Digitalisierung: Sechs digitale Ansätze zur Bewältigung der Energiekrise

Illustration: prettysleepy1

Ob in Kalifornien, Südafrika oder Deutschland: Egal wohin man blickt, ist die Energieversorgung derzeit eines der beherrschenden Themen. Aufrufe zum Energiesparen und längere Stromausfälle sind keine Seltenheit. Um die Energiekrise zu überwinden, müssen wir zügig den Übergang zu erneuerbaren Energien schaffen – selbstverständlich auch, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür müssen wir die Stromnetze umbauen. Konnektivität, digitale Lösungen und die Einbeziehung von Privathaushalten wie Unternehmen können dabei helfen.

 

Elektromobilität: Ein zweites Leben für Batterien

Viele Regierungen unterstützen die Elektromobilität. Die EU etwa will den Verkauf von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor in den nächsten Jahren schrittweise verbieten. Doch obwohl E-Autos mit grünem Strom als eine der nachhaltigsten Formen der Fortbewegung gelten, gibt die Herstellung von Batterien noch immer Anlass zur Sorge. Hier ist in Sachen Nachhaltigkeit noch deutlich Luft nach oben. So glauben Forscher des Massachusetts Institute of Technology, dass gebrauchte Autobatterien mindestens ein Jahrzehnt lang noch als Reservespeicher für Solarstrom verwendet werden können. Sie können die Stromnetze unterstützen und helfen, die Kosten in Spitzenlastzeiten zu senken. Die Batterien stellen Notstrom für kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser bereit und ergänzen die Speicherung von Solar- und Windenergie. Laut McKinsey könnten ausrangierte Fahrzeugbatterien bis 2030 weltweit jährlich 200 Gigawattstunden an Energie speichern.

 

Mit KI den Energieverbrauch von Gebäuden senken

Gebäude sind für fast ein Drittel des globalen Energieverbrauchs verantwortlich. Da im Jahr 2050 Neubauten nur einen kleinen Teil ausmachen werden, hat die Energieoptimierung in bestehenden Gebäuden Priorität. Die Nachrüstung mit KI- und IoT-gestützten Lösungen würde alte Gebäude effizienter machen. Der Zugang zu besseren Daten, moderne Baumethoden und ein »digitaler Mindset« könnten eine Revolution bei der Gebäudenachrüstung auslösen. Dazu gehört der Einsatz digitaler Vermessungstechniken, z. B. Fotos mit Hilfe von Drohnen zur schnellen Erstellung von 3D-Gebäudemodellen. IoT-Anwendungen können den Gebäudebetrieb durch ein zentralisiertes, cloudbasiertes Modell ersetzen, das einen umfassenden Überblick über alle Systeme bietet. Ein Beispiel ist das Empire State Building in New York. Es wurde mit neuen Technologien wie drahtloser Sensortechnik zur Steuerung von Kühlung, Strom, Raumtemperatur und Luftqualität ausgestattet. Das Gebäude gilt heute als Musterbeispiel für eine Gebäudenachrüstung, genauso wie der so genannte HVB-Tower in München.

 

Mit Microgrids Energie sparen

Energie zu sparen und sie effizient zu nutzen ist sowohl für Privathaushalte als auch für große Unternehmen ein entscheidender Faktor mit Blick auf die Kosten und ihren Beitrag zum Klimaschutz. Für die Netze selbst ist die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien eine der größten Herausforderungen der Energiewende. Microgrids, also kleine lokale Stromnetze, sind deshalb ein Thema mit großem Potenzial, nicht nur für Notfallsituationen. Ihr Vorteil: Sie arbeiten unabhängig, sind flexibel und können die Stabilität des Netzes erhöhen. Microgrids können überschüssigen Strom schon auf der kleinsten lokalen Ebene flexibler und effizienter managen und Schwankungen ausgleichen helfen. In San Diego gibt es bereits Microgrids im Hafen, im Zoo und in zwei Militärbasen. Und die Stadt plant acht weitere Microgrids für städtische Einrichtungen, einschließlich Solaranlagen, Speicher und Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Damit die einzelnen Komponenten eines Microgrids aktiv und intelligent agieren, ist die reibungslose Vernetzung untereinander und mit der Umgebung essenziell. Viele Hochschulen und Unternehmen wie Nokia forschen deshalb intensiv an diesem Thema.

 

Digitale Zwillinge für mehr Energieeffizienz

Digitale Zwillinge liefern präzise Informationen, um Entscheidungen zu verbessern. Als digitales Abbild der Realität helfen sie Menschen dabei zu verstehen, wie z. B. ein Unternehmen oder eine Stadt Energie verbraucht und wo Verbesserungen vorgenommen werden können. Digitale Zwillinge können die Entwicklung und Wartung intelligenter Netze ermöglichen. Auch IoT-Sensoren können die digitalen Abbilder physischer Gegebenheiten nutzen, um Straßen und Gebäude zu verwalten und die Energieversorgung so effizient wie möglich zu gestalten. Auch Städte und Metropolregionen arbeiten deshalb seit einiger Zeit an digitalen Zwillingen für die künftige Stadtentwicklung, darunter Tel Aviv oder München.

 

Vernetzte Häfen

In den großen Häfen der Welt ändert sich die Stromversorgung der Schiffe und des Gütertransports. Durch neue Stromsysteme an Land können Schiffe ihre Hilfsdieselmotoren abschalten und sich an das Stromnetz anschließen. Intelligente Hafeninfrastrukturen, von vernetzten Schiffen bis hin zur Vorhersage von Wasser- und Wetterbedingungen, tragen ebenfalls zum Wandel bei. Eine weitere Vision: Um die Güter vom Hafen über Land zu transportieren, sind elektrische Straßensysteme ein möglicher Weg zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs. Mit Überlandleitungen auf Autobahnen und einer stationären Ladeeinrichtungen würden solche Systeme dazu führen, dass Lkw deutlich weniger Energie verbrauchen und sich der Abschied vom Diesel beschleunigt. Auch mit dem grünen Wasserstoff sind beim Lkw-Verkehr große Hoffnungen verbunden, um die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren.

 

Sonnenenergie aus dem Weltraum

Wir bauen einen Satelliten, der Sonnenenergie auffangen und auf die Erde schicken kann? Klingt nach Science Fiction? Ein bisschen vielleicht, aber Forscher der ESA glauben, dass weltraumgestützte Solarenergie langfristig zur Lösung von Energieproblemen beitragen kann. Die technischen Hürden sind dabei immens, darunter die Montage im Weltraum mit Robotern, hocheffiziente Photovoltaik, Hochleistungselektronik und Funktechnik. Auch die Auswirkungen von Mikrowellen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sind zu untersuchen. Auch wenn es noch am Anfang steht, kommt das ESA-Projekt Solaris zu einer Zeit, in der das weltweite Interesse an weltraumgestützter Solarenergie groß ist: Das Vereinigte Königreich hat seine Space Energy Initiative ins Leben gerufen. Die USA, China und Japan bereiten Tests in der Erdumlaufbahn vor. Dann wird sich zeigen, ob die weltraumgestützte Solarenergie als saubere Energiequelle dabei helfen kann, eine Menschheitsaufgabe zu lösen.