»Die Anforderungen des immersiven Internets und des Metaverse brauchen völlig neue digitale Infrastrukturen und Kollaborationen!«

Illustration: Absmeier Tung Nguyen

Laut Statista könnte der weltweite Metaverse-Umsatz auf bis zu 468 Milliarden Euro im Jahr 2030 anwachsen. Optimistischere Schätzungen gehen sogar von über eine Billion Dollar Umsatz im Jahr aus. Doch um diese Potenziale auch nur annährend auszuschöpfen, und den Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht zur werden, muss vor allem bei der Infrastruktur aufgerüstet und bestehende Silos überwunden werden, meint Ivo Ivanov, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender vom Internetknoten-Betreiber DE-CIX.

»Obwohl das Internet, wie wir es heute kennen, das größte Infrastrukturprojekt der Menschheitsgeschichte ist, wird dieses gigantische Netz der Netze nicht ausreichen, um den hohen Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht zu werden. Dies ist ein Fakt und nicht wegzudiskutieren! Das immersive Internet hebt die Ansprüche an eine digitale Infrastruktur der Zukunft auf ein komplett neues Level. Es handelt sich hierbei um keinerlei Evolutionsstufe. Wir stehen aktuell an der Schwelle zu einem neuen digitalen Zeitalter, dessen infrastrukturelle Grundlagen es zu bauen gilt. Und das besser heute als morgen. Warum ist das so? Nehmen wir das Konzept des Metaverse als ein Beispiel und schauen uns die technischen Voraussetzungen an, die man braucht, damit der User ein exzellentes Nutzererlebnis hat. Anwendungen wie Virtual- oder Augmented Reality brauchen eine hohe Bandbreite und gleichzeitig äußerst geringe Latenzzeiten. Wollen wir mit einem bestmöglichen Erlebnis in diese neuen digitalen Welten eintauchen, brauchen wir effizientere Datenübertragungswege.

Hohe Geschwindigkeiten und niedrige Umlaufzeiten von Datenpaketen (Latenzen) werden dabei nicht nur zwischen Netz und Nutzer benötigt, sondern auch zwischen verschiedenen Netzen, zum Beispiel von Geschäftspartnern, deren Dienste zusammen das Metaverse zum Leben erwecken. Aktuelle digitale Anwendungen bieten ein akzeptables Nutzererlebnis mit einer Latenzzeit von höchstens einem Wimpernschlag (etwa 100 Millisekunden), aber keine großartige User Experience (UX). Schon heute ist für eine wirklich gute UX eine Latenzzeit von maximal 35 Millisekunden erforderlich. Mit jeder Innovation in der virtuellen Wahrnehmung – visuell, auditiv oder sogar haptisch – steigt allerdings die Latenzempfindlichkeit von Anwendungen. Für die immersive virtuelle Welt der Zukunft werden also niedrige Latenzzeiten im einstelligen Millisekunden-Bereich erforderlich sein, um eine einwandfreie UX zu garantieren. Aber warum ist das so? Es liegt in der Natur der menschlichen Wahrnehmung. Das menschliche Gehirn braucht nur 20 Millisekunden, um haptische Informationen aufzunehmen, 13 Millisekunden, um visuelle Hinweise zu verarbeiten und weniger als eine Millisekunde, um akustische Verzögerungen wahrzunehmen. Um eine authentische immersive Umgebung zu schaffen, muss man also die kürzeste dieser Latenzzeiten realisieren. Nur so fühlen sich Reaktionen und Interaktionen natürlich an und es kann beispielsweise eine Cybersickness vermieden werden.

Anstelle der Infrastrukturen von web1 und web2 brauchen wir für die Zukunft wesentlich leistungsfähigere Wege der Datenübertragung. Big Pipes und Hochleistungsrechner müssen so nah wie möglich am Nutzer und den intelligenten Geräten sein. Um ein nahtloses und authentisches Erlebnis zu schaffen, müssen die Anbieter digitaler Infrastrukturen eine dichte, global verteilte, vernetzte Infrastruktur aufbauen und gleichzeitig eine wachsende Zahl spezialisierter und maßgeschneiderter Interconnection-Dienste anbieten. Gleiches gilt für Unternehmen, die im immersiven Internet präsent sein und das Geschäftspotenzial voll ausschöpfen wollen. Auch hier gilt es, eine eigene robuste, verteilte und widerstandsfähige digitale Infrastruktur zusammen mit kompetenten Konnektivitätspartnern aufzubauen.

Das Wichtigste an diesem Ansatz: wollen wir, dass das immersive Internet der Zukunft funktioniert und erfolgreich ist, werden wir in Zukunft Allianzen und Kooperationen verschiedenster Unternehmen aus der Internetindustrie und den Teilnehmern der gesamten Wertschöpfungskette benötigen. Das ist keine Übung! Wir (ko)operieren hier gemeinsam an der einmaligen Chance einer neuen digitalen Zukunft, dem digitalen Leben von morgen – überall auf der Erde und zum Vorteil von Bildung, Gesundheit und Umwelt. Die alte Silo-Mentalität muss überwunden werden. Besser heute als morgen für das Netz der Zukunft!«

 


Wirtschaftsfaktor Metaverse

15.02.2023

https://de.statista.com/infografik/29300/geschaetzte-entwicklung-des-weltweiten-metaverse-umsatzes/

Auf 468 Milliarden Euro schätzen die Statista Advertising & Media Markets Insights den weltweiten Metaverse-Umsatz im Jahr 2030. Das ist eine vergleichsweise zurückhaltende Prognose. Andere Anlysteunternehmen gehen von einem Marktvolumen zwischen 700 und 1.600 Milliarden US-Dollar aus. So unterschiedlich die Schätzungen sind, so unterschiedlich dürften auch die zugrundeliegenden Definitionen sein.

Bei Statista bezieht sich der Begriff Metaverse auf eine virtuelle Welt oder eine Sammlung virtueller Welten, die in einem gemeinsamen digitalen Raum existieren und auf die die Nutzer über das Internet zugreifen können. Es umfasst in der Regel virtuelle Realität, erweiterte Realität und andere immersive Technologien. Der Begriff Metaverse umfasst ein breites Spektrum an Möglichkeiten, aber einige der gängigsten Segmente sind der elektronische Handel und Spiele. Darüber hinaus könnte das Metaverse auch neue Möglichkeiten für Bildung, Unterhaltung, Gesundheit und Fitness und sogar Telearbeit bieten.

Während sich diese Definition noch relativ vorsichtig liest, zeigt das Rechenmodell, dass es genau diese Segmente sind, die den Markt treiben – vorausgesetzt unsere Analystinnen und Analysten behalten Recht. Allein der Metaverse-E-Commerce-Umsatz könnte bis 2030 auf fast 200 Milliarden Euro steigen. Dahinter folgt Gaming mit rund 156 Milliarden Euro vor Gesundheit & Fitness mit 52 Milliarden Euro. Mehr Informationen und Daten zum Thema liefert unser Metaverse Market Report. Mathias Brandt