Die Menschen mitnehmen – Interview mit Karl Heinz Mosbach

Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer ELO Digital Office GmbH, vermisst die Präsenzveranstaltungen, rät den Behörden ihre Mitarbeiter zu motivieren und für zukunftsorientiertes Handeln zu sensibilisieren, fordert neues Denken, will alte Prozesse auf den Kopf stellen und sieht die Digitalisierung als Werkzeug zur Entlastung der Menschen.


Wie war denn die Resonanz auf den ELO Solution Day in Kornwestheim, der ja seit langem mal wieder als Präsenzveranstaltung ausgetragen werden konnte?

Dank der im Oktober stabileren Lage konnten wir unsere Kunden, Interessenten und Partner endlich einmal wieder persönlich begrüßen – selbstverständlich unter Einhaltung aller gebotenen Maßnahmen. Und mehr als 300 Teilnehmer zeigen, dass es die richtige Entscheidung war. Denn gerade für das Neukundengeschäft bedarf es definitiv persönlicher Begegnungen. Daher trauere ich noch immer ein wenig den klassischen Messen wie der CeBIT nach. Kurze Meetings mit möglichst bekannten Teilnehmern lassen sich prima virtuell durchführen, man spart Reisezeit und -kosten, aber bei der Neukundenansprache toppt ganz klar das Persönliche. Vertrauen lässt sich so einfach besser aufbauen.

 

Karl Heinz Mosbach,
Geschäftsführer
ELO Digital Office GmbH

 


Wie lässt sich dies denn kompensieren? Wird es ein hybrides Format geben, das dieses Szenario annähernd abbilden kann? 

Das ist generell schwierig, aber Apple zeigt, dass es funktionieren kann. Sie laden Publikum zu ihren großen Ankündigungen und übertragen diese gleichzeitig live. Das ist aber eine aufwändige Inszenierung, ähnlich einer Fernsehshow. Bei uns stellt sich dies etwas anders dar. Wir haben in den letzten beiden Jahren verschiedene virtuelle Konferenzen durchgeführt, die sich starker Resonanz mit teils 2000 Teilnehmern erfreuten, jedoch eher als Informationsmedium angenom-men wurden. Der für unsere Partner so wichtige Austausch mit den Interessenten kommt auf diese Weise – trotz entsprechen-der Incentives – jedoch kaum zustande. 


Der Solution Day stand unter dem Motto »Digitalisierung – gewusst wie«. Wie weiß man denn, wie man es am besten macht?

Zuallererst, indem man sich auf solchen Veranstaltungen informiert und mit Experten austauscht. Wie in meiner Keynote ausgeführt, besteht der Kernpunkt nicht nur darin, die Prozesse zu verbessern und zu digitalisieren, sondern vor allem darin, die Menschen mitzunehmen. Man muss ihnen die Ängste nehmen, sie motivieren und begeistern. 

Es braucht dringend einen neuen Spirit, ganz speziell in der öffentlichen Verwaltung, die zum Teil noch immer zu träge agiert, zugleich aber einen enormen Bedarf hat. Es gibt eklatante Unterschiede zwischen kleineren Kommunen und Großstädten wie Berlin, bei denen erhebliche Wartezeiten für normale Behördengänge gang und gäbe sind. Und größere Genehmigungsverfahren dauern aufgrund bürokratischer Hürden ohnehin viel zu lange. Hier muss dringend angesetzt werden. 


Ist denn der Leistungsdruck aufgrund fehlendem wirtschaftlichem Erfolgsdruck bei Behörden nicht geringer?

Das ist prinzipiell schon der Fall. Aber oftmals fehlt bei Abwesenheiten eine wirksame Vertretung, so dass nach Rückkehr allein die aufgelaufenen E-Mails erst einmal mühsam abgearbeitet werden müssen. Erschwert wird eine Vertretung unter anderem dadurch, dass sich die digitale Akte noch nicht wirklich durchgesetzt hat und sich die Unterlagen zumeist physisch am Arbeitsplatz befinden. Zudem tun sich Pflichtbewusste schwerer, Vorgänge zu delegieren.


Aber die letzten 2 Jahre haben doch gezeigt, dass Millionen Unternehmen und Behörden eine konsequente Digitalisierungsstrategie benötigen. Was empfehlen Sie ihnen, um voranzukommen?

Behörden würde ich empfehlen, auf Standardisierung zu setzen und das Rad nicht jedes Mal neu zu erfinden. Denn bisher arbeiten Behörden zum Großteil mit Eigenentwicklungen. Es fehlt an einheitlichen Standards. So nutzt zum Beispiel jedes Rathaus ein eigenes Portal, obwohl alle mehr oder minder die gleichen Bürgerservices anbieten. Außerdem hebelt der Föderalismus das Thema aus. Dass es funktionieren kann, hat dagegen die Briefwahl gezeigt. Hier wurde ein einheitliches System genutzt, das jede Behörde auf ihre Website einbinden konnte. 

Mein Vorschlag wäre, behörden- und gegebenenfalls länderübergreifend eine – oder besser zwei, drei – passende IT-Lösungen einzusetzen, denn Konkurrenz erhöht die Qualität, was sich ja unter anderem bei der Luca App gezeigt hat. Auf Basis solcher Lösungen ließen sich auch Ausschreibungen transparent durchführen. Insgesamt braucht es Anreize für die Organisationen und ihre Mitarbeiter. Die Leute müssen motiviert und für zukunftsorientiertes Handeln sensibilisiert werden. Neues Denken ist gefragt, alte Prozesse müssen auf den Kopf gestellt und nicht einfach überarbeitet werden. Es geht um Vereinfachen und/oder Weglassen. Als Beispiel sei hier der Komfort-Check-in der Bahn genannt, er entlastet den Schaffner und sorgt für mehr Service. Den idealen Mix zwischen Standardisierung und individuellem Customizing sehe ich bei einem Verhältnis von 70:30, oftmals liegt es jedoch bei 50:50 oder darunter!


Könnte Automatisierung gepaart mit KI beim Fachkräftemangel Abhilfe schaffen? 

Automatisierung trägt in jedem Fall dazu bei, Mitarbeiter von Routinetätigkeiten zu entlasten. Wir bei ELO wollen intelligente Software entwickeln, die stets einen Schritt voraus denkt. Wurde zum Beispiel bei der Rechnungserstellung ein Posten gestrichen, kalkuliert unser Rechnungsmanagementsystem automatisch den neuen Betrag, ohne dass der Anwender den Taschenrechner bemühen muss. Auch fallen manche manuellen Tätigkeiten durch automatisches Auslesen von Posten weg, so dass lediglich noch eine Gegenprüfung beziehungsweise Plausibilitätskontrolle erforderlich ist. All dies spart Zeit und gibt den Mitarbeitern Freiraum für wertschöpfendere Tätigkeiten.

Ein weiteres Beispiel hierfür ist das ELO Bewerbermanagement: Das System trifft nach bestimmten Kriterien wie Qualifikation, Beständigkeit, Noten, Zeugnissprache etc. eine Vorauswahl und erstellt darauf basierend ein Ranking in den einzelnen Disziplinen. Allerdings muss man der KI zuerst die Business-Logik beibringen, dann kann sie ganz wesentlich unterstützen.


Hier ist aber der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes entgegenzuwirken, oder? 

Ein wichtiger Punkt ist, dass man die Digitalisierung als Werkzeug zur Entlastung versteht. Versperrt man sich dem Thema, folgen hohe Kosten, was sich am Beispiel der Impfdokumentation veranschaulichen lässt. Hier hätte sich eine digitale Lösung geradezu angeboten, was nicht nur Papier und Lagerfläche gespart, sondern auch die Archivierung vereinfacht hätte. 

Sitzen Unternehmen das Thema jedoch aus, verlieren sie à la longue ihre Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze gehen verloren. Nur Automatisierung und Globalisierung bringen Fortschritt sowie Wohlstand. Derzeit stocken jedoch die globalen Lieferketten. Europa hat beispielsweise bei der Chipfertigung zu viel ins (asiatische) Ausland verlagert und verlässt sich bei der Cloud zu sehr auf US-amerikanische Hyperscaler wie Microsoft, Google oder Amazon. Eine europäische Cloud könnte den Datenschutz EU-DSGVO-konform abbilden und wäre so für sensible Daten prädestiniert. Im Zuge dessen würden sich die Abhängigkeiten verringern und mehr Druck ausgeübt, europäische Richtlinien einzuhalten. Meiner Meinung nach braucht es auch dringend ein mit Experten besetztes Digitalministerium, die sich an ihren Leistungen messen lassen und die Dinge vorantreiben. 


Welchen Ansatz fährt ELO bei New Work und Digital Mindset?

Unternehmen haben gemerkt, dass Arbeit auch anders und flexibler geht. Der Digital Mindset hält mehr und mehr Einzug. Und Work-Life-Balance sollte auch gelebt werden. Bei uns sind zwei Tage Homeoffice pro Woche Standard, je nach Pandemiegeschehen auch bis zu 100 Prozent. Damit die Zusammenarbeit dennoch klappt, versuchen wir, die virtuellen Möglichkeiten mit Hilfe diverser Tools stetig zu optimieren: beispielsweise durch eine enge Verknüpfung unserer ELO ECM Suite mit Microsoft Teams. Teilen nun Mitarbeiter im Rahmen eines Meetings Dokumente, kommen diese direkt aus dem ELO Archiv, wo sie vorgangsbezogen und sicher abgelegt sind. So sind sie auch später wieder rasch verfügbar und liegen nicht – wie zuvor – schwer auffindbar im entsprechenden Teams-Mitarbeiterordner. 

Essenziell ist aber auch, Meetings ordentlich zu planen, vorzubereiten und zu protokollieren. Daher arbeiten wir gerade an einem Tool für das Meetingmanagement. Hierauf können auch Kollegen zugreifen, die am Meeting nicht teilnehmen konnten, im Nachgang aber Inhalte sichten wollen. ELO bereitet zudem eine Neuentwicklung des Teamrooms vor, welcher als eine Art Informationsportal genutzt werden kann. Berechtigte Mitarbeiter stellen dort Dokumente, Beiträge oder Informationen ein. Die anderen im Teamroom aktiven Kollegen können diese einsehen, bearbeiten oder auch Vorgänge mit Hilfe integrierter Tools digital freizeichnen. Solch eine Plattform eignet sich ideal für Projektteams. 

Insgesamt sind Flexibilität und Kreativität bei den Unternehmern gefragt, um Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten. Work-Life-Balance und hybrides Arbeiten sind dabei wichtige Aspekte, die einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Wir haben daher alle Besprechungsräume so umgebaut, dass Hybrid-Meetings stattfinden und Mitarbeiter virtuell zugeschaltet werden können. Um die Dinge kontinuierlich zu verbessern, setzen wir auch auf die Vorschläge der Belegschaft. Die Ideen reichen hier von Essensbons für Restaurants über Getränkespender anstelle von Plastikflaschen bis hin zu Duschen für Radfahrer. Gefragt ist Offenheit, um auch künftig erfolgreich zu bleiben.

Die letzte Frage in Bezug auf den Blick in die Zukunft haben Sie hiermit schon beantwortet. Vielen Dank für das Gespräch.

 


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