Adaptives Enterprise Resource Planning – Jedes ERP lässt sich verbessern

Adaptives Enterprise Resource Planning

Zurzeit scheint sich alles um Industrie 4.0 (I 4.0) und Internet of Things (IoT) zu drehen. Auguren verkünden verheißungsvolle Utopien und Softwareentwickler versprechen für die nahe Zukunft Innovationen, mit denen I 4.0 und IoT erst sinnvoll und vor allem erfolgreich werden. Dabei wird aber stets vergessen, dass das Herzstück eines I 4.0-Szenarios auch künftig das ERP-System sein wird. Der Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens hängt weiterhin vor allem vom richtigen ERP-System und seinen individuellen und unternehmensrelevanten und -angepassten Funktionen ab.

ERP kann heute jeder und ERP hat heute auch jeder. Die Systeme helfen bei Produktionsprozessen und betrieblichen Abläufen. Warum also Zeit darauf verschwenden? Weil heute und künftig der Unternehmenserfolg weiterhin an das Herzstück gekoppelt sein wird: das ERP-System. Holpert es hier, ist der Erfolg in Frage gestellt. Da helfen kein IoT und keine I 4.0-Konstruktionen. Die ERP-Systeme sind und bleiben die Schrauben, an denen ein Unternehmen drehen muss, um Prozesse zu optimieren, sich Marktlagen und Kundenforderungen anzupassen und sich vom Wettbewerb abzuheben. Darum darf man sie keinesfalls vernachlässigen. Dieser Aufgabe haben sich die Entwickler der Berghof-Group, einem Softwarehaus aus dem thüringischen Königsee, verschrieben.

Der Kybernetik-Ingenieur und Firmengründer Steffen Berghof entwickelte ein Verfahren, Unternehmensprozesse nicht nur – wie sonst in der ERP-Welt üblich – zu steuern, ihnen also eine Richtung zu geben, sondern diese Prozesse zu regeln, adaptiv zu regeln. Er entwickelte auf der Grundlage kybernetischer Modelle mit einem Softwarepartner als Erster Module und Tools, um firmeninterne Prozesse weiter zu beschleunigen, zu verschlanken und letztlich Kosten zu sparen. Im Rahmen einer sogenannten Impact-Analyse definieren Berghof-Spezialisten in jeder Firma die Hebel und Stellschrauben, mit deren adaptiver Regulierung sich die Produktionsziele besser erreichen lassen. Völlig integriert in ERP-Systeme leisten dann etwa die Module DPA (Dynamischer Produktionsabgleich) und SRM (Selbstregulierender Mechanismus) im Zusammenspiel mit Simulationsplattformen genau diese Arbeit.

 

SRM – Der Bestandsregler

Die SRM-Reglerkomponenten sorgen für die Aufrechterhaltung der zuvor mit dem Management abgestimmten Lieferzeiten für die Verkaufsprodukte und regeln die Bestandshöhen für die dazu erforderlichen Bevorratungs- und Nachschubebenen. Sie berechnen belastbare Prognosen des künftigen Materialbedarfs unter anderem auf der Basis historischer Verbräuche und der Analysen von Bedarfsvorläufen, Rückständen und Fehlteilen. Daraus werden kontinuierlich Parameter für das ERP-System abgeleitet wie Bestellmengen, Mindestbestände, Losgrößen und Sicherheitsbedarfe sowie Entscheidungsvorschläge für die Dispositionsart erstellt. Bei Veränderungen, die sich auf Vertrieb oder Einkauf auswirken, werden die Parameter durch die Regler umgehend wieder zielgerichtet eingestellt. Zur besseren Kollaboration mit Lieferanten erstellt das System außerdem mittel- bis langfristige Forecasts.

DPA – Der Durchlaufzeitenregler 

Der dynamische Produktionsabgleich synchronisiert und regelt als Herzstück der ERP-Auftragsterminierung sämtliche Aufträge innerhalb der gesamten Supply Chain mit dem Ziel, vorgegebene Liefertermine auch bei Störungen im Produktionsablauf einzuhalten. Er bildet zunächst Auftragsnetze – auch virtuelle – und passt ihre Geschwindigkeit dann an die aktuelle Produktionssituation an, indem die Prioritäten der Aufträge untereinander kontinuierlich geregelt werden. Aktuelle und zukünftig zu erwartende Verzüge werden ermittelt und automatisch durch Verschieben, Priorisieren und Entpriorisieren von Aufträgen sowie durch Beeinflussung der Tot- und Liegezeiten ausgeglichen. Eine wesentliche Funktionalität ist die laufende Sicherstellung der Materialdeckung durch eine ständige Synchronisation der Bedarfs- mit der Zugangssituation in der Fertigung.

 

Adaptation und ERP. Die Adaptation ist bereits seit langem aus den verschiedensten naturwissenschaftlichen Fächern bekannt. Ein bekanntes Beispiel für adaptive Regelungen aus der Biologie ist das Chamäleon, das sich in Echtzeit farblich seiner Umgebung anpasst. Und schon länger gibt es adaptive Technik in der Luftfahrt. Bei einem Düsenjet etwa ändern sich die Zustände extrem schnell. Der Ausschlag am Steuerknüppel des Piloten ist immer gleich, der Ausschlag am Ruder im Landeanflug, beim Start oder beim Überschallflug aber stets verschieden. »Genau da wollen wir hin, nämlich in Echtzeit solche Anpassungsreflexe in der Informationstechnologie für die Produktion, Logistik und andere Bereiche erzeugen«, fasst Berghof zusammen.

Wie kommen jetzt adaptive Regelung und ERP zusammen? In ein klassisches ERP-System baut man Regler ein, für die man vorher Ziele festlegen muss. Damit hat man ein geregeltes ERP-System. Dieses System wird zum adaptiv geregelten ERP-System, wenn man eine Simulationsplattform hinzufügt, die mit den Reglern zusammenarbeitet, also den Reglern etwas mitteilt, was diese dann angepasst ans ERP weitergeben. Außerdem gehört eine Monitoring-Plattform dazu, die die Regelung überprüft. Schließlich gibt es noch Filter etwa für Ausreißer, die verhindern sollen, dass unsinnige Aufträge ins ERP-System gelangen.

Aufgabe und Ziel lassen sich am Beispiel der Produktionsliquidität verdeutlichen (Abbildung 1). In den Einkauf und die Produktion muss ein Unternehmen erst einmal Geld investieren. Geld verdient wird erst, wenn die Produkte in den Verkauf kommen. Die adaptive Regelung soll nun die Bereiche in einem vernünftigen Gleichgewicht halten. Dabei werden Einkauf und Produktion über Ventile (laufende Bestellungen/Anstehende Aufträge) gesteuert, die wiederum über verschiedene Parameter geöffnet oder geschlossen werden. So bestimmen etwa die Wiederbeschaffungszeiten, Losgrößen und Mindestbestellmengen die Öffnung des Ventils »lfd. Bestellungen« wesentlich mit.

Abbildung 1: In den Einkauf und die Produktion muss ein Unternehmen erst einmal Geld investieren. Geld verdient wird erst, wenn die Produkte in den Verkauf kommen. Die adaptive Regelung soll nun die Bereiche in einem vernünftigen Gleichgewicht halten.

Abbildung 1: In den Einkauf und die Produktion muss ein Unternehmen erst einmal Geld investieren. Geld verdient wird erst, wenn die Produkte in den Verkauf kommen. Die adaptive Regelung soll nun die Bereiche in einem vernünftigen Gleichgewicht halten.

Adaptive Optimierung für alle Systeme. Die adaptiv geregelte ERP-Welt enthält also einen ERP-Kern und dazu einen Reglerkern, der mit dem ERP-System läuft. Auf einer Simulationsplattform mit dem Modul DPA III findet eine Simulation der Auftragsnetze statt und zusätzlich berechnet ein Analysetool permanent die Engpässe und ihre Wechselwirkungen. Die Plattform meldet die aktuellen »Umweltbedingungen« an die Regler, die für die adaptierten Einstellungen im ERP-System sorgen. Da die Berghof-Module DPA II und SRM inzwischen im Rahmen des DPA III auf der Simulationsplattform sitzen, bieten sich hier Integrationsmöglichkeiten für die ERP-Systeme aller Anbieter.

Die Erkenntnis des Archimedes »Gebt mir einen festen Punkt im All und ich hebe euch die Welt aus den Angeln« lässt sich auch auf Unternehmen anwenden und ist so etwas wie die Basis für das Selbstverständnis der Berghof Group. Konkret: Alles soll automatisiert werden, und für das, was sich nicht automatisieren lässt, können bereits heute im Rahmen einer Impactanalyse die richtigen Hebel und Ansatzpunkte mit den größten Auswirkungen beispielsweise auf die Liefertermintreue – etwa Fehlteile, Engpässe oder auch Lieferanten mit starken Einflüssen auf die Produktion – identifiziert werden.

Der Mensch im Mittelpunkt. Die Zukunft sieht man bei Berghof in der Vernetzung eines sogenannten Mind-Leitstands mit der Umgebung (Abbildung 2). Drehte sich bisher stets alles um die SCM-, ERP- und MES-Ebenen, ist es real aber so, dass letztlich Menschen entscheiden, ob alles auch funktioniert. Daher will man mit einem Mind-Leitstand die Hebel identifizieren, die von Mitarbeitern nicht gezogen wurden, obwohl die adaptiven Systeme sie anzeigten. Das soll überprüft und überwacht werden, um daraus Trainingsprogramme zu entwickeln, weil in der SCM/ERP/MES-Pyramide (linke Seite der Grafik) im Großen und Ganzen bereits alles funktioniert, der Mensch aber trotzdem Entscheidungen nicht trifft.

Abbildung 2: Vernetzung eines sogenannten Mind-Leitstands mit der Umgebung. Mit einem Mind-Leitstand sollen die Hebel identifiziert werden, die von Mitarbeitern nicht gezogen wurden, obwohl die adaptiven Systeme sie anzeigten.

Abbildung 2: Vernetzung eines sogenannten Mind-Leitstands mit der Umgebung. Mit einem Mind-Leitstand sollen die Hebel identifiziert werden, die von Mitarbeitern nicht gezogen wurden, obwohl die adaptiven Systeme sie anzeigten.

Aus dieser Thematik entsteht die Managementaufgabe zu erkennen, dass bestimmte Hebel nicht gezogen werden und den Grund dafür herauszufinden. Und diese Hebel müssen auf jeder Ebene erkannt werden, damit die Manager ihre Mitarbeiter entsprechend aufklären und motivieren können. Steffen Berghof führt hier gerne folgendes Beispiel an: »Ich schließe das Fenster, wenn ich heize, weil ich erkannt habe: Das ist ein Hebel, warum es nicht warm wird. Dabei bleibt die Heizung die Heizung, der Regler der Regler und der Heizkörper bleibt der Heizkörper. Aber mit einem Schlag wird sich trotzdem der Zustand ändern.« Der Mensch muss also mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten berücksichtigt werden. Er muss immer unterscheiden, was lässt sich automatisieren, was nicht und wo muss man manuell eingreifen. Dabei soll der manuelle Eingriff tendenziell immer weniger werden.

 

Die Simulationsplattform des DPA

Über eine Simulationsplattform des DPA lassen sich verschiedene Zukunftsszenarien durchspielen, um optimale künftige Parametereinstellungen einschließlich der Personalkapazität zu erreichen. Da die Plattform komplett auf der Basis von Netzplantechnik arbeitet, lassen sich die klassischen MRP-Strukturen (Materialbedarfsplanung) auch ohne weiteres mit Projektmanagement-Netzen anreichern. Unter Berücksichtigung aller bereits in das ERP-System eingelasteten Aufträge – aber auch der noch nicht vorhandenen Daten über sogenannte Typenvertreter – kann ein langfristiger Kapazitätsforecast erstellt werden. Es ist so möglich, Auslastung und Engpässe über einen großen Zeithorizont hinweg zu ermitteln, Arbeitszeitmodelle langfristig zu planen und frühzeitig Make-or-Buy-Entscheidungen zu treffen.

 


Volker Vorburg
Bilder: © Billion Photos, Alexzel, Julia Kopacheva, hobbit, Blooma, Viktor88 /shutterstock.com 

 

Schreiben Sie einen Kommentar