Wandel: Der Digital Floor löst die Digital Ceiling ab

Illustration: Absmeier, Expresswriters

Vor knapp zweieinhalb Jahren kamen die ersten Berichte über ein neuartiges Atemwegsvirus auf, das erstmals in Wuhan entdeckt wurde. Die darauffolgende Pandemie mit all ihren Auswirkungen übertraf alle Erwartungen – auch in der Geschäftswelt.

Das Digital Radar von Infosys untersucht seit 2018 die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technologie und analysiert jährlich, welche Technologien populär sind, was funktioniert und warum Veränderungen wichtig sind.

Die erste Studie seit Beginn der Pandemie zeigt einen signifikanten Wandel: Die sogenannten »Watchers« (Beobachter) – also, Unternehmen, die Technologie gegenüber eine abwartende Haltung einnehmen – sind verschwunden.

 

Digital Floor

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Dort, wo bisher eine Art Digital Ceiling elitäre Organisationen von Firmen mit mittlerem Technologieeinsatz trennte, existiert jetzt ein Digital Floor.

Der Digital Floor baut auf einem Fundament von Basistechnologien auf – diese müssen von Unternehmen eingesetzt werden, um relevant und wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Basis des Digital Floor bilden Cloud Computing und die Modernisierung von Legacy-Systemen. Mittlerweile sollten alle Unternehmen dieses Niveau erreicht haben. Dies belegt auch das Digital Radar 2022: Demnach gab weniger als ein Prozent der befragten 2.700 Führungskräfte an, noch nicht mit der Einführung dieser beiden digitalen Initiativen begonnen zu haben. In einigen Branchengehören zusätzliche Komponenten zum Digital Floor, aber Cloud und Modernisierung sind unerlässlich. Erst, wenn Organisationen diese Grundlage geschaffen haben, sind sie in der Lage, zur nächsten Stufe überzugehen und weitere digitale Tools einzuführen und zu nutzen.

 

Umsetzung von Technologie-Initiativen

Im Rahmen des Digital Radar 2022 wurden die teilnehmenden Unternehmen nach 19 verschiedenen Technologien befragt – von Open-Source-Computing bis hin zu Augmented Reality (AR). Die Studie ergab, dass 96 Prozent der Befragten zumindest mit der Einführung dieser Initiativen begonnen haben. Dies gilt für alle Branchen – ein starker Kontrast im Vergleich zu den Ergebnissen von vor drei Jahren. 2019 ging aus dem Digital Radar noch hervor, dass beispielsweise 81 Prozent der Einzelhändler bereits mit der Umsetzung von Technologie-Initiativen begonnen hatten – im Gesundheitssektor galt dies lediglich für 59 Prozent der Firmen. Die aktuelle Studie zeigt einen deutlichen Anstieg auf 97 Prozent im Einzelhandel beziehungsweise 98 Prozent im Gesundheitswesen.

Aber trotz signifikant höherer Einführungsraten, bleibt die nächste Stufe – die vollständige Implementierung digitaler Technologien – fast statisch. So belegt das Digital Radar 2022, dass 72 Prozent der Befragten digitale Technologien in mindestens einer Einheit implementiert haben – 2019 lag dieser Anteil bei 70 Prozent.

Laut Studie erreichten Application Programming Interfaces (APIs) und Microservices den höchsten Umsetzungsgrad. Dabei gaben 79 Prozent der Befragten an, diese beiden Technologien in mindestens einem Geschäftsbereich einzusetzen. An zweiter Stelle folgt Cybersecurity (78 Prozent), gefolgt vom Internet der Dinge (Internet of Things / IoT) mit 77 Prozent.

Welche Voraussetzungen für die Umsetzung einer bestimmten Digitalinitiative adressiert werden müssen, variiert von Technologie zu Technologie, von Branche zu Branche und von Region zu Region. Die Studie zeigt, leistungsstarke Unternehmen ihre Modernisierungs- und Cloud-Strategien als Teil ihres Geschäftsplans regelmäßig und fortlaufend neu bewerten.

Doch während es eine Konstante ist, dass führende Unternehmen ihre Initiativen zur digitalen Transformation immer wieder neu evaluieren, ist es von Region zu Region unterschiedlich, auf welche Technologien sie sich konzentrieren.

In Deutschland weisen 5G und Automatisierung die höchsten Implementierungsraten auf. Im Vergleich zu vor zwei Jahren haben Unternehmen in Deutschland vor allem die Einführung von künstlicher Intelligenz (KI), APIs und Microservices beschleunigt. Bei den Technologien, die bereits eingeführt wurden und zum Geschäftsbetrieb zählen, führen Cloud, APIs und Modernisierung bei den Firmen in Deutschland. Technologien wie No-Code- und Low-Code-Entwicklung, Unternehmensanwendungen und Enterprise Service Management befinden sich aktuell in der Pilot- oder Proof-of-Concept-Phase.

Hoch im Kurs stehen auch Technologien, die schnellere Ergebnisse und bessere Erfahrungen liefern. Allerdings geht es hier um mehr als einen reinen Plug-and-Play-Ansatz.

 

Digitalisierung soll dem Menschen dienen

Aufstrebende Technologien sind zunehmend anpassbar. Bei der Arbeit mit solch komplexen Systemen verliert man leicht die Menschen und den Zweck, dem die Technologie dienen soll, aus den Augen. Das digitale Engagement eines Unternehmens muss auch auf menschlicher Ebene funktionieren. Nur so lässt sich das Potenzial vollständig ausschöpfen.

Bedenkt man die Erwartungen aus Wirtschaft und Technik an Technologie, zeigt sich die Aktualität dieser Botschaft. Die ersten Wellen der digitalen Einführung unterstützen Organisationen dabei, effizienter zu werden: Die grundlegenden Technologien des Digital Floor sind in dieser Hinsicht noch immer erfolgreich.

Doch mittlerweile verfolgen Unternehmen ein anderes Ziel: Technologie soll Innovationen vorantreiben, einen besseren Kundenservice ermöglichen und neue Erkenntnisse aus den zur Verfügung stehenden Datenmengen generieren, so die Studie.

Dieser Wandel spiegelt sich auch bei den neu aufkommenden Technologien wider, die Unternehmen aktuell verstärkt einführen: Im Vergleich zu vor zwei Jahren wurde insbesondere die Implementierung von Blockchain, KI und IoT beschleunigt. In der Pilot- oder Proof-of-Concept-Phase finden sich aktuell aufkommende Technologien wie No-Code- und Low-Code-Entwicklung, AR/Virtual Reality (VR) und Legacy-Modernisierung.

Die Legacy-Modernisierung ist ein wichtiger Teil des Digital Floor – fast alle Unternehmen haben hier einen guten Anfang gemacht. Die digitale Transformation und der Aufstieg vom Digital Floor ist jedoch in den meisten Firmen noch nicht abgeschlossen und wird wahrscheinlich auch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Mohit Joshi, President, Infosys

 

Tech-Initiativen im Detail
Überblick
Compulsory: Established: Emerging: Accelerating:
Höchste Startraten
Höchste Implementierungsraten
Initiativen mit dem höchsten Prozentsatz in der Proof-of-Concept- oder Pilotphase
Größte Veränderung der Implementierungsrate über zwei Jahre
Cloud (99,6 %),

Legacy-Modernisierung (99 %),

APIs und Microservices (99 %)

APIs und Microservices (79 %),

Cybersecurity (78 %)

Internet of Things (77 %)

Blockchain (29 %),

Artificial intelligence (27 %), Internet of Things (26 %)

No-Code – und Low-Code-Entwicklung (32 %),

Legacy-Modernisierung (31 %), AR/VR (30 %)

 

 

Deutschland

Compulsory: Established: Emerging: Accelerating:
Höchste Startraten
Höchste Implementierungsraten
Initiativen mit dem höchsten Prozentsatz in der Proof-of-Concept- oder Pilotphase
Größte Veränderung der Implementierungsrate über zwei Jahre
Cloud (100 %),

Legacy-Modernisierung (99 %),

APIs und Microservices (98,8 %)

5G (79 %), Automatisierung (77 %),

APIs und Microservices (75 %)

APIs und Microservices (40 %), Artificial intelligence (36 %),

Blockchain (34 %)

 

No-Code – und Low-Code-Entwicklung (38 %), Unternehmens-anwendungen (35 %),

Enterprise Service Management (34 %)