitarbeitern erfolgreich zu kommunizieren, ist für Mitarbeiter, Führungskräfte und HR heute eine der Top-Skills erfolgreicher Führungskräfte. Außerdem stimmen die Befragten darin überein, dass es wichtig ist, die Belange der Mitarbeiter zu verstehen, relevante arbeitsbezogene Beziehungen zu ihnen aufbauen und sich gut organisieren zu können.
Die wichtigsten Studienergebnisse auf einen Blick:
- Führung hat Impact: 92 % der Mitarbeiter, Führungskräfte und Personalverantwortlichen sind der Meinung, dass gute Führungskräfte die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens deutlich verbessern können. 93 % der Befragten sagen, dass gute Führungskräfte die Arbeitgeberattraktivität steigern können.
- Kommunikation, Feedback und Motivation werden von Mitarbeitern und Führungskräften sehr unterschiedlich wahrgenommen – teilweise betragen die Differenzen bei den Antworten über 50-Prozentpunkte.
- Lediglich 45 % der Mitarbeiter geben an, in ihrem Job Spaß zu haben.
- Die Top-Leadership-Kompetenz ist die Fähigkeit, mit Mitarbeitern erfolgreich zu kommunizieren.
- Größte Entwicklungspotenziale sehen die Befragten unter anderem in Sachen Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterführung und kommunikativer Kompetenz.
- Kritik üben 71 % der Mitarbeiter, 65 % der Führungskräfte und 69 % der HR-Mitarbeiter an der Art und Weise, wie Führungskräfte auf ihre Rolle vorbereitet werden. Ähnlich viele sind der Meinung, dass Führungskräfte besser von HR unterstützt werden sollten. Rund ein Drittel der Führungskräfte und HR-Mitarbeiter bezweifelt die Wirksamkeit der aktuellen Führungsprogramme.
- Der Frage, ob die Einführung einer Frauenquote für die Führungsetagen in DAX-Unternehmen sinnvoll sei, stimmten lediglich 36 % der Befragten zu. Auch unter den weiblichen Befragten sind die Befürworterinnen in der Minderheit.
»Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass wertvolles Potenzial durch Defizite in der Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitern verschenkt wird«, sagt Claudia Conrads, Studienleiterin und Beraterin bei Information Factory. »Führung ist keine Einbahnstraße. Auch der Mitarbeiter trägt Verantwortung. Führungskräfte müssen stärker in den Dialog treten und Partizipation einfordern. Um das zu realisieren, bedarf es unter anderem auch besserer Unterstützung durch HR.«, ergänzt Conrads.