Wenn ein Unternehmen national und international erfolgreich ist und sich entsprechende Marktpositionen erobert, denkt meist niemand daran, dass die bisher so nützlichen Excel-Tabellen eines Tages die Prozesse eher behindern können. Bei ACTech in Freiberg kam man dieser Situation rechtzeitig zuvor.
Die ACTech GmbH in Freiberg/Sachsen ist ein Dienstleister für die Prototypen-Fertigung von Gussteilen aus Leichtmetall-, Gusseisen- und Stahlgusslegierungen. Die Unternehmensgründung 1995 basierte auf der Entwicklung und internationalen Patentierung eines Verfahrens zur schnellen Herstellung von Sandgussformen, dem Laser-Sintern von Croning-Formstoff. Hier bietet das Unternehmen hohe Genauigkeiten und fast unbegrenzte geometrische Freiheiten bei der Gestaltung von Formteilen und Kernen durch das sogenannte Direct Croning. Durch die Kombination verschiedener Rapid-Prototyping-Technologien erzielt man eine Zeit- und Kosten-ersparnis gegenüber konventionellen Verfahren bis zu 80 Prozent. So bietet ACTech individuelle, schnellstmögliche Lösungen von der Idee in der Produktentwicklung bis zu komplett einbaufertigen Prototypenteilen wie Ansaugmodulen, Zylinderblocks und -köpfen, Verdichter- und Turbinengehäusen, Hinterachsgetrieben und Kurbelwellen sowie Getriebegehäusen und Verteilergetrieben.
Wachstum braucht adäquate IT. Inzwischen kann ACTech bei einem Exportanteil von rund 60 Prozent auf Kundenbeziehungen zu mehr als 1.100 internationalen Kunden verweisen. Neben allen namhaften Automobilherstellern und -zulieferern – immerhin über 70 Prozent des Umsatzes – zählen insbesondere Unternehmen aus Luftfahrt, Energietechnik sowie Geräte-, Maschinen- und Anlagenbau zu den Kunden. Das Unternehmen hat neben dem Stammsitz in Freiberg noch ein Liaison Office in Bangalore, Indien, und eine eigenständige Vertriebstochter in Ann Arbor, USA. Knapp 400 Mitarbeiter einschließlich 22 Auszubildenden fertigen jährlich 15.000 Gussteilprototypen mit seriennahen Eigenschaften.
Im Januar 2004 ließ sich bereits absehen, dass die bis dahin im EDV-Bereich selbst entwickelten Tools mit dem Wachstum des Unternehmens nicht mehr lange mithalten könnten. Das betraf sowohl die Menge der Daten, als auch die Verlässlichkeit der Lieferterminaussagen und die optimale Kapazitätsausnutzung. So bildete man unter anderem die gesamte Personalzeitabrechnung und Personaleinsatzplanung in Excel-Tabellen ab. »Mit 80 Mitarbeitern ist das noch zu machen. Aber irgendwann sind es 200, 300 Leute und das kriegt man in einer Excel-Tabelle einfach nicht mehr abgebildet«, weiß Heiko Krause, Projektleiter ERP. Darum beschloss man die Einführung eines modernen, zukunfts- und investitionssicheren ERP-Systems.
Standard mit Branchentools. Für die Findung des Anbieters führte man ein klassisches Auswahlverfahren durch. In einer internen Runde fand eine Vorauswahl statt, nach der drei namhafte Anbieter einen Anforderungskatalog als Basis für die Präsentation ihrer Lösungen bekamen. Im Vordergrund der Anforderungen stand ganz klar die Produktionsoptimierung. »Jeder Auftrag wird bei uns als Projekt behandelt und bekommt einen Projektleiter, der sich um die Herstellung des Kundenauftrags kümmert. Dazu muss er in allen Fertigungsabteilungen die Termine für sein Projekt suchen. Wenn es aber zehn oder zwölf Projektleiter gibt, jeder mit mehreren Aufträgen, kommt es schlicht zu Terminkonflikten«, beschreibt Dr.-Ing. Florian Wendt, Firmengründer und Geschäftsführer, die Organisationsprobleme und fährt fort: »Also wollten wir die Projektleiter organisatorisch von der Rolle des Terminjägers befreien und stattdessen eine zentrale Terminplanung einführen.«
Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten des ERP-Standards Microsoft Dynamics NAV und des Microsoft-Partners Cosmo Consult, der sich auf die Implementierung und das Systemmanagement von Branchen- und Speziallösungen auf Basis von Microsoft Dynamics und QlikView spezialisiert hat. »Nicht nur die Nähe zur Dresdner Niederlassung der Cosmo-Consult-Gruppe war uns wichtig, eine wesentliche Rolle spielte auch, dass die Dresdner maßgeblich das Produktionsmodul für Dynamics NAV mit entwickelt hatten. Die wussten, wovon sie reden, und haben uns die überzeugendste Lösung präsentiert«, begründet Krause die Wahl. Und Geschäftsführer Wendt weiß noch: »Die Cosmo-Leute haben es geschafft, uns die richtigen Fragen zu stellen und so lange nachzubohren, bis sich die Probleme herauskristallisierten und wir schließlich selbst unser Unternehmen bis ins Detail verstanden haben und abbilden konnten.« Also ergänzte man den ERP-Standard noch um Spezialtools des IT-Partners für Finanzmanagement, Einkauf, Lager, Personal-wesen und Produktion.
Termine durch cc|top. Alle Daten, die der Vertrieb mit einem Kunden für einen Neuauftrag abstimmt, werden zunächst in einem bestimmten Teil des CRM-Systems, dem Fertigungsplan oder F-Plan, dokumentiert. Darin ist das Projekt mit allen Arbeitsgängen aufgeschlüsselt, also die Stunden, was das Konstruieren der Form und was das Gießen sowie Feinputzen kostet. Auf dieser Basis errechnet der Vertrieb einen Geldwert, den er dem Kunden als Angebot vorlegt. Erteilt der Kunde den Auftrag, nutzen die Produktionsplaner die dokumentierten Aufwände. Der F-Plan wird ins ERP-System und dort in das Cosmo-Consult-Produktionsplanungstool cc|top überspielt und 1:1 abgebildet. Der Leitstand errechnet eine Lieferterminvorhersage, die der Vertrieb dem Kunden weitergeben kann. Auch Wunschtermine lassen sich so weitgehend berücksichtigen. Dann startet die Fertigung.
Durch cc|top entfällt die Rolle des Terminjägers, alle Termine entstehen zentral durch das Produktionsplanungstool. Dabei bewertet das System stets die Personalressourcen auf der Grundlage von Echtzeitbuchungen wie etwa Fehlzeiten. Bei der exakten Abbildung von Kapazitäten berücksichtigt es sogar die individuellen Kapazitäten und Möglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter. Dadurch entsteht eine transparente Echtzeitsicht auf die Auslastung des gesamten Unternehmens in allen Prozessschritten einschließlich der vielen prozessbegleitenden Qualitätskontrollen. Vom Angebot bis zum Lieferschein entsteht ein durchgängiger, geordneter Daten- und Dokumentationsfluss.
Leitstand zum Erfolg. Die Neueinführung des ERP-Systems führte sofort zu einer Reihe von Vorteilen. Projektleiter Krause schätzt vor allem die Zentralisierung der Daten, die zu deutlich weniger Datenfehlern führt: »Ich sehe Dynamics NAV als Datenkrake. Der Konsens, alles kommt ins ERP-System, zwingt uns zu einer Strukturierung von Daten zu Datenformen und Normen, die eingehalten werden müssen. So schaffen wir dort einen zentralen Datenpool, den jeder nach seinen Aufgaben und Berechtigungen nutzen kann.« Ein weiterer wesentlicher Fortschritt ist die bessere Ressourcenauslastung durch den Fertigungsleitstand und das Produktionsplanungssystem. cc|top visualisiert dabei zuverlässig alle Kapazitätsreserven. »Natürlich haben wir wie jeder Produktionsplaner die Möglichkeit der manuellen Umschichtung, der Fremdvergaben oder Sonderschichten«, betont Wendt, »Wir sehen das jetzt aber schon drei Wochen im Voraus.« Dass das System zudem die verschiedenen Mitarbeiterqualifikationen flexibel ausnutzt und diese entsprechend variabel einsetzt, ist ein zusätzlicher Pluspunkt.
Abfragen ermöglichen jederzeit Einblicke in die Projektstände, die Kosten und Zeiten, wie es vorher nie möglich war. Dadurch bieten sich Entscheidungsgrundlagen etwa für Kapazitätsanpassungen in Echtzeit. Auch der IT-Partner Cosmo Consult hat zum Erfolg des Projekts ERP beigetragen. »Mit ihrem Produktions-Know-how waren die IT-Berater sehr schnell in der Lage, unsere Prozesse zu verstehen und deckten einige Schwachstellen bei uns auf. Außerdem trugen sie zu einer sinnvollen Priorisierung unserer Anforderungen bei«, bestätigt Krause die erfolgreiche Zusammenarbeit. Abschließend fasst Florian Wendt zusammen: »Auch wenn es im Laufe des Projekts – wie bei jedem Projekt dieser Größe – den einen oder anderen Engpass gegeben hat, so ist es am Ende doch eine echte Erfolgsstory.« Daher wird ACTech auch noch dieses Jahr die Cosmo-Consult-Tools für die Personalzeit- und Betriebsdatenerfassung einführen.
Volker Vorburg