Offenes Ökosystem der Zusammenarbeit – Co-Innovation als Wachstumstreiber

Der Begriff Co-Innovation geistert bereits seit geraumer Zeit durch die Führungsetagen. Doch wo liegen die Vorteile dieser Art von Zusammenarbeit und was muss getan werden, um die Worthülse mit Leben zu füllen und einen möglichst effektiven Innovationsprozess zu gewährleisten?

Unternehmen sollten die digitale Transformation und die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle ernsthaft vorantreiben, wenn sie nicht riskieren wollen, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Kein Unternehmen, das langfristig überleben will, kann sich diesen Veränderungsprozessen entziehen. Mit der digitalen Transformation geht wiederum die Migration in die Cloud und die Entwicklung einer Datenstrategie einher, was ebenfalls ein starker Innovationstreiber ist. Vor allem die disruptive Innovation gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Eine rein interne Innovationsentwicklung greift dabei allerdings oft zu kurz. Und es reicht bei weitem nicht aus, lediglich die neuesten Technologien in die Arbeitsprozesse einzubinden. Vielmehr sollten sich Verantwortliche fragen, welche Produkte und Fähigkeiten entwickelt werden sollen, welche Herausforderungen damit nachhaltig gelöst werden können und wie Technologie dabei unterstützt, die gesteckten Ziele zu erreichen. Dabei ist die richtige Reihenfolge entscheidend: Zuerst müssen die Businessbedürfnisse und die Wachstums- oder Unternehmenstransformation erfasst werden. Im Anschluss daran kann das Ergebnis in eine Technologie-Strategie übersetzt werden.

Ein offenes Ökosystem als Voraussetzung. Da Technologien im Zeitalter der digitalen Transformation zudem sehr komplex und spezialisiert sind, werden Partner benötigt, um die sowieso oft nur von der Technik getriebene Ideenfindung auf eine breitere, höhere Ebene zu transferieren. Hier setzt Co-Innovation an – die Öffnung des firmeninternen Innovationsprozesses von der herkömmlichen geschlossenen Form über die Unternehmensgrenzen hinaus. In diesem offenen Ökosystem der Zusammenarbeit fließen interne und externe Ideen gleichermaßen in die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle ein, um so das Innovationspotenzial zu vergrößern und mittels Partnerschaft massiv zu beschleunigen!

Dabei sollten die Kunden und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Externe Innovationspartner können beispielsweise Lieferanten, Technologie- und Geschäftspartner, Start-ups, Hochschul- und Forschungseinrichtungen, Studenten oder branchenfremde Experten sein. Die verschiedenen Ansätze von Co-Innovation reichen dabei von Workshops mit Kunden und Partnern bis hin zum Crowdsourcing, zum Beispiel in Form von Innovationswettbewerben oder Pitch Events.

Grundsätzlich wird zwischen drei Formen der Co-Innovation unterschieden:

  • Outside-In-Prozess: Übernahme/Integration von exter-nem Wissen in den eigenen Innovationsprozess.
  • Inside-Out-Prozess: Inhouse entwickelte Kenntnisse und Ideen werden ausgelagert, zum Beispiel durch die Gründung eines Start-ups.
  • Coupled-Prozess: Mischform der beiden anderen Prozesse; zum Beispiel die Zusammenarbeit von Herstellern, Lieferanten und weiteren Partnern zur Verbesserung der Prozesse zwischen diesen Parteien.

Mit Co-Innovation oder auch Open Innovation wird möglichst viel externer Input aus diversen Quellen gesammelt und umgesetzt, um ein breites Spektrum an Lösungsideen zu generieren. Diese Art der Zusammenarbeit kann für alle Beteiligten Vorteile bringen: Mit der Summe an innovativen Ideen und Expertenwissen kann sich beispielsweise das Image eines Unternehmens hin zu einem nachhaltig wirtschaftenden, klimafreundlichen Player wandeln, der die Bedürfnisse seiner Kunden und Mitarbeitenden gleichermaßen in seine Prozesse einbindet. Insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit ist die Kooperation mit externen Partnern aufgrund der Schnelllebigkeit der Thematik von entscheidender Bedeutung, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Ein weiterer Pluspunkt: Minimierung von Kosten und Risiken. Neben Wissen werden auch Risiken und Kosten geteilt, die sich so für jeden Innovationspartner reduzieren lassen. Durch die Beteiligung vieler Parteien wird darüber hinaus auch einer gewissen Betriebsblindheit vorgebeugt. Kurz: Neben neuen Produkten oder Geschäftsideen können aus Co-Innovation unter anderem auch effizientere Prozesse, ein größerer Geschäftserfolg oder mehr Nachhaltigkeit resultieren.

Der Zugriff auf ein großes, gemeinsames Ökosystem bietet noch einen weiteren Vorteil: In globalen Netzwerken und bei bestimmten Programmen, an denen hunderte junger, kreativer Unternehmen teilnehmen, findet sich immer der passende Co-Innovator für das jeweilige Projekt. Zudem sind vorhandene Co-Innovations-Anwendungsfälle bereits einsatzbereit und für andere Kunden replizierbar. Ein Produkt kommt damit in der Regel schneller und kostengünstiger auf den Markt.

Wichtige Begleiter: Unternehmenskultur und Changemanagement. Da Ideen allein ohne konkreten Nutzen Unternehmen jedoch nicht weiterbringen, müssen digitale Innovationen vor allem durch Mehrwert überzeugen. Entscheidend ist hier insbesondere die Unternehmenskultur: Management auf Augenhöhe wirkt sich positiv auf den Innovationserfolg aus, während hierarchische Kulturen den Erfolg von Innovationen eher negativ beeinflussen oder zumindest hemmen. Zudem dürfen Entwicklung und Realisierung nicht nur IT-getrieben sein, sondern müssen das Business als Ganzes miteinbeziehen. Wichtig ist vor allem das projektbegleitende Changemanagement. Denn neue Lösungen und Prozesse gehen unweigerlich mit Veränderungen einher, denen in der Regel nicht alle Beteiligten gleichermaßen aufgeschlossen begegnen.

Letztlich müssen neue Technologien und Prozesse irgendwann dauerhaft ins Unternehmen integriert werden. Dabei sollten einzelne Partner mit Erfahrung den gesamten Innovationsprozess begleiten, konkrete Lösungen entwickeln und ihren Kunden bis zur Implementierung unterstützend zur Seite stehen.

Unbequem aber dringend nötig: Eine entsprechende Data Governance. Daten sind schon längst die wichtigste Ressource von Unternehmen. Auch Innovationsprozesse sind in der Regel sehr datengetrieben. Der ethisch einwandfreie Umgang mit Daten darf daher keinesfalls vernachlässigt werden. Dazu gehört auch die Frage, wie IP-Datenlinks und geistiges Eigentum geschützt werden können.

Strenge Datenschutzbestimmungen wirken sich grundsätzlich nicht immer positiv auf Innovationen aus. Ein negativer Zusammenhang zwischen Big Data, Innovation und Datenschutz konnte in Studien allerdings nicht bewiesen werden. Unter Berücksichtigung geltender Datenschutzgesetze können Unternehmen den Datenschutz als integrierten Part ihres Produktangebots platzieren und als Teil ihrer Marketingstrategie kommunizieren.

Erfolgreiches Beispielprojekt Agropôle: Campus für nachhaltige Ernährung. Ein Paradebeispiel für ein moderndes und erfolgreiches Co-Innovationsprojekt ist Agropôle – ein Campus für nachhaltige Ernährung in der Schweizer Gemeinde Molondin. Ziel von Agropôle ist es, alle Akteure der Wertschöpfungskette für Lebensmittel auf einem Fachcampus zusammenzubringen. Dadurch sollen Agrotech- und Foodtech-Innovationen gefördert werden, die nachhaltige Lösungen für den Erhalt von Wasser, Böden, Klima und Arbeitsplätzen ermöglichen. Dafür werden auf dem Campus unter anderem neue flexible und modulare Gebäude (Smart Buildings/Smart Offices) entwickelt. Insgesamt sind auf 35.000 m2 bis zu 350 Arbeitsplätze vermietet. Zum Zentrum gehören Logistik, Büros, Laboratorien, Konferenzräume, Gewächshäuser auf dem Dach und viele Hektar Land auf freiem Feld. Der nächste Innovationsschritt ist im Bereich der Smart Agriculture geplant, um die Bewässerung von Pflanzen, die Herstellung von Alternativen zu tierischem Protein zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Boden- und Pflanzenschutz sowie Süßwassererhalt zu optimieren und nachhaltig voranzutreiben.

 


Philipp Ringgenberg,
Head of Digital Business Consulting and Innovation Europe,
Orange Business Services

 

 

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