Adobe kauft Marketo: Manchmal ist 1+1 = 0,5

Herzlichen Glückwunsch an Adobe für den 4,8 Milliarden Dollar teuren Kauf von Marketo. Das sind große Neuigkeiten für den Marketing-Automation-Bereich. Marketo wurde für etwa 1,8 Milliarden Dollar gehandelt, als Vista Private Equity das Unternehmen übernommen hatte, nur um es für mehr als das Zweieinhalbfache dieses Werts wenige Jahre später wieder abzustoßen. Damit hat Adobe den Aufbau hochwertiger Assets in seinem Portfolio eindrucksvoll fortgesetzt – Omniture, Day Software (jetzt Adobe AEM), Neolane (jetzt Adobe Campaign), TubeMogul und zuletzt Magento. Diese Übernahmen kennzeichnen Adobe ganz klar als Marktführer im Bereich Customer Experience – was sich auch im Aktienkurs widerspiegelt.

 

Durch die Übernahme von Marketo erhöht Adobe den Druck auf seine Konkurrenten, darunter Salesforce (deren B2B-Marketing-Lösung Pardot viel weniger ausgereift ist), Oracle (deren Eloqua-Akquisition am unmittelbarsten mit Marketo konkurriert), IBM (mit Unica und Silverpop, die nicht mehr up-to-date sind) sowie SAP (das abgesehen von Hybris Marketing über keine weiteren Lösungen für Marketing-Automation verfügt). Adobe war sehr effektiv darin, hochwertige Assets zu übernehmen, das Portfolio anzupassen und seinen Total Addressable Market (TAM) auszuweiten. Für Adobe hat 1+1 oft > 2 ergeben.

 

Was ist aber mit Partnern und Kunden? Für sie bedeutete es oft: 1+1 = 0,5. Und die Marketo-Übernahme verstärkt diesen Trend nur noch. Es ist deshalb wichtig zu verstehen, dass das, was im besten Interesse des Käufers ist, nicht zwingend auch im besten Interesse von Kunden oder Partnern ist. Folgendes gilt es zu beachten:

 

  1. Nicht dem Hype der »stärkeren Integration« glauben:
    Von einer Übernahme versprechen sich viele Unternehmen, dass daraus eine Lösung entsteht und weiterentwickelt wird, die einfach integrierbar ist und in der alle Daten enthalten sind. Aber wie schwierig ist es – fast zehn Jahre nach der Übernahme von Omniture durch Adobe – etwas wirklich Simples zu tun, wie zum Beispiel eine Webdatenanalyse oder eine personalisierte Werbekampagne durchzuführen? Oder eine E-Mail-Kampagne? Man kann argumentieren, dies sei nicht leichter als vor zehn Jahren, als Omniture noch unabhängig war. Und das ist keine Überraschung. Welchen Anreiz hat ein Acquirer, seine Cloud-Plattform umzugestalten, um Integrationen voranzutreiben, wenn er doch sein ganzes Geld damit verdient, Unternehmen eine neue Anwendung zu verkaufen? Bedenken sollte man, dass es sehr schwierig ist, unabhängige Cloud-Systeme zu integrieren.

 

  1. »Kostensynergien« = schlechterer Kundenservice:
    Ein Business Case wie der von Marketo – also ein Verkauf, der den Umsatz von Marketo um ein Zehnfaches übersteigt – beinhaltet zweifelsohne erhebliche Kostensynergien. Anders ausgedrückt: Im Unternehmen sollen Kosten eingespart werden, um Wert zu schaffen. Was bedeutet das für Partner und Kunden? In der Regel hat dies weniger Account-Manager zur Folge, die diese betreuen, weniger Developer, die entwickeln, und weniger Support-Mitarbeiter, die ihre Anrufe entgegennehmen. Alles in allem bedeutet das für Partner und Kunden eine schlechtere Kundenerfahrung.

 

  1. Verlust der unternehmerischen DNS:
    Mit dieser Akquisition können Partner und Kunden davon ausgehen, dass viele wichtige Mitarbeiter ihre Boni erhalten und das Unternehmen anschließend verlassen. Und das bedeutet, dass die Menschen, die sich bisher am meisten um die Marke und das Versprechen dahinter bemüht haben, unweigerlich innerhalb kürzester Zeit – also in ein, zwei, maximal drei Jahren – verschwunden sind. In der Zwischenzeit wird man feststellen, dass die Mitarbeiter durch eine Unmenge an internen Abstimmungsgesprächen und Unternehmenspolitik abgelenkt sein werden. Und die Mitarbeiter, die wegen der Bezahlung bleiben, um das System weiter zu betreuen, haben für gewöhnlich wenige Anreize, Innovationen voranzutreiben.

 

  1. Verrückte Verkaufsanreize und Bündelung:
    Eines der ersten Dinge, die ein Acquirer wie Adobe tun wird, ist, ein eigenes Vertriebsteam zu bilden und signifikante Verkaufsanreize zu schaffen, um das Upselling von Marketo voranzutreiben. Was bedeutet das wiederum für Kunden und Partner? Es bedeutet, dass Adobe zunächst den Preis der Software erhöhen und anschließend Rabatte anbieten wird, wenn Unternehmen weitere Software von Adobe erwerben. Adobe wird alles tun, damit Partner oder Kunden ein neues Tool kaufen, ganz gleich, ob sie es benötigen oder nicht. Außerdem wird das Unternehmen Enterprise Licensing Agreements (ELAs) forcieren, um zu versuchen, sie an ihre Software zu binden (gut für Adobe, schlecht für Unternehmen).

 

  1. Das Ökosystem ausschlachten:
    Mit der Vergrößerung des Adobe-Portfolios wächst der Anteil der Einnahmen aus dem Dienstleistungsgeschäft auf rund 20 bis 25 Prozent des gesamten Umsatzes. Diese Vermögenswerte muss jemand integrieren. Damit ist Adobe nicht mehr im Softwaregeschäft tätig. Es handelt sich vielmehr um ein Software- und Dienstleistungsgeschäft. Somit tritt Adobe in direkten Wettbewerb zu allen Systemintegrations-Partnern. Noch schlimmer: Mit jeder Akquisition in ein neues Segment kann Adobe nicht mehr mit Independent Software Vendors (ISVs) aus diesem Ökosystem zusammenarbeiten. Anders ausgedrückt: Wenn ein Unternehmen beispielsweise Marketo-Kunde ist, allerdings ein anderes Content-Management- oder Analytics-System verwendet, hat es vermutlich Pech. Zu einer Fülle bereits vorhandener Insellösungen kommt also eine weitere hinzu.

 

Nicht alle Übernahmen sind schlecht für Kunden und Partner. Manchmal kann es auch sein, dass der Investor einen erheblichen Betrag an neuem Kapital investiert (in diesem Fall jedoch nicht entscheidend, da Vista Equity ebenfalls über ausreichend Kapital verfügt). Manchmal haben solche Unternehmen eine klare Roadmap zur Integration der Produkte, die es erlaubt, wichtige Anwendungsszenarien zu adressieren (auch das geschieht hier nicht – Marketing-Automation war schon immer einfach in andere Systeme zu integrieren). Manchmal ist der Acquirer einfach der neue Eigentümer eines neuen Assets und es ändert sich gar nicht viel (das ist hier nicht der Fall, weil es zu verlockende Umsatz- und Kostensynergien gibt).

 

Unternehmen profitieren deutlich mehr, wenn Anbieter gemeinsam mit ihnen eine Experience-Cloud entwickeln. Die Experience Cloud sollte modern, offen und logisch sein, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning unterstützen und eine extrem hohe Geschwindigkeit für Kunden und Partner erzielen. Wir glauben nicht, dass Unternehmen, um die Zufriedenheit ihrer Kunden zu steigern, einfach nur eine Experience-Cloud kaufen können. Wir sind sicher, dass sie ihre Digital Experience entwickeln und aufbauen müssen, um ihre Marke in einer einzigartigen Weise zu präsentieren. Deshalb freuen wir uns, dass der Elefant in unserer Branche durch eine weitere Übernahme jetzt noch ein bisschen langsamer geworden ist.

 

Raj de Datta, CEO und Co-Gründer von Bloomreach

www.bloomreach.com

 

Raj De Datta ist Co-Gründer und CEO von Bloomreach (www.bloomreach.com), einem Anbieter im Bereich personalisierter Digital Experience. Bevor er die Firma 2009 zusammen mit dem ehemaligen Google-Search-Engineer Ashutosh Garg gründete, war er Unternehmensberater bei Mohr-Dawidow Ventures, Directors of Product Marketing bei Cisco und Mitglied des Gründerteams beim Telekommunikationsunternehmen FirstMark/LambdaNet. Er erwarb seinen Bachelor of Science in Elektrotechnik an der Princeton University und seinen MBA an der Harvard Business School. Seine Gedanken über den Umgang mit den Herausforderungen eines schnell wachsenden Start-ups teilt er auf seinem Blog DeDatta.com.

 


 

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