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Ohne direkte Mehrbelastung jüngerer Generationen: Sonderabgabe auf alle Alterseinkünfte würde einkommensschwache Rentnerinnen- und Renterhaushalte entlasten und Altersarmut reduzieren – Umverteilung nur in der gesetzlichen Rentenversicherung wäre hingegen wenig zielgenau.
Ein »Boomer-Soli« – eine Solidaritäts-Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte – kann ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Rentensystems in Deutschland sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die Abgabe würde gezielt Personen mit hohen Alterseinkünften moderat zur Kasse bitten, um einkommensschwache Rentnerinnen und Renter zu unterstützen und damit das Risiko für Altersarmut zu reduzieren. Das Besondere an dem Konzept: Umverteilt würde ausschließlich innerhalb der älteren Generation, Jüngere blieben also weitgehend verschont – im Gegensatz zu steigenden Rentenbeiträgen und Steuerzuschüssen, die nach den Plänen der neuen Koalition künftig die zunehmend klammen Kassen der gesetzlichen Rente stabilisieren sollen.
»Die Rentenpolitik hat es in den vergangenen Jahren versäumt, ausreichend finanzielle Rücklagen aufzubauen. Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher«, sagt Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin. DIW-Steuerexperte Stefan Bach ergänzt: »Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden. Ein Boomer-Soli kann helfen, für Ausgleich zu sorgen. Er träfe in erster Linie gut versorgte Ruheständler, denen es nicht allzu weh tut, einen zusätzlichen Beitrag zu leisten.«
Armutsrisikoquote im Alter würde von gut 18 auf knapp 14 Prozent sinken
Eine Sonderabgabe von zehn Prozent (nach Abzug eines Freibetrags von monatlich rund 1.000 Euro) auf alle Alterseinkünfte würde die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den höchsten Einkommen moderat belasten. Abhängig davon, ob auch Kapitaleinkünfte für den Boomer-Soli herangezogen werden oder nicht, hätten Personen in diesen Haushalten ein um drei bis vier Prozent geringeres Nettoäquivalenzeinkommen. Das unterste Fünftel der Einkommensverteilung würde über höhere gesetzliche Renten deutlich profitieren. Die Einkommen stiegen dort um zehn bis elf Prozent. Das würde sich auch in der Armutsrisikoquote niederschlagen, die von gut 18 auf knapp 14 Prozent sänke.
Ein Vorteil des Boomer-Solis liegt in seiner breiten Bemessungsgrundlage: Herangezogen würden nicht nur gesetzliche Renten, sondern auch private und betriebliche Renten sowie sonstige Versorgungsbezüge, außerdem Pensionen von Beamten und gegebenenfalls Vermögenseinkommen. Der Boomer-Soli würde also auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die gesetzliche Rente für viele wohlhabende Haushalte oft nur eine geringere Rolle spielt und sonstige Alterseinkünfte wie Betriebsrenten oder auch Vermögenseinkommen einen deutlich größeren Anteil am Einkommen haben.
Das erklärt auch, weshalb eine reine Umverteilung von Anwartschaften innerhalb der gesetzlichen Rente, wie sie etwa der Sachverständigenrat für Wirtschaft angeregt hat, einkommensstärkere Rentnerhaushalte deutlich weniger belasten würde. »Die Rentenpunkte in der gesetzlichen Rente sind kein guter Indikator für ein hohes oder niedriges Haushaltseinkommen – von daher wäre es wenig zielgenau, nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung umzuverteilen«, erklärt DIW-Rentenexperte Maximilian Blesch.
Boomer-Soli möglicherweise mit Nebenwirkungen
Die Studienautoren betonen aber, dass es letztlich von der politischen Zielsetzung abhänge, wie die Lasten zwischen älteren und jüngeren Generationen verteilt werden sollen. In allen Varianten sei die Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte aber einer Umverteilung nur in der gesetzlichen Rente vorzuziehen. Nebenwirkungen gäbe es dennoch: Auch wenn Erwerbseinkommen durch die Abgabe nicht direkt belastet werden, könnten langfristig sogenannte intertemporale Effekte entstehen: Wer heute arbeitet und vorsorgt, muss damit rechnen, im Alter zusätzliche belastet zu werden – das könnte die Motivation zur Erwerbsarbeit oder zum Sparen für das Alter verringern.
Links
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Studie im DIW Wochenbericht 29/2025
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Video: „Nachgeforscht“ bei Maximilian Blesch und Stefan Bach
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Interview mit Maximilian Blesch
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Audio-Interview mit Maximilien Blesch (MP3, 10.82 MB)
Was ist Deutschlands Rentenproblem?

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Das deutsche Rentensystem gerät zunehmend in Schieflage. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten der Deutschen Rentenversicherung. Demnach wächst die Zahl der Rentner stärker als die der Beitragszahler: Die Zahl der Beitragszahler ist seit 1992 um 23,4 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Altersrentner allerdings um 58,3 Prozent zu. Diese Entwicklung zeigt anschaulich, dass der demografische Wandel ist in Deutschland in vollem Gang ist. Wie stark die deutsche Bevölkerung altert, zeigt die Statista-Grafik auf Basis der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes.
Rechnerisch stehen einem Altersrentner aktuell 2,1 Beitragszahler gegenüber. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch solider: hier kamen auf einen Altersrentner sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen. 1992 schließlich kommen nur noch 2,7 Beitragszahler auf einen Rentner. Im Zeitraum von 2005 bis 2023 ist das Verhältnis weitgehend konstant (1 zu 2,0 bis 1 zu 2,1). Da allerdings demnächst die so genannte Babyboom-Generation in Rente gehen wird, wird das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern in Zukunft weiter abnehmen.
Prognosen des IW Köln zufolge kommen im Jahr 2030 auf einen Rentner noch 1,5 Beitragszahler. Im Jahr 2050 könnten es sogar nur noch 1,3 Beitragszahler sein. Als Babyboomber werden die geburtenstarken Jahrgänge der Zeit von 1955 bis 1965 bezeichnet. Gleichzeitig schrumpft mit ihrem Ruhestand die Größe der Erwerbsbevölkerung und damit auch die Zahl der potenziellen Beitragszahler.
Die neue Bundesarbeitsministerin Bas hatte kürzlich vorgeschlagen, dass künftig auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollen. Eine neue Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt allerdings, dass dieser Vorschlag zum einen für Beamte hohe Kosten in Höhe von 20 Milliarden Euro verursachen würde. Zum anderen flössen zwar kurzfristig mehr Beiträge in das System. Langfristig würden aber auch die Ausgaben steigen – denn auch die künftigen Beamtenrenten müssten ja aus dem Umlagesystem gezahlt werden. Matthias Janson
Wie schnell altert Deutschland?
Der Anteil der Menschen im Alter von 65+ an der deutschen Gesamtbevölkerung wird immer größer. Wie die Statista-Grafik für den Zeitraum ab 1991 mit Daten des Statistischen Bundesamts zeigt, ist dieser Anteil von 15,0 auf 22,7 Prozent angestiegen. Besonders stark gewachsen ist dabei der Anteil der Menschen ab 80 Jahren. Die Gruppe der Menschen zwischen 65 und 79 hat im Zeitraum zwischen 2009 und 2021 abgenommen, seit 2022 ist auch hier wieder ein Zuwachs zu beobachten.
Der steigende Anteil älterer Menschen in Deutschland ist Teil eines größeren demografischen Wandels, der viele Industrieländer betrifft. Er hat weitreichende Folgen für Renten und Sozialsysteme, den Arbeitsmarkt, den Wohnungsbau sowie für Pflege & Gesundheitssystem. Insbesondere das deutsche Rentensystem gerät zunehmend in Schieflage. So wächst die Zahl der Rentner stärker als die der Beitragszahler: Die Zahl der Beitragszahler ist in den vergangenen drei Jahrzehnten um rund 21 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Altersrentner allerdings um 56 Prozent zu.
Die Zahl der älteren Menschen nimmt in Deutschland nicht nur relativ, sondern auch absolut zu. Dies hat vor allem etwas mit der steigenden Lebenserwartung zu tun: Menschen leben heute deutlich länger als früher, was mit einer besseren medizinischen Versorgung, einem höheren Lebensstandard und einem gesunderen Lebensstil zu tun hat.
Zugleich ist die Geburtenrate heute deutlich niedriger als in den 1990er Jahren. Wurden 1997 noch über 810.000 Neugeborene gezählt, ging die Zahl der Geburten in den folgenden knapp 15 Jahren fast stetig zurück. Im Jahr 2011 wurde der Tiefstwert seit der Wiedervereinigung erreicht, das Statistische Bundesamt zählte in dem Jahr ca. 662.000 Geburten. In den folgenden fünf Jahren stiegen die Geburtenzahlen wieder deutlich an, gingen zwischen 2017 und 2020 allerdings auch wieder zurück, bevor 2021 ein neuer Höchststand seit dem Jahr 1997 erreicht wurde. Seit 2022 gab es dann wieder einen Rückgang. Matthias Janson
Wie ist das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen in Deutschland?
In Deutschland ist die Geburtenbilanz seit vielen Jahren negativ. Das zeigt die Infografik von Statista auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts. Den letzten Geburtenüberschuss gab es demzufolge im Jahr 1971 − seitdem übersteigt die jährliche Zahl der Todesfälle die der Geburten. Im letzten Jahr standen den 677.117 Neugeborenen 1.007.758 Todesfälle gegenüber – dadurch ergibt sich ein Geburtendefizit von -330.641. Dies ist das zweithöchste Defizit seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
1975 lag das Defizit schon bei rund -207.000, bevor es sich bis 1988 wieder erholte (-8.000). Anschließend hat sich der Wert in der Tendenz erneut vergrößert. Eine wesentliche Ursache für den momentanen Anstieg ist laut BiB die zunehmende Alterung der Bevölkerung: Die gestiegene Lebenserwartung und das Nachrücken stark besetzter Jahrgänge in ein höheres Lebensalter habe die Zahl alter Menschen ansteigen lassen. Auch eine konstante oder wachsende Kinderzahl führe dann zu einem steigenden Geburtendefizit. Dieser langfristige demografische Trend habe sich schon seit Jahren abgezeichnet. Der Einfluss der Corona-Sterblichkeit auf diese Entwicklung verstärkte den Effekt, war aber nicht maßgeblich.
Die Anzahl der Länder, in denen innerhalb eines Jahres mehr Menschen sterben als geboren werden, nimmt stetig zu. Das zeigt diese Weltkarte, die ebenfalls auf Daten des BiB basiert. Deutschland war dabei weltweit das erste Land, in dem es solch einen Sterbeüberschuss gab: seit dem Jahr 1972 werden hier Jahr für Jahr weniger Menschen geboren als dass Menschen sterben. Matthias Janson
Weniger Geburten – mehr Sterbefälle
Die Anzahl der Länder, in denen innerhalb eines Jahres mehr Menschen sterben als geboren werden, nimmt stetig zu. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die auf UN-Daten basiert. Demzufolge geht der »natürliche Saldo« aus Geburten und Sterbefällen weltweit zurück, weil die Fertilität rückläufig ist und die Bevölkerungen zunehmend altern. Deutschland ist dabei weltweit das erste Land, in dem es solch einen Sterbeüberschuss gibt: seit dem Jahr 1972 werden hier Jahr für Jahr weniger Menschen geboren als dass Menschen sterben. Vor 1990 trifft das außerdem auf Ungarn (1982) und Tschechien (1986) zu. Um die Mitte dieses Jahrhunderts werden mit Ausnahme von Norwegen und Schweden alle Länder in Europa einen negativen natürlichen Saldo entwickeln. Weltweit gehören dann auch so bevölkerungsreiche Länder wie Brasilien und China zu dieser Gruppe, und nach 2050 werden zahlreiche weitere weniger entwickelte Länder, darunter zum Beispiel Indien, vor der gleichen Herausforderung stehen.
Ein Sterbeüberschuss bedeutet dabei nicht automatisch, dass die Bevölkerung kleiner wird. Ob die Bevölkerung in den betroffenen Ländern tatsächlich sinkt, hängt nach Einschätzung des BiB allein vom Migrationsgeschehen ab. Deutschland profitiert dabei von einem Zuwanderungsüberschuss: Der Wanderungssaldo, also der Saldo der Zuzüge und Fortzüge, ist in den meisten Jahren positiv gewesen. Ein positiver Wert bedeutet, dass mehr Menschen nach Deutschland zugezogen als aus Deutschland fortgezogen sind. Eine Reihe von Ländern in Osteuropa weist neben einem Sterbeüberschuss auch Abwanderungsüberschüsse auf, wodurch sich der Bevölkerungsrückgang beschleunigt. Matthias Janson
https://de.statista.com/infografik/26403/zeitpunkt-der-sterbeueberschuesse/
Warum entscheiden sich Deutsche gegen Kinder?
Finanzielle Beschränkungen sind der wichtigste Grund dafür, dass Menschen in Deutschland weniger Kinder haben als ursprünglich geplant. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des United Nations Population Fund (UNFPA, [1]). Auf den nachgeordneten Plätzen folgen Wohnungsprobleme wie Platzmangel oder hohe Mieten sowie das Fehlen eines geeigneten Partners. Viele Befragte haben auch Sorgen über die politische und soziale Lage der Welt insgesamt oder nennen einen Mangel an guter Kinderbetreuung als Grund. Auf den hinteren Plätzen folgen Sorgen über den Klimawandel und eine zu geringe Beteiligung des Partners an der Hausarbeit und der Kinderbetreuung.
Der UNFPA hat die Umfrage in insgesamt 14 Ländern durchgeführt, darunter auch die USA und Schweden. In Schweden werden finanzielle Beschränkungen von 19 Prozent der Befragten genannt, in den USA dagegen von 38 Prozent. Der Durchschnitt aus allen 14 Ländern, zu denen auch viele Entwicklungsländer wie Nigeria oder Marokko zählen, liegt bei 39 Prozent. Hier ist die Abweichung Deutschlands zum Länderschnitt am größten – bei den übrigen Faktoren liegt die Bundesrepublik jeweils nah an den Durchschnittswerten. Gleichwohl sind steigende Lebenshaltungskosten für viele Deutsche seit 2022 das wichtigste Problem überhaupt. Matthias Janson
[1] PDF-Download https://www.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/EN_State %20of %20World %20Population %20report %202025.pdf