Für viele deutsche und europäische Anbieter von Cloud-Diensten und ihre Kunden stellen unfaire Software-Lizenzierungspraktiken ein dringendes Problem dar. Sie schaden dem Wettbewerb und dem Innovationsstandort Deutschland, da sie Nutzer an einzelne Softwareanbieter binden. Ein Wechsel zu alternativen Anbietern, etwa zu innovativen Cloud-Lösungen, ist mit hohen Kosten und großem Aufwand verbunden und wird durch unzulässige Lizenzbedingungen zusätzlich erschwert.
Die Kopplungspraktiken von Microsoft haben beispielsweise den Anbieter freier Software Nextcloud dazu veranlasst, im November vergangenen Jahres eine Beschwerde beim Bundeskartellamt einzureichen. Der Beschwerde zufolge missbrauche Microsoft seine De-facto-Monopolstellung bei Windows und Office, um Nutzer in die eigenen Cloud-Lösung »One Drive« zu drücken.
CISPE, die Vereinigung europäischer Cloud-Infrastruktur-Betreiber, veröffentlichte vor diesem Hintergrund kürzlich 10 Grundsätze für eine faire Software-Lizenzierung im Cloud-Bereich [1]. Denn die massiven Einschränkungen gerade bei der Migration in die Cloud und hohe Lizenzgebühren vonseiten großer Softwarehersteller bedrohen den digitalen Wandel in Deutschland und Europa.
Lock-in-Effekte werden toleriert. Wenn ein Unternehmen seine lizenzierte Software outsourcen und zum Beispiel mit in die Cloud nehmen möchte, benötigt es oft eine kostenpflichtige Zusatzlizenz. Bei manchen Cloud-Providern legt der Softwarehersteller sogar generell ein Veto ein. Dies führt in vielen Fällen zu einem Lock-in-Effekt: Die Kunden sind in der Abhängigkeit vom jeweiligen Softwarehersteller gefangen. Erstaunlicherweise akzeptiert ein großer Teil der Unternehmen diese Praktiken fast klaglos, weil er sich den Software-Marktführern ausgeliefert fühlt. Es fehlen technische Alternativen, oder aber eine Migration wäre zu aufwändig. Deshalb verzichten viele Nutzer darauf, die Lizenzbedingungen ihrer Softwarelieferanten auf Verstöße gegen Kartell-, Urheber- oder Vertragsrecht zu prüfen und eine eventuelle Unwirksamkeit vor Gericht geltend zu machen – obwohl das geltende Recht in Deutschland die nötigen Werkzeuge dafür vorhält.
Klare Regeln für faire Lizenzen. Der europäische Verband CISPE formuliert angesichts dieser Missverhältnisse zusammen mit dem französischen Verband CIGREF klare Regeln, wie solche fairen Lizenzen ausgestaltet werden sollten. Wesentliche Forderungen an die Softwarehersteller umfassen unter anderem, dass Lizenzbedingungen klar und verständlich formuliert sein sollten, Cloud-Wahlmöglichkeiten nicht bestraft werden und es eine Gleichbehandlung von Software-Lizenzgebühren in der Cloud gibt.
Demnach sollten Softwareanbieter beispielsweise keine unterschiedlichen Preise für dieselbe Software verlangen, abhängig allein davon, auf wessen Hardware die Software installiert ist. Die Preise für Software sollten nicht danach unterscheiden, ob die Software im kundeneigenen Rechenzentrum installiert ist, in einem Rechenzentrum, das von Dritten betrieben wird, auf Computern, die von Dritten gemietet wurden, oder in der Cloud – es sei denn, die Kosten für die jeweiligen Installationen sind tatsächlich unterschiedlich.
Zusätzliche Rechtsklarheit durch den Digital Markets Act (DMA). Zwar gibt es schon nach geltendem Recht vielfältige Möglichkeiten, gegen ein unzulässiges »Bundling« durch marktbeherrschende Softwareanbieter beziehungsweise entsprechende Lizenzpraktiken vorzugehen. Für weitere Rechtsklarheit könnte hier auf europäischer Ebene der geplante Digital Markets Act (DMA) sorgen. Hier bietet sich eine Chance, Bewegung in die festgefahrenen Machtverhältnisse zwischen Softwareanbietern und Softwarenutzern zu bringen. Während der DMA dafür sorgen soll, unlautere Marktpraktiken von sogenannten Gatekeepern zu verhindern, müssen auch Softwareanbieter als ebensolche identifiziert und reglementiert werden.
10 Grundsätze einer fairen Softwarelizenzierung
- Lizenzbestimmungen sollten klar und verständlich sein
- Recht zur Mitnahme bereits erworbener Software in die Cloud
- Recht zur Nutzung von On-Premises-Software des Kunden in der Cloud seiner Wahl
- Kostenreduzierung durch effiziente Nutzung von Hardware
- Keine Strafmaßnahmen gegen Cloud-Wahlmöglichkeiten
- Vermeidung ausschließlicher Kundenbindung durch interoperable Directory Software
- Gleichbehandlung von Softwarelizenzgebühren in der Cloud
- Erlaubte Softwarenutzungen sollten verlässlich und planbar sein
- Lizenzen sollten vernünftigerweise zu erwartende Softwarenutzungen einschließen
- Faire Softwareübertragungen
https://cispe.cloud
[1] https://www.fairsoftware.cloud/de/10-grundsaetze/