Banken haben hohe Anforderungen an die Cloud

Wie der stark regulierte Finanzsektor von den Leistungen der Wolke profitieren kann.

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Interview mit Richard Peers, Head of Financial Services bei Microsoft, und Achim Thienel, Senior Manager GSC Core Banking SaaS bei Finastra.

Cloud Computing hat sich in den vergangenen Jahren zwar als feste Größe bei vielen Unternehmen in den verschiedensten Branchen etabliert. Doch ein Sektor agiert diesbezüglich noch sehr verhalten: Während laut aktuellem Cloud Monitor von Bitkom und KPMG zwischen 70 und 90 Prozent aller deutschen Unternehmen ihre Rechenleistungen aus der Cloud beziehen, sind es in der Finanzbranche gerade einmal 59 Prozent. Die Ursache hierfür liegt zum einen in der umfangreichen Regulierung begründet: Kaum ein anderer Sektor hat derart umfangreiche Compliance-Vorgaben zu erfüllen wie Banken, insbesondere im Bereich Sicherheit. Zum anderen lassen sich über Jahrzehnte gewachsene IT-Infrastrukturen nicht über Nacht transformieren. Wir haben mit Richard Peers, Head of Financial Services bei Microsoft, und Achim Thienel, Senior Manager GSC Core Banking SaaS bei Finastra, über die Chancen und Herausforderungen des Cloud Computings im Bankensektor gesprochen.

 

Warum sind andere Branchen so weit voraus, wenn es um die Einführung von cloudbasierten Lösungen geht? Hat die Finanzbranche das Potenzial der Cloud noch nicht erkannt?

Richard Peers: In unseren Gesprächen mit Finanzinstituten hören wir sehr wohl, dass die Verantwortlichen bei den Banken wissen, welche großen Vorteile die Cloud bietet. Gerade in Zeiten der EU-Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2 und den damit verbundenen Anforderungen des Open Banking benötigen sie eine höhere Skalierbarkeit, Effizienz und einen flexiblen Zugriff auf IT-Ressourcen, um mit agilen Fintechs mitzuhalten. Der Wettbewerb nimmt zu und die Erwartungen an Innovationen und zukunftsweisende Technologien steigen. Man denke nur an das Mobile Banking und Payment-Apps – diese digitalen Angebote wären ohne Kapazitäten aus der Cloud gar nicht denkbar. Oder personalisierte, auf künstlicher Intelligenz basierende Angebote wie Bots, die in den kommenden Jahren den Kundenkontakt revolutionieren werden.

Achim Thienel: Diese Erfahrung machen wir auch immer wieder, wenn wir mit Banken sprechen. Die Einsatzmöglichkeiten und das Potenzial der Cloud sind bekannt. Allerdings gilt es noch immer, große Hürden zu überwinden. Dabei geht es nicht nur um die Regulierung, sondern auch um die dringend notwendige Modernisierung der Banken-IT. Die meisten Finanzinstitute verfügen heute über eine IT-Infrastruktur, die über mehrere Jahrzehnte gewachsen ist. Es handelt sich dabei zumeist um starre und geschlossene Insellösungen, die sich nur schwer aufbrechen und ins digitale Zeitalter heben lassen. Zudem haben Banken Bedenken, dass es bei der Transformation zu Ausfällen kommen könnte. Denn sie wissen, dass der Austausch eines Kernbanksystems im laufenden Betrieb eine »Operation am offenen Herzen« ist.

 

Was können Banken tun, um diese Hürden zu überwinden und von den Vorteilen der Cloud zu profitieren?

Richard Peers: Bevor sie den Schritt in die Cloud gehen, sollten die Verantwortlichen in den Banken gemeinsam mit Finanz-Cloud-Experten die IT-Infrastruktur evaluieren und definieren, wo ein Einsatz cloudbasierter Lösungen sinnvoll ist. Denkbar sind Lösungen nur für bestimmte Geschäftsbereiche bis hin zu kompletten Kernbanksystemen. Ein hoher Standardisierungsgrad dieser Lösungen vereinfacht eine Umstellung signifikant und verringert auch das Projektrisiko. Finastra Fusion Essence Cloud auf Azure zum Beispiel ermöglicht eine komplette Umstellung eines Kernbanksystems in wenigen Monaten. Damit Projekte dieser Größenordnung gelingen, sollten zudem die eigentliche Umsetzung gut geplant sein. Schließlich werden dabei auch hochsensible und zentrale Geschäftsprozesse angepackt, nicht zu vergessen die Compliance mit strengen Regulierungen.

 

Gibt es für diese anspruchsvolle Transformation auch aufsichtsrechtliche Richtlinien, an denen sich Banken orientieren können, wenn sie sich mit der Cloud auseinandersetzen?

Achim Thienel: Inzwischen hat auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin die große Bedeutung des Cloud Computings für die künftige Entwicklung der Banken erkannt und steht der Entwicklung grundsätzlich positiv gegenüber – solange sichergestellt ist, dass die Daten in der Cloud korrekt, verfügbar und sicher sind. Aktuell arbeitet die Bafin an weitergehenden Richtlinien und Grundlagendokumenten, an denen sich Banken auch hierzulande orientieren können. Die Veröffentlichung des Rundschreibens »Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT« (BAIT) war bereits ein erster wichtiger Schritt, um die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Finanzinstitute zu definieren. Wir unterstützen Banken bereits in der Entscheidungsphase mit Berichten nach deutschen Prüfungsstandards (zum Beispiel vom Institut der Wirtschaftsprüfer, IDW), welche die Aspekte von MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) beziehungsweise BAIT berücksichtigen.

 

Das Thema Sicherheit und Compliance war auch ein wichtiger Grund, warum sich Microsoft im Jahre 2015 für das Modell der Treuhänder-Cloud in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom entschieden hatte. Drei Jahre später bietet Microsoft neben der Microsoft Cloud Germany auch Cloud-Lösungen aus eigenen, neu eröffneten lokalen Rechenzentren. Was ist der Grund dafür?

Richard Peers: Durch die Zusammenarbeit mit der Telekom konnten wir unseren Kunden sehr erfolgreich eine zusätzliche Sicherheitsebene für den Schutz ihrer Daten bieten. Dies war insbesondere für deutsche Unternehmen in hochgradig regulierten Branchen eine wichtige Herausforderung, um die Cloud überhaupt nutzen zu können. Die Microsoft Cloud Germany wurde dabei isoliert von unserem globalen Cloud-Netzwerk betrieben und der Datenzugriff von unserem Partner verwaltet. Dies hat sehr gut funktioniert, allerdings haben sich die Anforderungen unserer Kunden in den vergangenen drei Jahren stark verändert. Sie müssen flexibler agieren können und benötigen ihre Cloud-Services hierfür verstärkt aus einer Hand. Mit unserer Cloud-Lösung aus deutschen Rechenzentren erfüllen wir genau diesen Bedarf.

Achim Thienel: Genau diese Verlässlichkeit in der Partnerschaft und die hohe Verfügbarkeit sind für uns als Azure-Cloud-Kunden sehr wichtig. Und die neuen Azure-Regionen in Frankfurt und Berlin erfüllen genau den Wunsch vieler Kunden nach einer lokalen Datenspeicherung. Wir nutzen die Technologie nicht nur für unsere Payment- und Retail-Banking-Produkte. Auch unsere offene FusionFabric.cloud-Plattform basiert auf der Microsoft-Cloud-Lösung. Sie bietet uns genau die Stabilität und Sicherheit, die wir benötigen, um Banken, Fintechs, Entwicklern, Hochschulen und anderen Partnern mit unserem kollaborativen Ökosystem-Ansatz eine zukunftsweisende Plattform für die Erstellung innovativer und kundenfreundlicher Anwendungen zu bieten. Denn mit FusionFabric.cloud haben wir die erste moderne Bankenplattform geschaffen, die allen Akteuren der Open-Banking-Community offen steht.

 


 

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