Change Organisational Readiness als Voraussetzung für Agilität: Defizite mit Diagrammen und Algorithmen sichtbar machen

Illustration: ArtTower

Agilität als Managementmethode ist erstrebenswert, denn nur ein agiles Unternehmen ist in der Lage, flexibel und zeitnah auf komplexe Probleme zu reagieren und mit den rasanten Entwicklungen der Digitalisierung Schritt zu halten. Doch nicht alle Organisationen sind schon bereit. Fehlende Bereitschaft für den notwendigen Wandel erschwert die Implementierung neuer Prozesse und ist der Hauptfaktor dafür, dass es mit der digitalen Transformation nicht klappt. Doch was kann eine Organisation tun, um festzustellen, ob sie wirklich bereit für einen Wandel ist?

 

Es ist geschafft, nach wochenlangen Auswahlprozessen, Meetings und zig ausgetauschten Mails mit dem externen Beratungsunternehmen startet das neue Softwareprojekt mit agilen Methoden im Unternehmen. Die Erwartungen sind hoch. In wenigen Monaten sind die Implementierung und der Go-live des neuen Systems geplant. Die IT-Abteilung wird das schon schaffen, denkt die Geschäftsführung und lehnt sich zurück. Und wenn nicht? Wenn weder Mitarbeiter noch Führungsebene bereit für die Agilität sind und noch in klassischen Bahnen denken? Die fehlende Bereitschaft für den Wandel erst bei der Projektumsetzung aufzudecken ist fatal, denn schlimmstenfalls kann das ganze Projekt daran scheitern, im besten Falle kommt es zu deutlichen Verzögerungen. Beide Seiten, Auftraggeber und Auftragnehmer des Implementierungsprozesses, sind gut beraten, sich auf ein agiles Projekt sehr gut vorzubereiten. Eine systematische Untersuchung hilft, genau dieses zu tun.

 

Agile-Methodology-Spezialist sollte aktuelle Situation der Organisation bestimmen

Als Synonym für Beweglichkeit oder auch Flexibilität lässt sich Agilität auf die unternehmerische Ebene übertragen. Hier können Organisationen, Personen, Prozesse und Strukturen agil sein. Eine agile Arbeitsweise ist geprägt von der Autonomie der Mitarbeiter, die nicht nur auf Anweisungen der Vorgesetzten reagieren, sondern sich selbst aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen. Das setzt eine Unternehmenskultur voraus, die diese Anteilnahme erlaubt und fördert. Um die Organisation auf agiles Arbeiten vorzubereiten, sind die folgenden Phasen zu durchlaufen:

  1. Bewertung der aktuellen Bedingungen für das Projekt.
  2. Verstehen, an welchen Stellen Handlungsbedarf für agiles Arbeiten besteht.
  3. Die erforderlichen Maßnahmen ableiten, um die Bereitschaft herzustellen.

Der Beurteilungsprozess zur Change Organisational Readiness gehört in die Hände eines externen, erfahrenen und neutralen Agile Coach, der mit einer speziellen Methode alle wesentlichen Bereiche eines Unternehmens analysiert. Durch die toolgestützte Verfahrensweise können die Erkenntnisse auf Interviewbasis sehr effektiv und schnell gewonnen werden. Damit die Ergebnisse auch für das Unternehmen nachvollziehbar sind, arbeiten Spezialisten zum Beispiel mit Diagrammen, um die aktuelle Situation grafisch darzustellen. Auschlaggebend, ob die Organisation bereit ist, mit agilen Methoden zu arbeiten, sind vier Hauptkategorien:

  • Organisation & Management
  • Mitarbeiter
  • Prozesse
  • Tools & Techniken

Jede Hauptkategorie gliedert sich in mehrere Unterpunkte. Am Beispiel Organisation & Management zeigt sich, dass Kriterien wie Silodenken, Zeitdruck, Widerstand gegen Veränderungen, Führungskultur sowie interne Leitlinien eine wichtige Rolle spielen. Jede Hauptkategorie enthält eine Anzahl Bewertungskriterien, mit denen die Bereitschaft der Organisation effektiv gemessen wird. Die Bewertungskriterien sind von »0« für eine absolute Nichtbereitschaft bis »10« für optimale Bereitschaft skaliert. Grafische Darstellungen erleichtern das Verständnis. Natürlich sind nicht alle Unterpunkte im gleichen Maße kritisch für das Projekt, daher fließt für alle Kriterien eine Gewichtung in die Analyse ein.

 

Knotendiagramm veranschaulicht einzelne Unternehmensaspekte

Um die Abhängigkeiten zwischen den Kriterien zu zeigen, die für die Organisational Readiness wichtig sind, hat sich die Darstellung in einem Knotendiagramm mittels Dateneingabe in eine Excel-Tabelle bewährt. Um die vier Kategorien Organisation & Management, Mitarbeiter, Prozesse sowie Tools & Techniken so optimal wie möglich darzustellen, werden diese sowie die Unterkategorien in einer Farbe dargestellt. Die Größe des Knotens gibt Aufschluss darüber, welche Relevanz dieser Bereich für einen Wandel hat. Und schließlich muss noch an den Beziehungen zwischen den Knoten gearbeitet werden, um zu veranschaulichen, welche einander beeinflussen. Wenn sich in den geführten Interviews zum Beispiel ergibt, dass Zeitdruck die Produktqualität negativ beeinflusst, müssen diese beiden Kriterien auch im Knotendiagramm zueinander in einer Beziehung stehen. Das Arbeiten mit Microsoft Excel hat hier den klaren Vorteil, dass das Diagramm einfach angepasst werden kann, zum Beispiel, wenn neue Informationen auftauchen oder sich Prozesse ändern.

Um schließlich das Mindestlevel der Readiness für jede Unterkategorie zu berechnen, nutzen Experten Algorithmen, die darauf basieren, wie kritisch ein Aspekt für den Erfolg des agilen Projekts ist und wie viele andere Kriterien gemäß Knotendiagramm damit in Verbindung stehen.

 

Defizite des Unternehmens methodisch analysieren und darstellen

Diese innovative Erhebung und grafische Darstellung der Change Organisational Readiness hat den großen Vorteil, dass Unternehmen mit geringem Aufwand schon vor Implementierung eines agilen Projekts wissen, wo sie und ihre Mitarbeiter stehen und wo sie gezielt ansetzen müssen, um ein optimales Umfeld zu erreichen. Zu einem agilen Unternehmen wird man natürlich nicht von heute auf morgen, sondern es ist ein Prozess, der tiefgreifende Veränderungen in Führungsebene und Abteilungen erfordert. Gemeinsam können zum Beispiel Prioritäten und ein Zeitplan festgesetzt werden, damit die Transformation geplant abläuft. Zeichnet sich ab, dass der Change-Prozess zu lange dauert oder durch festgefahrene Strukturen zu kompliziert wird, dann empfiehlt sich, die agile Arbeitsweise zunächst nur für kleine, überschaubare Projekte einzusetzen oder sich für eine hybride Methodik zu entscheiden, bis die Organisation völlig bereit ist. Beliebt ist hier zum Beispiel das Water-Scrum-Fall-Modell, bei dem nur Abteilungen agil arbeiten, die mit der Methodik vertraut sind. Der Projektumfang wird zum Beispiel mit klassischen Projektmanagement-Methoden bestimmt, die Entwicklung mit dem agilen Scrum-Framework umgesetzt und der Abschluss und das Reporting dann wieder klassisch. Vor allem Organisationen, die schon mit dem Wandlungsprozess begonnen haben und sich in einer Transitzone befinden, können mit einem Hybridmodell sehr positive Ergebnisse erzielen. Wichtig: Mittels Risk Management muss das Projekt ganz eng begleitet werden, um eventuell flexibel Anpassungen durchführen zu können.

 

Fazit

Das Arbeiten mit agiler Methodik ist die Zukunft und kommt auch den Gewohnheiten und der Gedankenwelt der kommenden Generation an Mitarbeitern entgegen, die nicht mehr in starren Strukturen denken, sondern ihre eigene Kreativität durch selbstbestimmtes Arbeiten ins Unternehmen mit einbringen möchten. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für Organisationen, mit der Transformation zu einem agilen Unternehmen auf allen Ebenen zu beginnen. Damit dieser Prozess so reibungslos wie möglich abläuft, sollte zu Beginn die Change Organisational Readiness überprüft werden. Dabei können externe Berater helfen, die das Unternehmen mit einem objektiven Blick begutachten und daraus die Planung und Durchführung der notwendigen Transformation ableiten können. Denn Agilität ist keine Modeerscheinung, sondern die Grundlage für ein Unternehmen, das der Zukunft gelassen entgegenblicken kann.

Ludger Vieth, IT-Management, CONSILIO GmbH

www.consilio-gmbh.de

 

 

 

Dieser Beitrag ist der fünfte einer sechsteiligen Artikelserie.
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