Rezession: Arbeitnehmer im DACH-Raum sind trotzdem optimistisch und wechselwillig

Illustration: Absmeier Geralt

  • 67 Prozent der Arbeitnehmer im DACH-Raum gehen von einer Rezession innerhalb der nächsten sechs Monate aus.
  • Drei Viertel der Beschäftigten ziehen trotzdem einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung, wenn damit bessere Chancen verbunden sind.
  • Die Werte und die Mission von Unternehmen spielen für 80 Prozent eine zentrale Rolle.

 

Trotz drohender Rezession ist die Bereitschaft von Arbeitnehmer im DACH-Raum, innerhalb der nächsten sechs Monate eine neue Stelle anzutreten, hoch. Das zeigt der neue Greenhouse Candidate Economic Sentiment Report [1]. Die Studie, für die mehr als 1.000 Arbeitnehmer in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden, ergab, dass nahezu drei Viertel (74 Prozent) der Befragten in den nächsten sechs Monaten einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung ziehen würden. Lediglich 17 Prozent würden von einem Wechsel des Arbeitsplatzes absehen. Gleichzeitig rechnen mehr als 67 Prozent mit einer Rezession innerhalb der kommenden sechs Monate. Insgesamt sieht die Mehrheit die Entwicklung des Arbeitsmarktes optimistisch: Nur ein knappes Drittel erwartet, dass die Löhne im Zuge einer Rezession sinken werden.

»Eine Rezession bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung ist ein durchaus realistisches Szenario. In diesem Fall hätten Bewerber im Einstellungsprozess weiterhin sehr gute Karten«, sagt Daniel Chait, CEO und Mitgründer von Greenhouse. »Unternehmen müssen weiterhin um Talente konkurrieren. Zum ersten Mal könnten Kandidat von einer Rezession sogar profitieren.«

Arbeitnehmer gegen eine 42-Stunden-Arbeitswoche

Auch die Diskussion über die Einführung einer 42-Stunden-Woche beschäftigt die Arbeitnehmenden: 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die 42-Stunden-Arbeitswoche nicht der richtige Weg ist, um den Fachkräftemangel zu kompensieren. Die Mehrheit (39 Prozent) glaubt, dass die beste Lösung darin bestehe, die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu verbessern, um Talente anzuziehen und langfristig zu halten. Weitere 20 Prozent finden, dass mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden müssten. Im Falle einer Erhöhung der Arbeitszeit in einem Unternehmen würden 40 Prozent der Befragten erwägen, das Unternehmen zeitnah zu verlassen, weitere 32 Prozent würden sich die Entscheidung noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

 

Werte wichtiger als Vergütungspaket

Während die allgemeine Wechselbereitschaft der Arbeitnehmenden im DACH-Raum hoch ist, schätzen sie an Arbeitgebenden vor allem die Sicherheit des Arbeitsplatzes (64 Prozent), gefolgt von flexibler und hybrider Arbeit (47 Prozent), hohen Löhnen (45 Prozent) sowie einer offenen Unternehmenskultur (38 Prozent). Dennoch sind die Unternehmenskultur und die Werte – oder deren Fehlen – ausschlaggebend für die Bindung an ein Unternehmen.

Hinsichtlich der Werte und politischen Ansichten sind die Befragten am wenigsten kompromissbereit. Für fast 80 Prozent ist es wichtig, dass die Mission und die Werte eines Unternehmens mit ihren eigenen Überzeugungen übereinstimmen. Ein Drittel der Befragten würde den Arbeitgeber wechseln, wenn die politische Haltung eines Unternehmens nicht ihren eigenen Ansichten entspräche. 54 Prozent sagen, ihr Unternehmen sollte sich für gesellschaftliche Belange einsetzen, an die sie glauben. Fast 75 Prozent geben an, dass das Engagement ihres Unternehmens für Nachhaltigkeit für sie wichtig ist.

Noch entschiedener äußern sich die Beschäftigten, wenn es um mangelnde Transparenz und Offenheit bei wichtigen Unternehmensentscheidungen geht, wie zum Beispiel verlangsamtes Wachstum oder Entlassungen. Fast 80 Prozent geben an, dass es sich auf ihre Loyalität auswirken könnte, wenn ihr Unternehmen in diesen Bereichen nicht transparent ist, wobei fast 55 Prozent von ihnen sofort ihre Loyalität zum Unternehmen in Frage stellen.

Auch der Ruf eines Unternehmens leidet langfristig unter Fehlentscheidungen. Nur 29 Prozent der Befragten würden für ein Unternehmen arbeiten wollen, das in der Vergangenheit Massenentlassungen vorgenommen hat. Ein klares Meinungsbild ergibt sich auch bei der Frage, ob Vorstandsvorsitzende oder Manager, die Massenentlassungen durchgeführt haben, Anspruch auf ihren Jahresbonus haben sollten: Fast 60 Prozent sind gegen eine solche Auszahlung.

Anders sieht es hingegen bei Kürzungen von Vergütungspaketen und Einschränkungen von Leistungen – wie der Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, flexiblen Arbeitszeiten und Initiativen für Wellness und mentale Gesundheit – aus. Nur ein knappes Drittel der Befragten würde ein Unternehmen verlassen, wenn es aufgrund der Rezession hier zu Kürzungen käme. Die anderen zwei Drittel sind unentschlossen oder betrachten dies nicht als Grund für einen Jobwechsel. Außerdem würden Arbeitnehmer eher auf die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, verzichten (45 Prozent) als auf die anderen genannten Zusatzleistungen (34 Prozent). Gleichzeitig erfahren flexible Arbeitsplatzregelungen mehr Wertschätzung.

 

Daniel Chait bewertet die Ergebnisse wie folgt: »Übergeordnet zeigt die Studie, dass Unternehmen bei der Bewältigung möglicher Krisen langfristig denken müssen. Die Rekrutierung von Mitarbeiter kann man nicht einfach unterbrechen. Auch wenn ein Personalabbau in manchen Situationen eine angemessene Strategie sein kann, müssen Unternehmen einen wohlüberlegten und zukunftsorientierten Ansatz in Bezug auf Talent und Betrieb verfolgen. Die Vergangenheit lässt sich nicht verdrängen, das Internet vergisst nie, und Unternehmen, die übereilt große personelle Einschnitte vornehmen, könnten später unter den Folgen leiden. Es ist für Unternehmen langfristig von Vorteil, Talente zu fördern, statt sie zu entlassen.”

 

 

[1] Greenhouse, ein US-amerikanisches Unternehmen für Einstellungssoftware, hat mehr als 1.000 Personen zwischen ab 18 Jahren befragt, die derzeit in Deutschland, Österreich oder der Schweiz beschäftigt sind und dort wohnen.