Die Experton Group untersucht im Rahmen des Big Data Vendor Benchmarks erneut das Marktangebot zu Big Data in Deutschland und der Schweiz. In diesem Zusammenhang stellt sich nach wie vor die Frage: Welche Rolle nimmt der Data-Scientist in einem Unternehmen war. Immerhin wird er immer wieder als zentrale Rolle rund um Big Data beziehungsweise neuerdings Smart Data gehandelt. Nach wie vor gibt es allerdings verschiedene Auffassungen, welches Profil ein Big Data Scientist (beziehungsweise Smart Data Scientist) abdecken sollte.
Seit etwa 2013 steigt die Anzahl der Google-Suchanfragen nach dem Suchbegriff »Data Scientist« stark an, wobei die USA und Indien den größten Teil der Anfragen betreffen. Angesichts der Situation, dass seit Jahren über Big Data öffentlich gesprochen wird, stellt sich die Frage, ob und wie sich das Berufsbild »Data Scientist« im Zeitablauf geändert hat.
Eine Veröffentlichung des »Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten« sieht in 2010 die Rolle des Data Scientisten in der Bewältigung der steigenden Anzahl von vor allem wissenschaftlichen Daten in Bibliotheken. Der Aufgabenkatalog umfasst technische Aspekte der Modellierung und Analyse von Daten wie etwa Datenanalyse und -modellierung und deren Verarbeitung (Pampel et al., 2010).
Auch 2011 wurde noch verstärkt von einem Bedarf gesprochen, neue Berufsbilder im wissenschaftlichen Bereich auszuprägen. Man forderte die Ausbildung von »Datenspezialisten« und untergliedert in mehrere Rollen wie: Data Creator (datenproduzierender Forscher), Data Scientist (datenanalysierender Wissenschaftler), Data Manager (datenverwaltender Administrator) (Büttner et al., 2011).
2012 gab es das bekannte Zitat von Davenport und Patil (2012), wonach die Position eines Data Scientist der »sexiest job of the world« des 21. Jahrhunderts sei. Die Rolle war heute wie damals noch unklar, so dass die Autoren versucht haben, die Aufgaben grob einzugrenzen: »It’s a high-ranking professional with the training and curiosity to make discoveries in the world of big data« (Davenport und Patil, 2012, p 71). Wichtig an der Definition war der »Business Character« der Rolle. Damit war der Data Scientist nun nicht mehr ausschließlich der Wissenschaftler, sondern wurde eher als wissenschaftlich ausgebildeter Praktiker betrachtet, der das Unternehmen bei seiner Geschäftstätigkeit unterstützt.
2013 wurde im deutschen Sprachraum sehr viel zu Big Data publiziert, was unter anderem daran lag, dass ein Jahr zuvor das Thema auf der CeBIT zusammen mit verwandten Fragen wie Cloud Computing und Social Media im Vordergrund stand. Der Begriff Big Data wurde zunehmend präziser definiert und es kristallisierte sich heraus, dass es sich nicht nur um einen technologischen Trend, sondern um eine Basis für die Konzeption neuer Geschäftsmodelle handelt. Das Berufsbild des Data Scientisten war zwar nach wie vor noch unklar, aber es zeichnete sich bereits ein Fachkräftemangel ab. Die Definitionen verschiedener Autoren reichen über den Analytiker, Visualisierer bis hin zum Alleskönner (Zeitler, 2013). Damit war klar, dass es einer Differenzierung in Einzelprofile bedarf.
Den Bedarf für eine differenzierte Betrachtung und mehr Anwendungsbezug greifen führende Forschungsinstitute wie die Fraunhofer Gesellschaft auf und bieten ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot an, was vom Überblicksseminar bis hin zum Big-Data-Analytics-Lehrgang für Softwareentwickler reicht. Der Anwendungsbezug von Data Scientisten wird durch reale Use-Cases immer deutlicher. »New York: Mit Big Data löschen bevor es brennt« war die Headline eines Artikels in ZDF Heute (Krüger, 2014). Die hierzu notwendigen Algorithmen, welche potenzielle Häuser, bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es demnächst brennen könnte ermittelt, sind die Ergebnisse der Arbeit von Data Scientisten.
Aktuell kann man folgendes festhalten: Das Berufsbild des »Data Scientisten« zerfällt in mehrere noch nicht final fixierte Rollen, die je nach Situation von einer oder mehreren Personen wahrgenommen werden können. Die Personen können zentral agieren, aber auch in dezentral beispielsweise in den Business-Bereichen angesiedelt sein. Mögliche Rollen sind: Strategieentwicklung, Use-Case-Identifzierung und -ausprägung, Datenanalyse- und Modellierung sowie toolbezogenes Customizing und die Programmierung von Anwendungen. Das fachliche Methodenspektrum umfasst Kenntnisse aus der (Wirtschafts-) Informatik, Mathematik und Statistik und der jeweiligen Anwendungsdomäne, beispielsweise Marketing oder Produktion. Die Arbeitsmethoden sollten agil sein und nicht wasserfallorientiert, also beispielsweise Scrum oder Kanban.
Experten-Position: Die passgenaue Ausbildung von Big-Data-Scientisten ist nach wie vor ein offenes Feld, das noch geordnet werden muss. Big-Data-Anwender und ICT-Anbieter müssen ihre Anforderungen beschreiben, damit Hochschulen und Weiterbildungsanbieter dies aufgreifen und in Aus- und Weiterbildungsangebote transformieren können. Einen standardisieren Königsweg zum Big-Data-Scientisten wird es allerdings nicht geben, da zu viele der häufig genannten Anforderungen kaum in einer Person abgebildet werden können. Die Basisausbildung kann durchaus unterschiedlich ausfallen (Betriebswirtschaft, Informatik, Technik), in Theorie und / oder Praxis erworben und durch Spezialausbildungen differenziert ausgeprägt (Statistik, Methoden, Tools) werden. Wichtig ist jedoch die interdisziplinäre Brücke zwischen der fachlichen Problemstellung und möglichen Lösungswerkzeugen und -methoden.
Prof. Dr. Andreas Gadatsch ist Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin. Zuzüglich ist Prof. Dr. Gadatsch für die Experton Group AG als Senior Advisor tätig. Hier beschäftigt er sich aktuell mit Big Data aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive im Hinblick auf die Auswirkungen von Big Data Technologien auf das Informations- und Prozessmanagement von Unternehmen.