Verkehr: Weniger Schadstoffausstoß durch Tempolimit

Als Argument für die Einführung eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen wird oft die Reduzierung des Schadstoffausstoßes angeführt. Laut Daten des Umweltbundesamtes würden sich bei einem Tempolimit von 120 km/h – bezogen auf den Autobahnverkehr – der CO2– Ausstoß (Kohlendioxid) und der HC-Ausstoß (Kohlenwasserstoffe) um jeweils 9 Prozent verringern, die NOx-Emissionen (Stickoxide) um 6 Prozent. Auf die Gesamtemissionen Deutschlands bezogen fällt der Effekt entsprechend geringer aus.

Die Daten beziehen sich auf das Jahr 1995 und nur auf das ehemalige politische Westdeutschland. Inzwischen haben sich folgende Bedingungen geändert: der gesamte CO2-Ausstoß der Bundesrepublik ist von 938 Millionen Tonnen auf 802 Millionen Tonnen (2016) zurückgegangen. Die Fahrleistung der Pkw auf deutschen Autobahnen ist von 203 (2000) auf 244 (2016) Milliarden Kilometer angestiegen. Es ist ferner damit zu rechnen, dass die CO2-Emissionen von in Deutschland neu zugelassenen Pkw in den kommenden Jahren steigen werden, da Hersteller den Kraftstoffverbrauch jetzt mittels neuem und genaueren WLTP-Verfahren (vormals NEFZ) messen müssen. Ein Anstieg ist schon jetzt zu beobachten. Matthias Janson

https://de.statista.com/infografik/16724/emissionsaenderungen-durch-tempolimit-auf-autobahnen/

https://de.statista.com/infografik/16724/emissionsaenderungen-durch-tempolimit-auf-autobahnen/

 


 

»Stickoxide und Feinstaub sind heute das Hauptproblem«

https://pixabay.com/de/

Vor 40 Jahren, am 17. Januar 1979, gab es in Deutschland den ersten Smog-Alarm. Die Luft im Ruhrgebiet war besonders stark verschmutzt: In Duisburg wurden 1400 Mikrogramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter Luft gemessen – der Grenzwert lag damals bei 800 Mikrogramm. Seither hat sich die Luftqualität stark verbessert. Welche Maßnahmen halfen und wie heute Emissionen aus dem Verkehr die Luft belasten, erläutert Prof. Astrid Kiendler-Scharr, Direktorin am Institut für Troposphärenforschung des Forschungszentrums Jülich, im Interview.

 

 

Was waren die Ursachen für den ersten Smog-Alarm?

Der Smog-Alarm vor 40 Jahren war der Kategorie »London Smog« zuzurechnen, so benannt nach dem schweren Smog-Event in London im Winter 1952. Die Ursachen damals waren eine Mischung aus Emissionen – insbesondere Schwefeldioxid aus Kraftwerken, Hausbrand und Industrie – und das Auftreten einer sogenannten Inversionswetterlage, bei der sich Schadstoffe durch den geringen Austausch von Luft besonders anreichern.

Welche Maßnahmen haben damals geholfen?

Insbesondere die konsequente Abgasreinigung, aber auch das Entschwefeln von Treibstoffen wie Benzin und Diesel haben dazu geführt, dass Schwefeldioxid hierzulande kein Luftqualitätsproblem mehr darstellt.

Smog-Alarm: Ist das eine Sache der Vergangenheit? Oder wie sehen die Probleme heute aus?

Smog-Alarm, sowohl im Winter als auch im Sommer, gehört zwar der Vergangenheit an, es gibt aber auch weiterhin Überschreitungen von Grenzwerten der Luftqualität: Stickoxide und Feinstaub sind heute das Hauptproblem. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft die Feinstaubbelastung als eines der größten umweltbezogenen Gesundheitsrisiken ein.

Wo sind die Probleme in Deutschland am größten, und woran liegt das?

Sowohl für Stickoxide als auch für Feinstaub gibt es große Quellen aus dem Verkehr. Dadurch werden die Grenzwerte in verkehrsnahen Lagen oft überschritten. Wie auch schon in der Vergangenheit und in anderen Regionen der Welt ist das Aufeinandertreffen von starken Emissionen und bestimmten meteorologischen Situationen oftmals Auslöser für besondere Belastungen. Talkessellagen wie in Stuttgart sind hier besonders oft betroffen.

Was müsste aus wissenschaftlicher Sicht passieren, um die Probleme zu bekämpfen? Sind Fahrverbote die große Lösung?

Um die Belastung durch Stickoxide zu reduzieren, muss der Verkehrssektor als Ganzes betrachtet werden. Unsere Messungen im Straßenverkehr legen nahe, dass der Pkw-Verkehr nicht Hauptverursacher der Stickoxid-Belastung ist. Eine Umstellung insbesondere des öffentlichen Nahverkehrs und des Lieferverkehrs auf alternative Antriebstechniken – Stichwort E-Mobilität – kann hier große Beiträge leisten.

Mehr zur Jülicher Forschung zur Luftqualität:

 

 

»Smog-Alarm, sowohl im Winter als auch im Sommer, gehört zwar der Vergangenheit an, es gibt aber auch weiterhin Überschreitungen von Grenzwerten der Luftqualität.«

Prof. Astrid Kiendler-Scharr, Direktorin am Institut für Troposphäre des Forschungszentrum Jülich

 

Weitere Informationen:
Forschung zur Luftqualität in der Stadt
Forschung mit dem mobilen Messlabor MobiLab
Pressemitteilung „Stickoxide in Düsseldorf: Neue Daten zeigen, wie die Schadstoffe verteilt sind“ (2. Mai 2018)
Interview mit Dr. Franz Rohrer zur Diesel-Debatte: „Mit Nachrüstungen und Umtauschaktionen für Pkw allein lassen sich die Grenzwerte in Städten kaum einhalten“ (27. September 2018)

 


 

Luftqualität in der Stadt

Wie beeinflusst der Verkehr die Ozonbildung?

 

Wir beschäftigen uns lange schon mit den komplexen Faktoren der Ozonbildung in der unteren Schicht (1-2 km) unserer Atmosphäre. Um zu verstehen, wie der Verkehr die Ozonproduktion beeinflusst, betrachten wir zunächst die Eigenschaften von Benzinern und Diesel-Fahrzeugen.

http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Bilder/IEK/IEK-8/DE/Forschung/ReaktiveSpurenstoffe/BenzinVsDieselfahrzeuge.png?__blob=poster

Unterschied von Benzin- und Dieselfahrzeugen

 

Wir haben anhand von Messungen herausgefunden, wie stark Kohlenwasserstoff- (VOC) und Stickoxidkonzentrationen in deutschen Innenstädten in den letzten 20 Jahren zurückgegangen sind. Mit diesen Ergebnissen haben wir die Ozonproduktionsrate modelliert.

Kohlenwasserstoffkonzentrationen in Innenstädten sind aufgrund der Katalysatoren stärker zurückgegangen als gedacht. Der Stickoxidausstoß ist durch die vielen Dieselfahrzeuge kaum weniger geworden. Dadurch ist die Stickstoffdioxidbelastung in deutschen Innenstädten unverändert zu hoch.

Natürlich müssen die Stickoxide reduziert werden. Allerdings wird durch das niedrigere Verhältnis von Kohlenwasserstoffen zu Stickoxiden wird in den Städten kaum noch Ozon produziert!

 

http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Bilder/IEK/IEK-8/DE/Forschung/ReaktiveSpurenstoffe/Ozonbildung.png?__blob=poster

Ozonbildung

An der Ozonbildung sind sowohl Kohlenwassersstoffe als auch Stickoxide beteiligt. Bei sehr geringen Stickoxidkonzentrationen wird mehr Ozon gebildet, je mehr Stickoxide in der Luft sind. In deutschen Innenstädten ist die Stickstoffoxidkonzentration aber so hoch, dass die Ozonbildung gebremst wird.

 

Wie ändert sich die Ozonbildung?

Ozonbildung 1990 und jetzt; http://www.fz-juelich.de/iek/iek-8/DE/Forschung/ReaktiveSpurenstoffe/EnergiebezogeneEmissionen/Ozonhistorie_node.html

 

 


 

Diesel-Debatte: »Mit Nachrüstungen und Umtauschaktionen für Pkw allein lassen sich die Grenzwerte in Städten kaum einhalten«

https://pixabay.com/de/auspuff-akrapovic-carbon-auto-dtm-2981834/

Angesichts der drohenden Fahrverbote sind aktuell verschiedene Lösungen für Diesel-Pkw im Gespräch. Nachrüstungen und Umtauschprogramme sollen dazu beitragen, die Stickoxid-Belastungen in Innenstädten zu verringern, um die EU- Grenzwerte einzuhalten. Der Atmosphärenforscher Dr. Franz Rohrer vom Forschungszentrum Jülich bezweifelt, dass diese Maßnahmen allein zur Einhaltung der Grenzwerte in großen deutschen Innenstädten ausreichen. Seit über 20 Jahren erforschen seine Kollegen und er, wie sich Emissionen aus dem Verkehr auf die Luftqualität auswirken. Und die Diesel-Pkw in den Städten sind dabei nur ein kleiner Teil des Problems.

 

Dr. Franz Rohrer

Copyright: Forschungszentrum Jülich / Tobias Schlößer

 

 

 

Wie effektiv sind die aktuell verfolgten Maßnahmen?

Franz Rohrer: Die EU hat einen Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter für das Jahresmittel an einer Messstation festgelegt. Mit Nachrüstungen und dem Umtausch von Diesel-Pkw wird sich dieser Wert kaum in dem gewünschten Maße beeinflussen lassen. Konkret erwarte ich, dass diese Lösungen für alle Städte, die einen Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm NO2 und mehr haben, nicht ausreichen wird. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Diesel-Pkw, um die es geht, gar nicht der Hauptverursacher für Stickoxide in deutschen Innenstädten sind. Diesel-Pkw sind nur für etwa 33 Prozent der Stickoxid-Verkehrsemissionen verantwortlich. Aber rund 50 Prozent der Stickoxide aus dem Verkehr kommen von Kleintransportern, Lkws und Bussen.

 

Abgeschätzte Stickoxid-Emissionen (NOx) des Verkehrs in deutschen Städten, in Kilotonnen pro Jahr, 1995 bis 2015: blau: Benzin-Pkw, grün: Diesel-Pkw nach EU-konformen Grenzwerten, rot: Überschüsse Diesel-Pkw bei realem Fahrverhalten (RDE=Real Drive Emissions), gelb: Kleintransporter, Busse und Lkw)

Copyright: Faraday Discuss., 2016, 189, 407, DOI: 10.1039/c5fd00180c (CC BY 3.0)

 

Woher kommen diese Werte?

F.R.: Die oben genannten Werte haben wir im Rahmen einer umfangreichen Analyse zu Emissionen aus dem Verkehr in der Fachzeitschrift »Faraday Discussions« veröffentlicht. Die Publikation wurde von unabhängigen Wissenschaftlern in einem peer-review-Verfahren geprüft. Die Werte beziehen sich auf das Jahr 2015. Ich gehe davon aus, dass heute kein großer Unterschied dazu besteht, weil sich die Rahmenbedingungen seitdem nur wenig geändert haben.

 

Wie erklären Sie sich die hohen Werte für Kleintransporter, Busse und Lkw?

F.R.: Die großen Nutzfahrzeuge sind heute praktisch alle mit einem SCR-Kat ausgerüstet, der die Stickoxide mithilfe von Harnsäure aus dem Abgas entfernt. Die Technik hat aber einen Haken. Heutige SCR-Kats funktionieren erst ab einer Temperatur von etwa 170 Grad Celsius. Effizient arbeiten können sie sogar erst ab 250 Grad Celsius im Katalysatorgehäuse. Im Stop-and-go einer Innenstadt wird diese Temperatur in der Regel nicht erreicht. Das führt dazu, dass die Fahrzeuge im Stadtverkehr viel mehr Stickoxide ausstoßen als offiziell angegeben.

 

Was sollte man noch beachten?

F.R.: Das Umweltbundesamt misst an Verkehrsknotenpunkten in deutschen Innenstädten seit Jahrzenten die Stickoxide NO und NO2. An diesen Messergebnissen kann man sehen, dass die Stickstoffdioxid-Konzentration (NO2), auf die sich der EU-Grenzwert bezieht, nicht im gleichen Maße abgenommen haben wie die Stickstoffmonoxid-Konzentrationen (NO). Die Messungen beweisen, dass es einen stark nicht-linearen Zusammenhang gibt zwischen den NO2-Konzentrationen und den NOx-Konzentrationen (=NO+NO2), die ein Maß für die Verkehrsemissionen sind.

 

Vom Umweltbundesamt veröffentlichte Jahresmittelwerte von NO und NO2(NOx=NO+NO2) in Mikrogramm pro Kubikmeter, NO2 gemittelt für verkehrsnahe Stationen in deutschen Innenstädten, 1995 bis 2015

Copyright: Faraday Discuss. ,2016, 189 ,407, DOI: 10.1039/c5fd00180c (CC BY 3.0)

 

Wie kommt es zu diesem Unterschied?

F.R.: Im Abgas eines Fahrzeuges findet man praktisch nur Stickstoffmonoxid (NO) und nur wenig Stickstoffdioxid (NO2) (in etwa nur 15 Prozent). Das vom Fahrzeug emittierte NO wird erst später in der Umgebungsluft in einer Reaktion mit Ozon zu Stickstoffdioxid (NO2) umgewandelt. Wie viel Stickstoffdioxid entsteht, hängt also auch vom Ozon in der Umgebungsluft ab, die vom Wind in die Städte transportiert wird. Diese sogenannte Hintergrundkonzentration von Ozon war in den letzten Jahren in Deutschland sehr konstant und zeigt praktisch keine regionalen Unterschiede.

Nur ein Teil des von Fahrzeugen ausgestoßenen Stickstoffmonoxids wird tatsächlich in Stickstoffdioxid umgewandelt. Im Wesentlichen heißt das: wenn das vorhandene Ozon schon vollständig durch NO in NO2 umgewandelt ist, kann NO2 nicht mehr weiter ansteigen, auch wenn die NO-Werte immer noch weiter ansteigen. Das heißt umgekehrt: Wenn man Stickstoffdioxid an Verkehrsknotenpunkten senken will, muss man das emittierte Stickstoffmonoxid sehr viel stärker reduzieren, als es aufgrund der gemessenen Stickstoffdioxid-Werte den Anschein hat.

Unsere Untersuchungen zeigen für eine Stadt wie Köln, wo an der Messstelle am Clevischen Ring momentan im Jahresmittel eine NO2-Konzentration von über 60 µg/m³ (Mikrogramm pro Kubikmeter) herrscht, dass es für eine Absenkung auf den Grenzwert von 40 µg/m³ nicht ausreicht, die gesamten Stickoxid-Verkehrsemissionen entsprechend um ein Drittel zu verringern. Denn dadurch würde vorrangig nur die Konzentration von NOx (=NO+NO2) um etwa ein Drittel sinken. Die Stickstoffdioxid-Konzentration (NO2), auf die sich der EU-Grenzwert bezieht, würden nur um 15 Prozent auf 52 µg/m³ zurückgehen. Will man hier unter 40 µg/m³ kommen, müsste man die Verkehrsemissionen hier konkret um einen Faktor 2.6, also um fast zwei Drittel senken.

 

Was heißt das konkret?

F.R.: Wenn man bedenkt, dass alle Diesel-Pkw zusammen gerade ein Drittel der Stickoxid-Verkehrsemissionen in deutschen Städten verursachen, kann man sich vorstellen, wie klein der Effekt von Nachrüstungen und Umtauschaktionen für Diesel-Pkw sein wird. Mein Beispiel zeigt: Selbst wenn man alle Diesel-Pkw in Köln von der Straße holt, lässt sich der NO2-Wert am Clevischen Ring dadurch vermutlich nur um 15 Prozent senken. Das wäre viel zu wenig, um den EU-Grenzwert dort einzuhalten.

 

Welche Maßnahmen gäbe es noch, um die EU-Richtlinien zu erfüllen?

F.R.: Eine andere oder auch zusätzliche Möglichkeit wäre es, Lkw und Busse so aufzurüsten, dass deren SCR-Katalysator auch bei den Fahrsituationen aktiv ist, bei denen im Augenblick noch die Katalysator-Temperaturen zu niedrig für eine Entfernung der Stickoxide sind. Das könnte man zum Beispiel mit Hilfe einer Heizwendel erreichen, die um den Katalysator gewunden wird und die Temperatur dort in allen Fahrsituationen auf mindestens 250°C hält. Das wäre vermutlich viel weniger aufwendig und günstiger zu realisieren als die Lösungen, die aktuell für Diesel-Pkw diskutiert werden. Gleichzeitig würde man damit weit mehr erreichen, als mit der alleinigen Umrüstung oder mit Fahrverboten für Diesel-Pkws.

Quellen:
Christian Ehlers, Dieter Klemp, Franz Rohrer, Djuro Mihelcic, Robert Wegener, Astrid Kiendler-Scharr, Andeas Wahner
»Twenty years of ambient observations of nitrogen oxides and specified hydrocarbons in air masses dominated by traffic emissions in Germany«
Faraday Discuss., 2016, 189, 407, DOI: 10.1039/c5fd00180c

 


 

Prozessindustrie: Erhebliche Einsparpotenziale bei Energie und Schadstoffemissionen möglich