Anwendungsmodernisierungsprojekt bei Asolvi bringt Field-Service-Management-Software Evatic von VB6 nach .NET und Cloud

Als Asolvi vor über 30 Jahren in Trondheim gegründet wurde, hieß das Unternehmen noch Evatic. Damals war das erste Produkt die gleichnamige Software für das Field Service Management (FSM) für Druckerwartungsdienstleister. Nach Jahren der europaweiten Expansion und einer Reihe von Akquisitionen ist das 2018 umbenannte Unternehmen heute Marktführer im Bereich FSM-Software für unterschiedliche Branchen. Nach wie vor bleibt Managed Print das Kerngeschäft und die seinerzeit in Visual Basic 6 (VB6) entwickelte Software das umsatzstärkste Produkt. Ein neunmonatiges Anwendungsmodernisierungsprojekt half, die Beschränkungen der alten VB6-Plattform zurückzulassen und die über Jahrzehnte gewachsene umfangreiche Funktionalität in eine Browser-Lösung unter C#.NET zu überführen – mit vollem Funktionsumfang vom ersten Tag an.

Von der Zählerabrechnung über die Aufgabenplanung für den Außendienst, Abwicklung von Supportanfragen bis hin zur Lagerhaltung und Rechnungsstellung bietet Evatic alles, was Druckerwartungsdienstleister für ihr Geschäft mit Services und Verbrauchsmaterialien benötigen. »Mit seiner umfangreichen Funktionalität und großen installierten Basis in ganz Europa ist Evatic sowohl für Asolvi als auch für unsere Kunden von strategischer Bedeutung«, sagt Arne Uppheim, Chief Products Officer bei Asolvi. »Die Modernisierung dieser VB6-Anwendung war von äußerster Wichtigkeit, und wir haben mehrere Ansätze unters ucht, um dieses Ziel zu erreichen.«

Zusätzlich zu den zunehmenden technischen Problemen mit der inzwischen offiziell abgekündigten Microsoft-Entwicklungsumgebung war es auch immer schwieriger geworden, Entwickler für die Mitarbeit zu begeistern. Vor allem aber beeinträchtigte die Plattformwahl mittlerweile das Neukundengeschäft, weil man der Lösung ihre Herkunft aus den 1990er-Jahren deutlich ansah. »Spätestens wenn ich einem Kunden nicht mehr versichern kann, dass meine Software auch zukünftigen Anforderung gerecht werden wird, ist die Zeit für einen Plattformwechsel gekommen«, bringt es Uppheim auf den Punkt.

 

Eine Plattform für die Zukunft. Die Planungen für den Plattformwechsel begannen 2020 und umfassten einen Wechsel auf das moderne .NET-Framework mit der zugehörigen Entwicklungssprache C#, eine Auffrischung der Benutzeroberfläche und vor allem die Nutzbarkeit der Software im Browser, um die aufwändige Installation auf den einzelnen Arbeitsplätzen zu ersparen. Mittelfristig sollte so ein Cloud-Geschäftsmodell realisiert werden.

»Die technischen Herausforderungen hätten wir gut meistern können«, erläutert Uppheim. »Wir haben bereits andere web- und cloudbasierte Softwareprodukte, auf denen wir hätten aufbauen können.« Es wäre jedoch ein riesiges Unterfangen gewesen, die gesamte, sehr umfangreiche Funktionalität von Evatic auf einer moderneren Plattform nachzubilden. Ein solches Projekt hätte sich über einen längeren Zeitraum negativ auf die Entwicklung anderer Produkte ausgewirkt. »Die damit verbundenen Risiken, Kosten und Zeitabläufe wollten wir uns nicht einhandeln«, so Uppheim.

Deshalb fiel die Entscheidung für einen anderen Ansatz: Basis für die Modernisierung sollte der vorhandene VB6-Code sein, der mit voller Funktionalität von einem externen Dienstleister auf .NET und zugleich ins Web gebracht werden sollte. »Entsprechende Anbieter am Markt haben wir einige gefunden«, erinnert sich Uppheim. Nach Sichtung der unterschiedlichen Vorgehensmodelle fiel die Entscheidung auf fecher, einen auf Anwendungsmodernisierung spezialisierten Dienstleister aus der Nähe von Frankfurt. Hier war genügend Erfahrung mit vergleichbaren Projekten vorhanden und das Feedback der befragten Referenzkunden fiel ausgesprochen positiv aus. Auch konnte der technische Ansatz überzeugen, die Umstellung so weit wie möglich mit kommerziellen Automatisationswerkzeugen, dann mit fecher-eigenen Werkzeugen und nur wo unbedingt nötig manuell vorzunehmen.

Den Beweis angetreten. »Dieser Projektansatz sollte zu einer verhältnismäßig kurzen Realisierungszeit führen und versprach den besten Return of Invest aller angebotenen Alternativen. Dass der garantierte Festpreis obendrein noch das wirtschaftliche Risiko aus dem Projekt nehmen würde, sprach ebenfalls dafür«, so Uppheim. Nach einem Pilotprojekt, in dem fecher an einigen repräsentativ ausgewählten Modulen beweisen konnte, dass der vorgeschlagene Ansatz auch mit dem Code von Asolvi funktionierte, waren die letzten Zweifel beseitigt. Zum Jahreswechsel 2021 fiel schließlich der Startschuss für das gemeinsame Migrationsprojekt.

Beim Kick-off Mitte Januar trafen die frisch gegründeten Projektteams beider Seiten letzte Absprachen und setzten eine Sharepoint-Plattform für die gemeinsame Projektkommunikation auf. Im Anschluss erhielt fecher den VB6-Quellcode der vollständigen Anwendung. In den folgenden Wochen waren die Anwendungsmodernisierer damit beschäftigt, diesen nach C#.NET zu übertragen und durch Einbindung des Wisej-Frameworks auf Web-Technologie umzustellen, bis im Mai schließlich eine erste kompilierbare Fassung des so entstandenen neuen Softwareprojekts zur Verfügung stand.

Parallel dazu arbeiteten bei Asolvi vier Entwickler und Support-Mitarbeiter daran, alle wichtigen Anwendungsszenarien in Evatic nachzustellen und als Screen-Videos aufzuzeichnen, damit sie später für die Tester bei fecher nachvollziehbar wurden. »Im Lauf von sechs Wochen sind so gut 100 Videos mit jeweils rund fünf Minuten Länge entstanden«, berichtet der Product Manager für Evatic, Raphaël Aydin. »Mit dieser Aufgabe haben wir bewusst Mitarbeiter betraut, die das Produkt seit vielen Jahren kennen und deshalb wussten, welchen kritischen Abläufe besondere Aufmerksamkeit beim Testen gewidmet werden sollte.«

 

Gute Zusammenarbeit ist alles. Die in Sharepoint eingestellten Videos nutzte das fecher-Team nicht nur, um die einwandfreie Funktionalität der migrierten Web-Anwendung zu überprüfen. Auch die Benutzerfreundlichkeit konnte so noch einmal optimiert werden. »Wir haben uns entschieden, die Benutzeroberfläche des neuen Evatic zu verbessern und dabei die Vertrautheit mit der alten Benutzeroberfläche zu erhalten«, erläutert Aydin. »Einerseits sollten die Benutzer ohne Umlernen mit der neuen Software weiterarbeiten können. Andererseits war das Ziel ein deutlich erkennbares modernes Look-and-Feel.« Für letzteres sorgten detaillierte Vorlagen und Vorgaben des Web-Designers von Asolvi, die fecher sorgfältig umsetzte. »Und wo es für eine bessere Bedienung sinnvoll schien, haben wir schon Felder neu arrangiert oder ganze Funktionsbereiche von Bildschirmmasken umgestellt.«

Solche und andere wichtige Entscheidungen wurden gemeinsam getroffen, wobei wiederum Sharepoint als Zusammenarbeitsplattform eine wichtige Rolle spielte: Ab Juli wurden die von fecher als fertig getestet markierten Funktionen vom Asolvi-Team nachbearbeitet und entweder als endgültig abgenommen markiert oder in den regelmäßigen Projektbesprechungen zur Diskussion gestellt. So fiel auch ein Problem mit der Drag-and-Drop-Funktionalität im Planungsmodul auf, mit der anstehende Service-Einsätze einzelnen Kundendienstmitarbeitern zugewiesen werden sollten. Hier verhielt sich das verwendete Wisej-Framework im Browser nicht genauso wie VB6 zuvor auf dem Desktop. Letzten Endes konnte fecher jedoch durch den Einsatz einer zusätzlichen Framework-Komponente für Abhilfe sorgen.

Auch an anderer Stelle machte der Paradigmenwechsel vom Desktop zum Browser neue Konzepte erforderlich. So wurde im Rahmen der Migration das gesamte Dokumenten- und Output-Management auf eine neue Basis gestellt. »Während die Vorschau einer generierten Rechnung heute mit dem Web-Preview von ActiveReports erfolgt, wird für den Ausdruck schließlich eine PDF-Datei an den Client übermittelt«, berichtet Aydin.

Fazit und Ausblick. »Mit solchen kreativen Lösungen ist es fecher gelungen, eine Abbildung der vollständigen Anwendungsfunktionalität im Webbrowser sicherzustellen«, fasst Aydin zusammen. Entsprechend fiel das Feedback aus, als die migrierte Lösung im September pünktlich fertig war und der Feldtest bei den ersten Kunden begann. »Die Anwender hatten mit einer eingeschränkten Web-Version gerechnet und konnten gar nicht glauben, dass damit vom ersten Tag an alles möglich war, was sie von ihrer Desktop-Software kannten.«

Mit der Browser-Anwendung auf Basis von .NET und dem Wisej-Framework sieht Aydin sein Entwicklungsteam nun bestens für die zukünftige Weiterentwicklung von Evatic gerüstet. Als weiteres Plus zählt er auf, dass Anwender die neue Software ganz ohne Installation auf jedem Web-fähigen Arbeitsplatz einsetzen können. »Zukünftige Kunden werden dann auch keinen eigenen Server mehr benötigen und können die Software direkt aus der Cloud nutzen.«

Das soll sich dann auch in den Umsatzzahlen bemerkbar machen. »Schon die Ankündigung der neuen Web-Version hat für einigen Enthusiasmus im Markt und einige neue Kunden gesorgt«, freut sich Uppheim. »Mit den neuen Möglichkeiten können die Anwender weiterhin optimal von der langjährigen Erfahrung profitieren, die in der Software steckt. Wir haben es geschafft, einem ausgereiften Produkt zu einem neuen Frühling zu verhelfen.«

 

Eckdaten zum Migrationsprojekt

  • Anwendungslösung: Evatic (FSM-Software für Managed-Print-Serviceunternehmen)
  • Projekttyp: VB6 auf Wisej-Framework unter C#.NET
  • 16 Einzelprojekte
  • 300.000 Lines of Code
  • 95 Fenster
  • 5.000 Controls
  • ActiveReports-Migration und Update auf neueste Version 15
  • Excel- und Word-Anbindung
  • Gantt-Diagramm eines Drittherstellers
  • UI-Redesign mit neuer Navigation, Theme und Layouting
  • Dauer: 9 Monate (Mitte Januar bis Oktober 2021)

 

 


Michael Ihringer,
freier Autor in Darmstadt

 

 

Illustration: © Voar CC/shutterstock.com; Northedge Photography