Worldoffice – »Work anytime from anywhere«

Peter Wohlfarth, General Manager bei Theobald Software hofft, dass das beim Stuttgarter SAP-Spezialisten praktizierte Worldoffice-Modell andere Unternehmen inspiriert und in der Zukunft neue Perspektiven der Fernarbeit eröffnet.

 


Herr Wohlfarth, Sie sagen »Homeoffice hatten wir gestern, jetzt kommt das Worldoffice.« Wie ist das gemeint?

Wir hatten bereits vor der Corona-Pandemie eine normale Homeoffice-Regelung. Trotzdem war es schon mehr oder weniger eine Büropräsenz-Pflicht. Wir haben dann Corona zum Anlass genommen, dieses Konzept komplett über den Haufen zu werfen. Das war für uns als Software-Firma kein großes Problem, weil wir technisch schon immer darauf vorbereitet waren.

Dann haben wir in Frage gestellt, ob unsere Mitarbeiter tatsächlich in Stuttgart, unserem Hauptsitz, und Umgebung leben müssen. Denn ob sie 40 km oder 400 km weiter weg wohnen, spielt nämlich am Ende des Tages keine Rolle mehr. Eigentlich können die Mitarbeiter von überall auf der Welt arbeiten, solange bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So entschieden wir uns, dieses Modell auch nach Corona beizubehalten, und begrüßen das Konzept als eine der wenigen positiven Veränderungen, die Corona mit sich gebracht hat.

 

Peter Wohlfarth, General Manager
bei Theobald Software


Auf welche Unternehmen lässt sich dieses Modell übertragen?

Ich glaube, dass kleinere Unternehmen sich leichter damit tun. Für Konzerne wäre das eine größere Aufgabe. Aber auch hier habe ich von Menschen, die bei großen Unternehmen arbeiten, gehört, dass sie nicht wieder zurück ins Büro gehen. Grundsätzlich glaube ich, dass es auf jedes Unternehmen übertragbar ist, aber nicht auf jede Personengruppe im Unternehmen.

Es gibt Personengruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeit häufiger im Büro präsent sein müssen, etwa Produktionsleiter. Berufsgruppen, wie zum Beispiel Softwareentwickler oder Marketer, sind hingegen relativ gut geeignet, um dauerhaft im HO zu arbeiten.


Das ist ja ein attraktives Modell für Mitarbeiter. Wie muss man sich aufstellen, damit das so bleibt?

In erster Linie müssen Sie als Geschäftsführung das Konzept vorleben. Wenn ich ein Konzept einführe, muss ich auch voll dahinterstehen und es selbst für mich umsetzen. Das gilt, solange der betriebliche Ablauf gewährleistet ist. Und wenn die Mitarbeitenden außerdem merken, dass man ihnen keinen Strick daraus dreht, werden sie es auch ohne Gewissenbisse nutzen.


Es war ja auch die Angst von vielen Führungskräften und Geschäftsführern, dass die Produktivität sinkt. Trotzdem ist die Produktivität bei vielen Unternehmen um 16 % gestiegen.

Das unterschreibe ich sofort. Wenn man den Leuten die Möglichkeit gibt, flexibel und ohne Druck ihren Alltag zu gestalten, dann steigt die Produktivität. Wichtig ist nur, dass die Grenzen zwischen Berufs- und Alltagsleben nicht zu sehr verschwimmen. Gänzlich aufhalten werden wir das jedoch nicht können, da es ohnehin passieren wird, ob mit oder ohne Worldoffice. Wir sind durch die Technik viel effektiver erreichbar, können kurzfristiger Dinge erledigen und Entscheidungen treffen, weil wir die nötigen Informationen viel schneller erhalten.


Ich komme noch einmal auf Ballungszentren wie Stuttgart, München und andere zurück. Wenn ich in Stuttgart war, stand ich immer mindestens eine Stunde im Stau. Wenn ich heute am Montag oder Freitag nach München fahre, ist nichts mehr los. Wenn man jetzt außerhalb wohnt und lange Wege hat, ist es doch für viele Menschen dann auch eine Erleichterung.

Absolut. Es ist doch viel entspannter für alle, wenn die Leute nicht gestresst ankommen und sich zu Hause sofort auf die Arbeit konzentrieren können. Abgesehen davon ist das auch ganz gut für die Umwelt, was man nicht vernachlässigen darf.


Da wären wir jetzt bei der Nachhaltigkeit, die ja in aller Munde ist.

Das Thema Nachhaltigkeit wird uns noch viele Jahre lang beschäftigen. Ich finde dieses Mehr-von-zu-Hause-aus-Arbeiten hat zwei Seiten. Zum einen wird weniger gefahren. Aber gleichzeitig ist es auch so, dass man, wenn man nur ein- oder zweimal die Woche ins Büro kommt, eher zum Autofahren neigt.

Auf der anderen Seite war der verfügbare Platz vor dem Worldoffice eine große Herausforderung für uns. Das Problem hat sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst. Wir haben Springer-Arbeitsplätze eingerichtet, die mit allem ausgestattet sind, was man braucht. So hat man die Möglichkeit, mit gleichem Platz personell zu wachsen.


Ich habe noch eine Frage zu den organisatorischen Dingen, die beachtet werden müssen. Sprich steuerrechtlich, sozialversicherungstechnisch, Unterstützung für Strom. Die Leute fahren ja ins Büro, aber heute kostet der Liter Benzin unglaublich viel Geld und so weiter. Gibt es da auch eine Regelung, wie Sie das mit Theobald Software praktizieren?

Ich bin kein großer Freund von Tankgutscheinen usw. Ich finde dieses Modell überholt. Wir haben den Corona-Bonus für die heimische Infrastruktur, wie Schreibtische und Stühle, eingesetzt. Sozialversicherungstechnisch und steuerrechtlich muss man ein bisschen aufpassen. Solange man sich noch in der EU bewegt, ist alles recht einfach. Außerhalb der EU kann es schon komplizierter werden. Jetzt bedeutet Worldoffice in unserer Definition »Work anytime from anywhere«. Es ist uns völlig egal, wo du wohnst und zu welcher Uhrzeit du arbeitest. Das ist steuerrechtlich kein Problem, solange jemand die Hälfte des Jahres, genau genommen sind es 183 Tage, nicht in einem anderen Land lebt, weil man andernfalls dort lohnsteuerpflichtig wird.

Unsere nicht-deutschen Arbeitnehmer arbeiten schon mal gerne drei Monate in ihrem Heimatland. Sie können auf diese Weise nicht nur Urlaub machen, sondern auch die Zeit dafür nutzen, tagsüber zu arbeiten und abends Freunde zu treffen. Dafür ist dieses Modell perfekt geeignet. Wenn man grundsätzlich Deutschland verlassen will, gibt es andere Voraussetzungen. Dann muss man sich sozialversicherungs- und steuerseitig absichern. Darin sehen wir aber auch kein großes Problem. Wenn man von Bali aus arbeiten möchte, müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.


Das ist hervorragend. Das ist vielleicht auch die Möglichkeit, diesen vielbesagten Fachkräftemangel abzufedern, mit dem viele Unternehmen in Deutschland und Europa kämpfen. Wie sehen Sie das?

Absolut. Sie erweitern den Radius Ihrer Suche immens. Wenn wir jetzt in Spanien jemanden finden und der möchte nicht nach Deutschland, ist das okay. Die Person kann von Spanien aus arbeiten. Sie haben viel mehr Möglichkeiten, an Spezialisten heranzukommen.

Aber auch andersrum. Nicht nur neue Leute, sondern auch bestehende Mitarbeiter können besser gehalten werden. Wenn Mitarbeitende aus familiären Gründen nach Berlin ziehen, dann kann diese Person ohne Gedanken an einen möglichen neuen Arbeitgeber von dort aus für uns arbeiten. Sie haben also auch eine bessere Mitarbeiterbindung durch dieses System.

In der Vergangenheit sind Kollegen aus familiären Gründen weggezogen und haben uns verlassen, obwohl sie eigentlich bleiben wollten. Solche Fälle können wir heute super abfangen. Vor allem kleinen Unternehmen wie uns hilft es, sich besser zu positionieren und zu zeigen, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind.


Wenn man Ihre Firma betrachtet mit 45 Leuten, ein kleiner Mittelständler. Welche Kunden haben Sie? Die Großen oder die Mittleren?

Wir sind ein Spezialist für SAP-Integration mit über 30 Zielumgebungen und SAP-Schnittstellentechnologie. Das heißt, dass jeder SAP-Kunde ein potenzieller Kunde für uns ist. SAP wird natürlich erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße eingesetzt. Wir sind in dem Bereich Marktführer mit 3.500 Kunden weltweit, die auf unsere Kompetenz vertrauen. Da sind natürlich auch die ganz großen dabei, zum Beispiel 33 von 40 Dax-Unternehmen.

Das zeigt, dass auch ein relativ kleines Softwareunternehmen mit den Großen zusammenarbeiten und gleichzeitig als attraktiver Arbeitgeber agieren kann. Wir hoffen, dass unser Worldoffice-Modell andere Unternehmen inspiriert und in der Zukunft neue Möglichkeiten der Remote-Arbeit eröffnet.

 


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