Aufbau eines einheitlichen BPM-Systems – Kein Entweder-oder

Aufbau eines einheitlichen BPM-Systems – Kein Entweder-oder

Ein leistungsfähiges, sicheres und effizientes BPM-System wird zu einer Voraussetzung, um die Komplexität der IT-Systeme im Unternehmen und der gesamten Wertschöpfungskette zu steuern.

In den letzten Jahren lässt sich ein deutlicher Trend zur »Regionalisierung« von IT-Systemen und -Lösungen beobachten: Immer stärker sind es die Fachabteilungen, die als Treiber der IT-Entwicklung im Unternehmen agieren. Die Gründe dafür liegen einerseits in zunehmend ausdifferenzierten fachlichen Anforderungen. Andererseits sind inzwischen viele bereichsspezifische Kombinationen aus Geschäfts- und IT-Prozessen entstanden, die auf unterschiedliche Datenbanken und Systeme aufsetzen – etwa im Lieferantenmanagement, im Einkauf (procure to pay), bei der Umsetzung von Industrie 4.0, im Kontext von Compliance-Anforderungen oder im Vertriebs- und Kundenmanagement.

Business Process Management, als ein Ansatz zur IT-basierten Integration und kontinuierlichen Optimierung der Geschäftsprozesse, bildet diese wachsende Dezentralisierung, Systemheterogenität und fachspezifische Ausdifferenzierung ab. Das Ergebnis ist ein regelrechter Wildwuchs von sehr häufig überdimensionierten Systemen und Lösungen. Dieser Umstand konfrontiert Unternehmen mit zwei wesentlichen Problemen: Erstens entsteht eine hohe Komplexität und Kostenintensität bei Verwaltung und Archivierung der Daten, der Systempflege und dem Controlling. Zweitens lassen sich unternehmensweite Strategien zur Reduktion der Komplexität, Prozessintegration und Optimierung der abteilungsübergreifenden Abläufe nur unter hohen Ressourcenaufwänden umsetzen.

Unternehmensweites BPM – Basis von Effizienz und Performance. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aufbau eines einheitlichen BPM-Systems große Bedeutung: Es lassen sich einerseits redundante Lösungen und kostenintensive Integrationsaufwände reduzieren und andererseits über intuitiv bedienbare Dashboards einheitliche Arbeitsumgebungen und Prozessstandards etablieren. Unabhängig davon, ob die Daten aus ERP-, CRM-, SRM-Systemen, Excel-Tabellen oder Social-Media-Kanälen stammen, kann so eine unternehmensweite BPM-Suite eingeführt werden, die auch den spezifischen Fachanforderungen genügt. Die Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit der BPM-Lösung, sowohl eine umfassende Integration einzelner Systemelemente und Prozesse zu ermöglichen als auch eine weitgehende Offenheit im Hinblick auf die Systemumgebung selbst als auch die Einbindung neuer Systeme zu gewährleisten.

Spätestens mit diesen Anforderungen stellt sich die Frage nach dem grundsätzlichen Anwendungsszenario: Soll eine On-Premise-, Cloud- oder Hybrid-Lösung gewählt werden? Diese Entscheidung ist stark von den unternehmensspezifischen Anforderungen abhängig, denn jedes Szenario bietet ganz eigene Vor- und Nachteile.

BPM On-Premise: Der klassische Weg. Klassische On-Premise-Lösungen etablierter Anbieter verfügen zwar bislang nach wie vor über die besten Möglichkeiten zur Integration einzelner Komponenten, sind aber im Hinblick auf die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Plattformen beschränkt. Insbesondere für Unternehmen, die eine hohe Adaptions- und Veränderungsfähigkeit ihrer Kernprozesse aufrechterhalten müssen, kann hierin eine kritische Restriktion liegen, wenn immer wieder neue IT-Prozesse implementiert werden müssen: Beispielsweise wenn neue Kundensegmentierungen, Neustrukturierungen der Wertschöpfungskette, Veränderungen der Produktionsprozesse oder die Einführung neuer Bilanzierungs- oder Compliance-Regeln umzusetzen sind. Gewisse Vorteile bieten hier auf offenen Standards basierende Lösungen – allerdings sind auch sie an das spezifische Anforderungsprofil anzupassen und zu erweitern, was teilweise in hohem Ressourcenaufwand resultieren kann.

BPM aus der Cloud: Die Antwort auf die Komplexitätsexplosion. Eine mögliche Alternative bieten deshalb Cloud-basierte BPM-Lösungen. Deren Vorteile liegen insbesondere in der schnellen und kostengünstigen Anpassung an sich ändernde Bedarfe, da sowohl die Lizenz- und Hardwarekosten als auch die Leistungsanforderungen an die interne IT-Kompetenz deutlich niedriger sind. Beispielsweise ist ein virtueller Server für spezifische, auslagerbare Aufgaben wie die Urlaubsplanung auch für kleine Unternehmen eine attraktive Variante. BPM-Lösungen aus der Cloud bieten zudem eine wesentlich höhere operative Skalierbarkeit, was gerade im Hinblick auf volatile Märkte und Geschäftsmodelle ein wichtiger Faktor ist. So lässt sich die verfügbare Rechenleistung zum Beispiel abhängig davon skalieren, ob bei regelmäßigen Prozessen wie Rechnungsläufen am Monatsende oder beim Jahresabschluss ein höheres Daten- beziehungsweise Rechenvolumen notwendig ist. Die meisten modernen Cloud-Lösungen lassen sich darüber hinaus inzwischen einfach in bestehende Umgebungen integrieren und standardisieren zuverlässige Schnittstellen wie etwa beim Identity-Management.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Cloud-basierten Lösungen liegt in der verhältnismäßig einfachen Integration von unternehmensübergreifenden Abläufen: Die zunehmend enge Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette erfordert auch BPM-Ansätze, die nicht nur die eigenen Systeme, Datenbanken und Prozesse integrieren, sondern kollaborative Management-Lösungen ermöglichen, die im Extremfall vom Rohstofflieferanten bis hin zum Endkunden-Vertrieb reichen. Eine Aufgabe, deren Bewältigung über On-Premise-Lösungen mit enormen technologischen, rechtlichen und finanziellen Herausforderungen einhergeht.

Gleichzeitig sind jedoch auch die Probleme, die eine BPM-Lösung aus der Cloud mit sich bringt, zu beachten. Neben dem – in den letzten Jahren häufig diskutierten – Verlust der Kontrolle über die IT-Systeme liegen diese insbesondere bei der Verfügbarkeit und Sicherheit der eigenen Lösungen und Daten. Gerade bei einer Verlagerung sensibler Unternehmens- und Kundendaten in die Cloud bedarf es einer genauen Prüfung und detaillierten Planung: welche Daten möchte man dort ablegen, vertraut man dem Anbieter, ist dieser ausreichend zertifiziert oder bedarf es der Einwilligung der betroffenen Personen oder Unternehmen?

Die Klärung dieser (und weiterer) Fragen ist von entscheidender Bedeutung, um möglichen Gefahren präventiv zu begegnen. Ansonsten drohen der Verlust wettbewerbsrelevanter Informationen, Reputationsverluste oder sogar gravierende rechtliche Folgen bei der Missachtung von Richtlinien und Gesetzen. Besonders wichtig ist dies beispielsweise im Gesundheitswesen, bei Rechts- und Finanzdienstleistern oder im öffentlichen Dienst. Aber auch bei global agierenden Unternehmen, die bei ihrem Wertschöpfungs- und Risiko-Management die Rechtssysteme mehrerer Staaten beachten müssen, ist dies nicht zu unterschätzen.

Hinzu kommen weitere Betrachtungen hinsichtlich der Datensicherheit: hier sollten Unternehmen wissen, wie das Backup und vor allem die Wiederherstellung der Daten erfolgen und was passiert, wenn der Anbieter seinen Dienst eventuell sogar einstellt. Und nicht zuletzt setzt die Nutzung einer Cloud-Lösung auch eine stabile und ausreichend dimensionierte Internetanbindung voraus, die außerhalb der großen Ballungszentren nach wie vor noch immer nicht gesichert ist.

Hybrides BPM: Das Beste aus beiden Welten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten hybride Modelle: Sie ermöglichen den Aufbau von unternehmensweiten BPM-Systemen, die die unbestreitbaren Vorteile von Cloud-basierten Lösungen mit der höheren Sicherheit und tiefgreifender Integration von On-Premise-Ansätzen verbinden. Der größte Vorteil eines hybriden BPM liegt darin, dass die BPM-Engine zwar in der Cloud läuft, die Daten aber im Unternehmen bleiben. Dies kommt nicht nur den gesetzlichen Regelungen oder unternehmensinternen Vorgaben entgegen, die eine Datenspeicherung an bestimmten nationalen Standorten strikt vorschreiben. Hybrid-Lösungen müssen dabei vor allem die zwei Welten des CIOs und des Nutzers vereinen: die Komplexität der Architektur, die zur Migration der Daten notwendig ist, sollte sich nicht negativ auf die Benutzerfreundlichkeit auswirken.

Der größte Vorteil solcher und weiterer Hybrid-Anwendungen liegt in ihrer schnellen Anpassungs- beziehungsweise Vernetzungsfähigkeit mit anderen Datenquellen, etwa von Kunden und Partnern. Hat zum Beispiel ein Zulieferer eine innovative Anwendung zum Monitoring seiner Produktionstaktung in seiner Cloud entwickelt, kann eine Anbindung an das eigene System erst einmal virtuell getestet werden. Das lässt genug Spielraum für die Entscheidung, ob man etwa eine gemeinsame Produktionsumgebung in der Cloud startet und skaliert – oder bei einer On-Premise-Lösung bleibt. So vermeidet man Fehlinvestitionen und erreicht bestmögliche Netzwerkleistung sowie niedrigste Reaktionszeiten zwischen den Anwendungskomponenten.

Fazit. Der Trend zur vollständigen Digitalisierung von Wertschöpfungsprozessen ist bereits heute eindeutig erkennbar – eine Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren weiter intensivieren wird. Ein leistungsfähiges, sicheres und effizientes BPM-System wird deshalb künftig zu einer Voraussetzung werden, um die Komplexität der IT-Systeme im Unternehmen und der gesamten Wertschöpfungskette zu steuern. Die Frage, für welchen Ansatz man sich entscheidet – On-Premise, Cloud oder Hybrid – hängt dabei stark von der Struktur, der Strategie, den rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens ab. In jedem Fall sollte jedoch eine Lösung gewählt werden, die eine Weiterentwicklung des Unternehmens unterstützt anstatt zum Showstopper künftig notwendiger Veränderungen zu werden.


Gianluca DeLorenzis ist CEO der FGND Group (www.fgnd.de). Er berät mittelständische Unternehmen und Konzerne bei der Lösung komplexer technologischer Herausforderungen und bei der Entwicklung zukunftssicherer IT-Strategien. Seit 20 Jahren ist Gianluca DeLorenzis als Projektmanager, Entwickler und Infrastruktur-Spezialist in der IT-Branche tätig.
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