Der All-in-Vertrag: Was ist erlaubt?

Illustration: Absmeier – Romain Dancre

Viele Berufe erfordern ein gewisses Kontingent an Überstunden. Vor allem, wenn zeitsensitive Tätigkeiten durchgeführt werden müssen, müssen Arbeitnehmer dabei am Wochenende einspringen oder abends länger im Büro bleiben. Dies wird bei den meisten Unternehmen als Überstunden oder Zeitausgleich abgerechnet, außer die Arbeitnehmer haben einen All-in-Vertrag unterschrieben. Wir sehen uns die spezielle Überstundenregelung einmal genauer an und wollen herausfinden, was die Vor- und Nachteile eines solchen Vertrags sind.

 

Was ist der All-in-Vertrag?

Der Begriff »All-in« lässt sich auch im Online Glossar einer beliebten Freizeitbeschäftigung finden. Die Rede ist von Poker. Sagt ein Spieler an, dass er »all-in« gehen möchte, bedeutet dies, dass alle verfügbaren Chips eingesetzt werden sollen. Das birgt ein großes Risiko, kann aber auch hohe Gewinne ermöglichen. Ähnlich sieht es bei den Verträgen aus, die nach diesem Spielzug benannt wurden. Bei ihnen gehen die Arbeitnehmer »all-in«, was ihre Überstunden betrifft. Das bedeutet, dass in ihrem Gehalt sämtliche anfallenden Überstunden mit inbegriffen sind. Es gibt also keine zusätzliche Kompensation für jene Stunden. Ein solcher Vertrag ist daran zu erkennen, dass er eine Klausel wie folgt beinhaltet: »Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.«

 

Überstunden in Deutschland

Die meisten Arbeitnehmer mussten bereits die ein oder andere Überstunde leisten. Laut einer Statistik wurden im Jahr 2020 1,667 Milliarden Überstunden benötigt, davon waren 892 Millionen unbezahlt – also mehr als die Hälfte. Dies zeigt, wie gängig das Vertragsmodell auch heute noch ist. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass in Verträgen ab 2010 eine genauere Definition der Überstunden festgelegt werden muss. Gültig sind also eigentlich nur jene Klauseln, die angeben, in welchem Ausmaß Überstunden zu verrichten sind. Diese können in Prozentzahlen oder auch mit einem wöchentlichen Höchstmaß (bspw. drei Überstunden pro Woche oder 15 % über dem vereinbarten Stundenpensum) angegeben werden.

 

Sonderregel für Besserverdienende

Tatsächlich gibt es eine Sonderregel, die für jene Arbeitnehmer gilt, die in wichtigen Positionen stehen und ein hohes Gehalt erhalten. Dieses Gehalt richtet sich an der Bemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung und liegt im Jahr 2022 zwischen 6.750 und 7.050 Euro monatlich – die Unterschiede ergeben sich aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Solche Gehälter werden meist nur in leitenden Positionen vergeben, bei denen viele Überstunden an der Tagesordnung stehen. Hier kann ein All-in-Vertrag deshalb Überstunden in jeglichem Ausmaß bedeuten. Gleiches gilt auch für Angestellte, die einen Dienst höherer Art ausführen. Darunter versteht man Berufe, die eine gewisse Fachexpertise benötigen und nur von ausgewählten Personen durchgeführt werden können. Dies sind bspw. Rechtsanwälte, Architekten oder Ärzte. Bei diesen Berufsgruppen gilt generell kein Anspruch auf die Kompensation von Überstunden, außer dies wird speziell im Vertrag geregelt.

 

Vor- und Nachteile des All-in-Vertrags

Die Nachteile dieses Vertragsmodells sind wohl relativ offensichtlich. Überstunden werden nicht zusätzlich vergütet und so können sich Arbeitnehmer weder etwas zusätzlich verdienen, noch einen Zeitausgleich durch lange Abende und Wochenenden im Büro erarbeiten. Ist die Menge der Überstunden nicht festgelegt, haben Arbeitnehmer außerdem wenig Möglichkeiten, sich gegen auferlegte Stunden zur Wehr zu setzen. Werden Überstunden erfordert, müssen diese nach der gesetzlichen Regelung durchgeführt werden. Dies kann auch im privaten Bereich immer wieder zu Ärgernissen führen.

Gleichzeitig kann die Überstundenregelung dazu führen, dass grundsätzlich höhere Gehälter ausgezahlt werden, mit denen diese pauschal beglichen werden. Gibt es gerade weniger zu tun und es sind keine Überstunden anfällig, erhält der Arbeitnehmer trotzdem sein höheres Gehalt. Für Tätigkeiten wie den Arztberuf fallen ebenfalls grundlegend höhere Gehälter an. Hier ist die Klausel Teil des Berufslebens. Wer sich für eine solche Ausbildung entscheidet, muss sich deshalb auch über die Arbeitszeiten bewusst sein. Alternativ bietet sich natürlich immer auch die Möglichkeit der Selbstständigkeit, die allerdings wiederum ganz andere Risiken birgt.

Der All-in-Vertrag ist grundsätzlich ein legitimes Konzept, welches in vielen Berufsfeldern unvermeidbar ist. Trotzdem sollten sich Arbeitnehmer beim Unterschreiben solcher Verträge bewusst Gedanken machen, ob sich die Klausel gehaltsmäßig lohnt und die Work-Life-Balance trotzdem aufrechterhalten werden kann. Wer nicht als Besserverdienender gilt oder einen Dienst höherer Art ausführt, darf außerdem darauf bestehen, dass das Ausmaß der Überstunden schriftlich festgehalten wird.