Schwache KI, ganz schön stark

Illustration: Absmeier

Was Algorithmen heute leisten und wie Unternehmen Struktur ins Wirrwarr der Optionen bringen.

 

Es vergeht inzwischen kaum ein Tag, an dem nicht ein Bericht über eine neue Anwendung mit künstlicher Intelligenz (KI) erscheint. Aber je mehr Lösungen sich auf dem Markt tummeln, umso schwieriger wird es, sich zu orientieren und vielversprechende Ansätze herauszupicken. Der Software-Hersteller proALPHA zeigt, wie ein einfaches Raster hier für erste Klarheit sorgen kann.

 

KI ist von jeher ein weites Feld und die Vorstellungen, was »intelligent« bedeutet, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die einen bereits die korrekte Interpretation von handschriftlichen Notizen feiern, winken andere milde lächelnd ab. Schließlich gäbe es noch kein System, das die intellektuellen Fertigkeiten des Menschen nur annähernd erreichen würde. Wer hat Recht?

Beide Seiten. Denn solche, als »Starke KI« bezeichneten Systeme existieren in der Tat noch nicht. Die Anwendungen, die wir heute sehen, sind allesamt Ausprägungen der sogenannten »Schwachen KI«. Was sie auszeichnet: Sie sind für ein ganz spezielles Anwendungsszenario konzipiert und optimiert. Von diesen fallbezogenen Lösungen gibt es inzwischen jedoch eine fast unüberschaubare Menge – und es kommen laufend neue dazu.

Wer für sein Unternehmen nach möglichen, nutzbringenden Use Cases Ausschau hält, ist da schnell überfordert. Ein Raster aus drei Kategorien hilft bei der Orientierung. Denn auf die Frage »Was soll oder kann eine KI für uns tun« lautet die Antwort: Beurteilen, Schlussfolgern oder Agieren.

 

Beurteilen: Beschreiben, was ist

Algorithmen können inzwischen einen Sachverhalt oder Zustände aufgrund von Daten sehr genau erkennen und wiedergeben. Ein typisches Beispiel dafür ist die Interpretation von Eingangsrechnungen zur weiteren Verbuchung. Auch das Aufspüren von Anomalien in großen Datenmengen aus der Produktion fällt in diesen Bereich. Verfahren für maschinelles Lernen ermöglichen viel früher zu beurteilen, ob sich Maschinenzustände kritischen Werten nähern – und damit rechtzeitig gegenzusteuern.

Methoden der Bilderkennung gehören ebenfalls dazu. Übernimmt Kollege Computer die Sichtprüfung von Bauteilen, entlastet dies Fachkräfte und hebt gleichzeitig die Qualität: Fehlerhafte Teile werden dadurch erst gar nicht verbaut, mangelhafte Produkte gelangen nicht in den Verkauf.

 

Schlussfolgern: Erkennen, was wird

Die weitergehende Analyse von Daten erledigen ebenfalls immer häufiger Algorithmen. Ihr Einsatz in Modellen für Voraussagen oder Empfehlungen geht inzwischen weit über den Klassiker Predictive Maintenance hinaus. Mit Hilfe einer KI lassen sich durchaus Absatzzahlen prognostizieren und der Einkauf von Langläufern und preissensitiven Materialien besser steuern; in Zeiten gebeutelter Supply Chains ein großes Plus. Im Bereich der Produktionsqualität ist gleichfalls schon vieles möglich. So kann eine KI Berge von Sensordaten quasi in Echtzeit auswerten und diese mit Resultaten der Qualitätskontrolle in Beziehung setzen. Aus dem laufenden Betrieb heraus werden so nicht nur Produktfehler schneller erkannt und Ausschuss limitiert. Es entstehen wertvolle Empfehlungen für die Betriebsparameter von Anlagen und Maschinen.

Praxiserfahrungen gibt es zudem bereits mit KI-gestützten Anwendungen zur Lageroptimierung oder einem intelligenten Wissensmanagement im Field Service. Unternehmen stellen dann ihren Servicemitarbeiter und Servicemitarbeiterinnen schnell und einfach relevantes Wissen kontextsensitiv zur Verfügung. Techniker haben so rund um die Uhr Zugriff auf wichtige Serviceinformationen und können dadurch Reparaturen sowie Wartungseinsätze schneller durchführen und bearbeiten.

 

Agieren: Tun, was nötig ist

Auf einer dritten Ebene interagieren die smarten Systeme mit ihrer Umwelt, lernen aus den Ergebnissen ihrer Aktionen und können daraus ableiten, was künftig zu tun ist, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Der berühmte Fall von AlphaGo fällt in diese Kategorie. Das selbstlernende Programm machte 2016 Schlagzeilen, als es erstmals menschliche Champions im chinesischen Brettspiel Go schlug. Heute finden sich im Unternehmensalltag immer mehr Einsatzbereiche: etwa, wenn Roboterarme lernen, bisher unbekannte Objekte zu greifen ohne sie zu beschädigen oder fallen zu lassen. Weiter verbreitete Use Cases dieser Kategorie sind außerdem das autonome Fahren und die nicht bei allen immer beliebten Chatbots.

Auch auf dem Gebiet der ERP-Entwicklung ist im Bereich Sprachsteuerung und intelligente Assistenten viel in Bewegung. Das ist aber nur der erste Schritt: ERP-Systeme werden in den kommenden Jahren immer stärker mit KI-Technologien angereicht werden – sei es direkt oder durch die Integration mit entsprechenden Plattformen. KI wird immer stärker in Kernprozessen verankert bis hin zu vollautomatisierten Prozessen. Die Experten des Branchenverbandes Bitkom sind sich einig: Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie mit hohem disruptivem Potenzial für alle Wirtschaftszweige. Unternehmen sind daher gut beraten, möglichst frühzeitig Erfahrungen zu sammeln.