Steigende Energiekosten und ein weltweiter Rohstoffmangel machen auch vor der Druckerbranche keinen Halt. Allein die Preise für eine Tonne Papier haben sich in den letzten vier Jahren von 80 Euro auf 172,99 Euro erhöht. Zusätzlich gibt es Lieferengpässe und enorme Strom- und Treibstoffkosten. Dennoch könnte die aktuelle Schieflage der Wirtschaft eine Chance für einen Teil der Druckereien sein. Denn gerade der Digitaldruck mag sich teilweise vielleicht als Retter in der Not erweisen.
Rohstoffsituation in der Druckerbranche
Der wichtigste Rohstoff der Druckereien ist Papier. Papier wächst aber nicht auf den Bäumen, sondern wird bekanntermaßen aus solchen gewonnen. Genauer gesagt braucht es zur Papierherstellung Zellstoff, der aus Holz oder recyceltem Altpapier hergestellt wird. Aktuell liegt die Quote von Holz und Altpapier bei der Zellstoffherstellung bei 50:50.
Wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, der hat den Holzmangel in Deutschland vermutlich bereits zur Kenntnis genommen. Ein großer Teil der deutschen Erzeugnisse der Wald- und Forstwirtschaft wird nach China exportiert und nicht im eigenen Land verwertet.
In Bezug auf die Papierbranche entsteht dadurch aber nur ein zu vernachlässigendes Problem. Denn die meisten Rohstoffe zur Materialherstellung stammen aus Finnland und Schweden. Der Anteil der beiden Länder am deutschen Papierlieferantenmarkt beträgt zusammen 45,9 Prozent. Auch von den drei weltgrößten Zellstoffherstellern Brasilien, Indonesien und Kanada bezieht die deutsche Industrie den Rohstoff. Allerdings nimmt China diesen Ländern ebenfalls große Mengen an Zellstoff ab. Dadurch kommt es nicht nur zu Lieferengpässen, sondern auch zu Preissteigerungen. Denn Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.
Eine Alternative, um den Holzmangel zu umgehen, wäre die Nutzung von mehr Altpapier. Eine Quote von 80:20 zugunsten des Altpapiers wäre denkbar. Allerdings gibt es auch dabei eine Herausforderung. Denn die Qualität des Altpapiers lässt immer mehr zu wünschen übrig. Das liegt daran, dass der Anteil von hochwertigem Material wie Zeitungspapier stetig geringer wird, während vergleichsweise minderwertige Stoffe wie Karton zunehmen.
Der Grund dafür kann unter anderem durch die Corona-Krise erklärt werden. Aufgrund von Lockdown, Quarantäne und Homeoffice wurden immer mehr Waren online bestellt. Die Verpackungen fanden ihren Weg anschließend als minderwertige Kartonagen in das Altpapier. Als Folge ist der gewonnene Zellstoff von schlechterer Qualität und kann nicht mehr von allen Abnehmern wie gewohnt genutzt werden.
Auswirkungen des Chipmangels
Auch der weltweite Chipmangel betrifft die Druckereien. In den Medien wird vor allem die Automobilindustrie als Opfer des weltweiten Chipmangels bemitleidet. Allerdings wirken sich die Lieferengpässe auch auf andere Branchen aus.
So gab der Druckerpatronenhersteller Canon Anfang des Jahres bekannt, dass die Produktion stark unter den fehlenden Waren leidet. Denn bisher waren stets Authentifizierungschips in den Patronen verbaut. Daran konnte das Druckgerät des Endkunden die Echtheit der Patrone erkennen.
Nun fehlen genau diese Chips, wohingegen sich die Nachfrage nach Druckerpatronen signifikant erhöht hat. Das liegt unter anderem ebenfalls an den Auswirkungen der Pandemie. Wo es möglich war, wurden Mitarbeiter in das Homeoffice geschickt. Dort mussten aber nach wie vor Dokumente gedruckt werden, weshalb sowohl die entsprechenden Geräte als auch zugehörigen Patronen in großer Zahl gekauft wurden.
Canon ging deshalb den Weg, seine Patronen ohne den sogenannten DRM-Chip zur Wiedererkennung auszuliefern. Grundsätzlich funktionieren die Produkte auch ohne den Chip. Allerdings spielen die Endgeräte dann regelmäßig Fehlermeldungen aus, die den Arbeitsablauf stören.
Single Sourcing als Problem in der Krise
Deutsche Druckereien sind aufgrund der widrigen Umstände dabei, ihre Strategien zu überarbeiten. So wird etwa versucht, den steigenden Kostendruck mit intelligenter Automatisierung entgegenzutreten. Es wird vermehrt künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, um beispielsweise dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein weiteres Thema, das beinahe alle Branchen betrifft, ist fehlendes Personal.
Einen zusätzlichen Punkt spricht Oliver Schimek, Geschäftsführer der Digital-Print-Group.de, gegenüber der Presse an. Er steht im aktuellen Wirtschaftsabschwung dem Thema Single Sourcing kritisch gegenüber. Während er früher auf einen einzigen Zulieferer setzte, hat er mittlerweile Verträge mit mehreren Anbietern geschlossen.
Single Sourcing, also die Beschaffung von Materialien, Produkten und Dienstleistungen über einen einzigen Anbieter, hat verschiedene Vorteile. Wer regelmäßig hohe Stückzahlen abnimmt, der kann lukrative Preise verhandeln. Der günstige Einkauf wirkt sich entweder auf die Gewinnspanne, den Endpreis oder beides positiv aus.
Doch Herr Schimek erkannte relativ früh die Zeichen der Zeit. Bereits bei der ersten leichten Lieferverzögerung Anfang 2021 nahm er Gespräche mit anderen Anbietern auf. Nach wie vor setzt sein Unternehmen auf den bisherigen Hauptlieferanten, aber es ist dennoch gewappnet, falls dieser einen Produktionsausfall erleiden sollte.
Auslagerung von Offset-Aufträgen
Während die Digital-Druck-Branche sich aktuell mit vielen Herausforderungen konfrontiert sieht, erscheint auch ein unerwarteter Lichtblick am Horizont. Denn die Ressourcenprobleme betreffen beinahe alle Unternehmen.
Als Lösung werden häufig die vorhandenen Prozesse unter dem Gesichtspunkt des Minimalprinzips betrachtet. Die Frage ist, wie kann das Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht werden. Wer aufgrund von Personal- oder Rohstoffmangel seine Produktion nicht selbstständig fahren kann, der greift auf außerbetriebliche Unterstützung zurück. Es werden Freiberufler und Partnerunternehmen unter Vertrag genommen.
Im Bereich des Offset-Drucks strecken einige Unternehmen ihre Fühler zart in Richtung Digital-Druck-Branche aus. Unter Einbindung des Mitbewerbers könnten zumindest Sonderexemplare oder kleinere Auflagen produziert und verkauft werden, falls die eigenen Kapazitäten erschöpft sein sollten.
Der Offsetdruck wird insbesondere für Großauflagen verwendet. Bücher und Zeitungen werden damit genauso erstellt wie Werbedrucke und Verpackungen. Das indirekte Flachdruckverfahren lohnt sich allerdings nur bei Großauflagen. Dann ist es aber nach wie vor günstiger als der Digitaldruck.
Dennoch hat in den letzten Jahren der digitale Druck an Fahrt aufgenommen. Es können mittlerweile selbst hohe Stückzahlen in kürzester Zeit produziert werden. Ein hochwertiger Inkjet-Drucker wie der Océ ColorStream 3500 ist in der Lage, 75 Meter pro Minute oder 60.000 DIN-A4-Bögen pro Stunde zu bedrucken. Dadurch sind selbst größere Auflagen in relativ geringer Zeit umsetzbar.
Ein kreativer Geist im Kampf gegen die Krise
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist unternehmerisches Denken gefragter denn je. Die Digitaldruckereien sehen sich derzeit mit Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen konfrontiert. Allerdings können diese Probleme zu zukunftsweisenden Lösungen und Kooperationen führen.
Wer sich aktuell zurücklehnt und versucht, die stürmischen Zeiten abzuwarten, der gerät leicht ins Wanken. Möglicherweise kentert er sogar. Stattdessen ist Tatendrang angesagt. Es lohnt sich nicht, auf Anfragen von Offset-Unternehmen zu warten. Wesentlich lukrativer ist es, von sich aus eine Zusammenarbeit anzubieten.
Zeitgleich müssen Gespräche mit Zulieferern geführt werden, denn auf Single Sourcing ist im Moment kein Verlass mehr. Unternehmer, die dann noch zusätzliche Technik klug in den vorhandenen Produktionsprozess einbinden, können aus der Krise möglicherweise als Gewinner hervorgehen.