Verwaltungsprozesse für bessere Erfahrung mit den öffentlichen Dienstleistungen optimieren – Government Experience

Die Digitalisierung muss endlich vollumfänglich in den Behörden Einzug halten, damit die Menschen eine positive Customer Experience haben.

Viele Bürgerinnen und Bürger sind mittlerweile der Meinung, dass deutsche Behörden deutlich im Hinblick auf ihre Digitalisierung hinterherhinken. Vor allem betrifft es den Service. Eine Reihe von Behördengängen ließe sich digitalisieren und damit für beide Seiten effizienter gestalten, wenn sie online erbracht würden. Noch dazu: Was sich in einem Bundesland problemlos online erledigen lässt, ist im nächsten nicht möglich. Ganz zu schweigen davon, dass man Behörden Feedback zu seinen Prozessen, Angeboten sowie auch Inhalten geben kann. Nach dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz (OZG) müssen Bund, Länder und Kommunen einen Katalog von 575 Dienstleistungen digital anbieten [1]. Der Katalog umfasst Services wie Elterngeld oder Geburtsurkunden, aber auch Kfz-Zulassungen oder Baugenehmigungen. Doch die Realisierung ist in weiter Ferne – und die Customer Experience der Bürger leidet entsprechend.

Die Ansprüche steigen. Die Geschwindigkeit des digitalen Wandels haben digitale Vorzeigeunternehmen wie Amazon, Spotify, Netflix und andere vorgegeben. Der Staat und Behörden müssen hier Schritt halten und sich daran messen lassen. Schaffen sie es nicht, verschlechtert sich die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger weiter. Schon heute wünschen sich viele schlankere Prozesse und die Möglichkeit, Behördengänge online zu erledigen. Doch die meisten Behörden in Deutschland sind weiterhin traditionell aufgestellt und bieten gerade einmal Online-Terminvereinbarungen an. Viel zu oft vergessen öffentliche Stellen, dass Bürger gleichzeitig auch Kunden und Kundinnen staatlicher Leistungen sind. Sie möchten effizienten Zugang zu Services, wie sie es in anderen Bereichen bereits gewöhnt sind – zum Beispiel bei Bankgeschäften oder beim Online-Handel. Halten Staat und Behörden mit diesen Ansprüchen nicht Schritt, verschlechtert er nicht nur die Zufriedenheit seiner Bürger und Bürgerinnen, sondern sie verpassen auch die Chance, Verwaltungsprozesse zu optimieren. Kein moderner Staat kann es sich leisten, ineffizient zu sein, denn damit ist er nicht (mehr) in der Lage, künftige Herausforderungen zu meistern. Eine Lösung dafür ist, die digitale Transformation in Behörden nachhaltiger voranzutreiben. 

Kanalübergreifende Erkenntnisse gewinnen. Derzeit erhalten viele öffentliche Institutionen Rückmeldung zu ihren Leistungen über einen einzigen Kanal: Der Großteil der Bewertungen erfolgt persönlich vor Ort oder per Telefon und wird selten schriftlich festgehalten. Auf den meisten anderen Kanälen (auch online) gibt es wenige oder überhaupt keine Möglichkeit, einen Service zu beurteilen oder einen Kommentar zu hinterlassen. Ein erster Schritt ist daher, Offline- wie Online-Kanäle für Beurteilungen, Vorschläge oder Rückmeldungen der Bürger zu öffnen. 

Technologien wie Big Data und künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen es, das Feedback von Bürgern hinsichtlich ihrer Betreuung sowie öffentlicher Services insgesamt zu sammeln, zu korrelieren und zu analysieren. Behörden können die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen dazu nutzen, ihr Angebot kontinuierlich zu verbessern und auszubauen. Idealerweise implementieren Behörden und öffentliche Einrichtungen ein Experience-Management-System, das strukturierte und unstrukturierte Daten sammelt und analysiert. Mit einer solchen Lösung lassen sich nicht nur die Angebote der Behörden bewerten, sondern auch weitere öffentliche Dienstleistungen. Dazu gehören beispielsweise das Gesundheitswesen, die Müllabfuhr, Bildungseinrichtungen oder der öffentliche Personennahverkehr. Die Analyse dieser Daten ergibt nicht nur eine Übersicht über die Akzeptanz des Angebots bei den Bürgern. Sondern die öffentliche Hand erhält dadurch auch konkrete Handlungs- und Verbesserungsempfehlungen.

Den Bürgerinnen und Bürgern die bestmögliche Erfahrung bieten. Eines ist jedoch wichtig: Mit einer wachsenden Digitalisierung müssen Behörden gewährleisten, die Bürger auf die Reise mitzunehmen. Denn die digitale Ausbildung ist nicht bei jedem identisch. Einige Personen schätzen den persönlichen Service vor Ort weiterhin und kommen vielleicht mit Online-Angeboten nicht klar. Hier sind funktionierende Rückkopplungselemente wichtig, die die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger identifiziert. Gleichzeitig lassen sich auf dieser Basis auch die digitalen Schnittstellen zwischen Verwaltung beziehungsweise öffentlichen Dienstleistungen und deren Mitarbeitern sowie den Bürgern (weiter)entwickeln und kontinuierlich verbessern.

Diese Government Experience holt kontinuierlich Feedback für staatliche Leistungen über eine Reihe verschiedener Kanäle ein. Öffentliche Dienstleistungen wie Bildungs- und Gesundheitssystem oder Müllabfuhr lassen sich so bewerten und die Zufriedenheit mit den Services messen. Durch die Analyse dieser Daten erhalten Behörden und Anbieter öffentlicher Leistungen Handlungsempfehlungen, die sie in die Lage versetzen, intelligente und informierte Entscheidungen zu treffen. Diese berücksichtigen die Bedürfnisse der Bürger, heben Potenziale und optimieren idealerweise das öffentliche Angebot.

Fazit: Fortschreitende Digitalisierung sorgt für eine positivere Erfahrung. Bei Governance Experience geht es darum, ein umfassendes Verständnis für die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu entwickeln. Kommunale Mitarbeiter lassen sich ebenso einbinden, um bürgernahe Erfahrungen zu vermitteln. Mit fortschreitender Digitalisierung der Behörden-Leistungen sind Bürger nicht nur flexibler, sondern ihre Beziehung zu Behörden – und Staat – ändert sich zum Positiven. Das Ergebnis ist eine bessere Erfahrung mit den öffentlichen Dienstleistungen sowie mit Behörden und Staat insgesamt. Dies hat aber noch einen weiteren positiven Effekt, denn auch die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind zufriedener. Das Ergebnis: Die Menschen auf beiden Seiten des Schreibtischs oder der Webseite stehen im Mittelpunkt der Government Experience.

 


Martin Meyer-Gossner,
Customer Experience Solution Strategist,
Qualtrics

 

[1] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/digitale-verwaltung-warum-die-digitalisierung-der-behoerden-ein-flickenteppich-ist/28448908.html

 

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