Unternehmen im Osten sehen sich im Vergleich zu westdeutschen Unternehmen weniger in der Pflicht, sich politisch zu positionieren, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Dafür wünscht sich auch in Ostdeutschland mehr als die Hälfte der Unternehmen von ihren Interessensvertretern eine klare Haltung gegenüber der AfD.
Unternehmen und Verbände halten sich üblicherweise mit direkten parteipolitischen Äußerungen und Bewertungen zurück: Das sei nicht unmittelbar ihre Aufgabe, heißt es oft zur Begründung. Im Umgang mit der AfD hat die Wirtschaft lange keine Ausnahme gemacht. Seitdem das »Geheimtreffen« in Potsdam Schlagzeilen machte, hat sich das geändert, zeigt eine neue IW-Studie: Demnach ist etwa jedes zweite deutsche Unternehmen der Ansicht, es sei seine Aufgabe, sich jenseits der Wirtschaftspolitik aktiv politisch zu positionieren. Dem stimmen in Ostdeutschland rund 42 Prozent zu; in Westdeutschland sogar rund 51 Prozent.
Verbände, Innungen und Kammern in der Pflicht
Knapp jedes vierte Unternehmen im Osten ist zwar der Ansicht, Unternehmen sollten sich zur AfD überhaupt nicht positionieren – doppelt so viele wie im Westen. Dennoch befürwortet auch der größte Teil der ostdeutschen Unternehmen eine politische Positionierung gegen die AfD – wenn sie denn durch Interessensvertreter wie Verbänden, Innungen und Kammern erfolgt: Es sei deren Aufgabe, gegen die AfD Haltung zu zeigen, sagen knapp 51 Prozent der ostdeutschen Unternehmen. Im Westen unterstützen etwa 58 Prozent der befragten Unternehmen diese Sicht.
AfD gefährdet Wohlstand, politische Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt
Eindeutige parteipolitische Positionierungen bergen aus Unternehmersicht stets Risiken: Andersdenkende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können mit dem eigenen Arbeitgeber fremdeln, Zulieferer und Kunden sich abwenden. Doch die AfD ist ein Sonderfall: »Für viele Unternehmen wiegen die Sorgen vor dieser Partei schwerer als das Risiko, sich politisch zu äußern«, sagt IW-Demokratieexperte und Studienautor Matthias Diermeier. »Die Radikalisierung der AfD ist der Grund für das Ende der parteipolitischen Abstinenz von Unternehmen. Denn anders als andere Parteien vergiftet sie die politische Kultur und untergräbt die freiheitlich-demokratische Grundordnung.« Mit ihrer Fundamentalopposition gegen die EU, Zuwanderung und jede Form der Klimapolitik stellt sie ganz nebenbei das deutsche Geschäftsmodell infrage.
[1] Zur Methodik: Für die Studie haben die Wissenschaftler im März und April dieses Jahres rund 900 Unternehmen im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragt, darunter waren Geschäftsführer, Vorstände oder Leiter von Strategieabteilungen in Industrieunternehmen oder Unternehmen aus industrienahen Dienstleistungen. Die Befragung wurde zur Hälfte vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) finanziert.
https://www.iwkoeln.de/studien/knut-bergmann-matthias-diermeier-parteipolitik-unternehmen-und-verbaende-die-causa-afd.html
AfD-Positionen schaden Deutschlands Digitalwirtschaft

foto pixabay cc0 geralt
Der Branchenverband Bitkom ordnet Positionen der AfD aus Perspektive der digitalen Wirtschaft ein.
Der Bitkom warnt vor den negativen Auswirkungen der AfD-Forderungen auf Deutschlands digitale Wirtschaft. Würden die von der AfD und ihren Vertretern geäußerten Positionen umgesetzt, würde die digitale Wirtschaft beschädigt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv belastet, wie es in einem aktuellen Positionspapier des Bitkom heißt [1]. Überdies stehe die Ausrichtung der AfD den Grundwerten und Zielen der deutschen Digitalwirtschaft in fast allen Feldern diametral entgegen.
»Deutschlands digitale Wirtschaft steht für Innovation und Internationalität, für eine offene Gesellschaft, weltweiten Austausch und permanenten Wandel. Die digitale Wirtschaft entwickelt Technologien, die Menschen auf der ganzen Welt verbinden, Grenzen überwinden und die Entstehung einer globalen Gemeinschaft fördern«, betont Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.
In dem Bitkom-Papier werden die konkreten inhaltlichen Positionen der AfD und ihrer führenden Vertreterinnen und Vertreter in sechs Politikfeldern untersucht und im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die digitale Wirtschaft eingeordnet. Betrachtet werden die für Bitkom-Unternehmen besonders wichtigen Themenfelder Zuwanderung, Binnenmarkt, Bildung, Nachhaltigkeit & Klimaschutz, Technologie & Innovation sowie Digitale Souveränität. So würde sich unter den Bedingungen der AfD-Politik etwa der IT-Fachkräftemangel massiv verschärfen. Bereits 2023 fehlten in Deutschland 149.000 IT-Spezialistinnen und -Spezialisten. Ohne Zuwanderung sei diese Lücke nicht zu schließen.
»In Deutschlands IT- und Telekommunikations-Unternehmen arbeiten fast 1,4 Millionen Menschen aus allen Regionen und Ländern. 180.000 Menschen sind anderer Nationalität, 70 % kommen von außerhalb der EU. Sie sind unverzichtbar für das digitale Deutschland. Vielfalt macht uns stark«, so Wintergerst. »Wenn wir Schritt halten wollen mit den führenden Innovationsstandorten wie den USA und China, müssen wir die besten IT-Fachleute der Welt nach Deutschland holen. Diese Menschen können sich aussuchen, wo sie arbeiten – wir bewerben uns bei ihnen, nicht umgekehrt. Das heißt: Deutschland muss nicht nur als Wirtschaftsstandort, es muss auch als Lebensmittelpunkt hochattraktiv sein. Wir müssen Willkommenskultur und Vielfalt leben und fördern.« Wer diese Menschen abschrecke oder abhalte, schade massiv der digitalen Wirtschaft und letztlich allen Unternehmen, die digitale Technologien einsetzen – und ihren Belegschaften.
Große Sorge bereitet der deutschen Digitalwirtschaft auch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels. »Davor die Augen zu verschließen, nimmt uns in der Wirtschaft Chancen«, heißt es in dem Papier. »Aus wissenschaftlicher Perspektive ist unstrittig, dass wir die Art und Weise, in der wir leben, wirtschaften und arbeiten klimagerecht weiterentwickeln müssen.« Es gehe darum, die Potenziale digitaler Technologien umfassend für Klima- und Umweltschutz nutzbar zu machen und gleichzeitig den Wohlstand in der Breite der Gesellschaft zu fördern.
Auch beim Thema Bildung stehen die Positionen der AfD den Bedarfen deutscher Unternehmen entgegen. So richte sich die AfD in ihrem Europawahlprogramm explizit gegen »Bestrebungen, den Unterricht generell zu digitalisieren«. Der Bitkom und seine Unternehmen stünden dagegen für ein zeitgemäßes Bildungssystem, zu dem digitale Lehr- und Lernmethoden selbstverständlich dazugehören. Schule habe die Aufgabe, junge Menschen auf die Gestaltung unserer Lebenswelt und ihre Herausforderungen umfassend vorbereiten. »In der digitalen Welt sind Medienkompetenz und digitale Fähigkeiten genauso wichtig wie der klassische schulische Bildungskanon«, betont Bitkom-Präsident Wintergerst.
Auch die AfD-Forderungen nach einem Austritt aus der EU, die grundsätzliche Technologie- und Innovationsaversion sowie ihr Ruf nach Autarkie der EU-Mitgliedstaaten lehnen die Unternehmen der deutschen Digitalwirtschaft entschieden ab. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: »Eine rückwärtsgewandte Politik, die Deutschland von den globalen Entwicklungen der digitalen Wirtschaft entkoppeln will und Grenzen hochzieht, wo wir Offenheit brauchen, ist eine massive Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erhalten und steigern und gleichzeitig die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft für alle Menschen in Deutschland verbessern. Dafür steht der Bitkom mit seinen 2.200 Unternehmen.«
[1] Download des Positionspapiers: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Einordnung-Positionen-AfD-aus-Perspektive-digitale-Wirtschaft