Warum wir eine Demokratisierung der Innovation brauchen

Illustration: Absmeier LeeRosario

Einblicke in die eigene Technologie gewähren? Mit dem Konkurrenten zusammenarbeiten? Für viele Unternehmen auch heute noch unvorstellbar: Ihre vermeintlichen Juwelen schützen sie wie Fort Knox. Diese Denkweise – sich abzuschotten, anstatt gemeinsam neue Entwicklungen voranzutreiben – funktioniert jedoch nicht mehr. Der steigende Wettbewerbsdruck durch die Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen und der damit höhere Innovationsdruck tragen maßgeblich dazu bei, dass der Innovationsprozess optimiert und geöffnet werden muss. Vielen Akteuren fehlen einfach die notwendigen finanziellen Mittel für bahnbrechende Neuentwicklungen, aber auch die interne Expertise. Zwecks Risikominimierung entwickelt sich daraus fast automatisch die Notwendigkeit, sich mit Partnern, Zulieferern oder sogar anderen Anbietern zusammenzuschließen. Dieser Trend zur sogenannten Coopetition, also zur Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern, ist keineswegs eine Selbstlosigkeit, sondern der klaren Erkenntnis geschuldet, dass sich Marktanteile auf Dauer nur dann erzielen und auch halten lassen, wenn Unternehmen neue Wege gehen.

Im Privatleben hat sich die Plattformökonomie rasant durchgesetzt – Internetanbieter fürs Einkaufen, für die Hotelbuchung oder Partnersuche gehören heute ganz selbstverständlich zum Alltag. Und so ist es auch abzusehen, dass die Plattformökonomie zwangsläufig im B2B-Bereich Fuß fassen wird. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Automobilindustrie, kaum eine Branche durchlief in den letzten Jahren einen derart tiefgreifenden Wandel. Angesichts der Tatsache, dass die Fahrzeuge immer autonomer werden und Mobilität längst eine Dienstleistung ist, mussten die Manager aufpassen, dass sie nicht zu reinen »Blechbiegern« verkommen und das lukrative Geschäft anderen überlassen. Alle Autobauer setzen zwar auf mehr IT-Kompetenz im Unternehmen selbst – aber auch auf Kooperationen. Sie schließen sich zu Ökosystemen zusammen, die die gesamte automobile Wertschöpfungskette abbilden. Denn sie haben erkannt, dass die Zusammenarbeit bei nicht-differenzierenden Merkmalen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit bei den differenzierenden Merkmalen führt. Das spart hohe Investitionen in Technologien, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft zählen, und stellt sicher, dass etwa die ohnehin stark gefragten Softwareentwickler sich bei ihrer Arbeit darauf fokussieren können, was im Wettbewerb gegenüber dem Kunden den Unterschied ausmacht. Die Plattformökonomie ist aber nicht nur ökonomischer, sondern auch ökologisch vernünftiger. In Zeiten von steigender Umweltverschmutzung, Rohstoffknappheit und regulatorischem Druck lassen sich durch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit wertvolle Ressourcen einsparen. Sie ist damit der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit.

Fakt ist, die sogenannte Innovationsschwelle ist sehr hoch. Ob man es nun Open Innovation, Platform Economy oder Informationsökonomie nennt – der Gedanke dahinter ist immer derselbe: Warum das Rad jedes Mal neu erfinden, wenn es schon jemand anderes mit wahrscheinlich mehr Know-how gemacht hat? Digitale Ökosysteme und Plattformen, die auch der Grundgedanke von Open Source sind, sind heute die Basis für Innovationen. Anstatt viel Geld und Ressourcen in die komplette Neuentwicklung von Produkten und Lösungen zu stecken, können Unternehmen auf bestehende Technologien zurückgreifen und mit eigenen Ideen »veredeln«. Gerade in Krisenzeiten, in denen Budgets für neue Projekte zurückgehalten werden, senkt der Plattform-Gedanke die Innovationsschwelle für Unternehmen deutlich. Und diese Demokratisierung brauchen wir dringend.

Gregor von Jagow, Senior Director & Country Manager Red Hat Germany