Agilität in dynamischen Märkten: Die Wertschöpfung ins Zentrum rücken

Illustration: Absmeier

 

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung sehen sich zahlreiche Unternehmen mit einem unübersichtlichen und schnelllebigen Marktumfeld konfrontiert. In einem Setting, das maßgeblich durch Digitalisierung als Veränderungstreiber gekennzeichnet ist, stellen althergebrachte Strukturen und vor allem streng hierarchische Organisationsformen Hürden dar. Diese stehen der Transformation im Weg. Agile Arbeits- und Organisationsmodelle versprechen, eine passende Antwort auf die neue Marktdynamik zu sein, indem sie die notwendige Kunden- und Mitarbeiterorientierung ermöglichen. Vielen Unternehmen fehlt jedoch ein Anknüpfungspunkt, wo und wie sie am besten beginnen oder aus ersten Pilotprojekten nachhaltig Änderungen verankern können. Eine Roadmap dient als Wegweiser für eine solche Umstellung in eine an der Wertschöpfung orientierte, durchgehend agile Arbeitsweise. Die Anforderungen und Tätigkeiten, die hier eine Rolle spielen, lassen sich sehr gut anhand der Dimensionen Menschen, Organisation, Technik sowie Dienstleister und Schnittstellen bündeln. Im Folgenden widmet sich die Betrachtung den ersten beiden Aspekten Mensch und Organisation.

 

Von Unternehmen lange als sicher gewähnte Bereiche der eigenen Wertschöpfung und Marktdominanz werden allmählich durch Wettbewerber herausgefordert, die ein geringes Maß an Bürokratie, hohe Innovationsfreude, kompromisslosen Kundenfokus sowie eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit auszeichnen. Die Herausforderungen: Unternehmen müssen reagieren, neue Wege einschlagen und den Wandel mit den Mitarbeitern intelligent auf Augenhöhe gestalten. Der Weg führt dann oft zu hybriden Arbeitsformen wie klassischem Projektmanagement gepaart mit agilen Teams. Diese bedingen aber viele Einschränkungen, weil die Geradlinigkeit des einen Frameworks mit der Flexibilität des anderen nicht zusammenpasst.

Wer Agilität anstrebt, sollte seine Organisation deswegen ganzheitlich entlang der Wertströme über alle Planungsebenen hinweg von Anfang bis Ende »agilisieren«: In dieser Durchgängigkeit steckt der zentrale Einflussfaktor für die Leistungsfähigkeit einer effektiven Organisation. Denn die agile Transformation berührt immer das Kerngeschäft und betrifft das gesamte Unternehmen: Von den strategischen bis zu den operativen Geschäftsbereichen muss die Wertschöpfung das bestimmende Element sein. Sie stellt die Antwort auf die Sinnfrage dar; statt Prozessen und Einzelergebnissen rückt sie ins Zentrum.

 

Die Roadmap als Wegweiser

Die Umstellung auf agile Arbeitsweisen erfordert eine erhebliche Transformation und benötigt daher Wegweiser. Hierfür ist eine Roadmap sinnvoll, die idealerweise im Zusammenspiel mit einem Partner wie der iTSM Group aufgesetzt wird. Denn auch bei der Einführung gilt es, agil vorzugehen und Umsetzungen bereits über überschaubare, regelmäßig (re-)priorisierte Arbeitspakete und Backlogs zu organisieren, statt einem detaillierten Projektplan zu folgen. Die Erstellung einer strukturierten Roadmap gibt dazu die Orientierung und den nötigen Halt.

Eine solche Roadmap fußt auf einer Analyse zur Standortbestimmung, aus welcher eine schrittweise wie zeitnahe Umstellung individuell abgeleitet und anhand derer die generischen Schritte vereinbart werden. Dabei wird im Unternehmen eine Gruppe von agilen Coaches und Changemanagern als Multiplikatoren der Methodik aufgebaut. Parallel beginnen diese ihre Arbeit in einem Teilbereich, der dafür bereits gut aufgestellt ist – zum Beispiel ein Bereich der IT bzw. ein Segment, das nicht zu viele Schnittstellen zu anderen hat und großen Nutzen aus einer Transformation zur agilen Arbeitsweise ziehen würde. So gelingt die Pilotierung in einem Unternehmensbereich ohne dafür sofort alle zentralen Abteilungen des Unternehmens einzuspannen.

Sukzessive können nach einer erfolgreichen Pilotierung die anderen geeigneten Organisationseinheiten auf agile Arbeitsweisen umgestellt werden. Die Roadmap definiert damit eine machbare Vorgehensweise und ist gleichzeitig auf das Changemanagement ausgerichtet: Sie schafft Transparenz über Rahmenbedingungen, bereitet grundsätzliche Schritte zur Umstellung vor und antizipiert deren mögliche Auswirkungen. Je besser die Roadmap überlegt ist und auf die bereits gewonnenen Erfahrungen angepasst wird, desto weniger Reibungsverluste entstehen.

Um die agile Transformation ganzheitlich anzugehen und alle Fragestellungen zu beantworten, werden die vier Dimensionen Menschen und Mitarbeiter, Organisation und Abläufe, Technik sowie Dienstleister bzw. Schnittstellen als Cluster in der Roadmap betrachtet und mit den entsprechenden Maßnahmen versehen.

 

Roadmap-Dimension: Mitarbeiter

Unternehmen stehen mit Blick auf die Mitarbeiter vor einer neuen Situation: Engagierte Mitarbeiter wünschen sich flexiblere Arbeitsumgebungen und wollen sich aktiv in die Gestaltung ihrer Aufgaben bzw. ihres Arbeitsumfelds einbringen. Hier gilt es, Raum für eigenverantwortliches Agieren zu schaffen und ein agiles Mindset vorzuleben, wobei die Haltung des Managements und der in den agilen Organisationen bekannten Rollen wie Scrum Master und Product Owner wesentlich für den Erfolg sind. Denn es verlangt nicht nur eine inhaltliche Ausbreitung des Know-hows, sondern auch die Schaffung der Rahmenbedingungen, wenn Rollen und Mitarbeiter nicht mehr in Silos gebunden sind, sondern in Value Streams, also in wertgebenden Geschäftsprozessen, agieren sollen. Dabei hilft ein längerfristiges Change- und Methoden-Management um besser zu verstehen, wo und von wem künftig auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden. Fehlt wegen der alten Silo-Struktur die Erfahrung mit Rollen und im Umgang mit diesen Entscheidungen, kann Coaching unterstützen.

Entscheidungen, die von einigen wenigen top-down getroffen werden, engen den Handlungsspielraum der Organisation auf die Fantasie und das Können dieser wenigen ein. Wenn die Entscheidungsbefugnis und Verantwortung dagegen gemeinsam als Mandat bei den Teams und Rollen liegen, die die Informationen und das Know-how haben, werden sie schneller und verlässlicher getroffen. So erweitert sich das Gesamtpotenzial, weil das Know-how jedes Einzelnen genutzt wird – für Unternehmen ist das von unschätzbarem Wert. Die damit einhergehende Dynamik hilft, mit der Schnelligkeit des Marktes Schritt zu halten.

 

Wertschöpfung durch Zusammenarbeit

Die Wertschöpfung steht bei der agilen Transformation im Zentrum. Sie stellt immer ein Ergebnis von Zusammenarbeit dar. Dabei managen die Teams eigenständig, welche Fähigkeiten und welches Know-how sie benötigen, um autonom und handlungsfähig zu sein. Fehlt hier die Erfahrung, kann durch Coaching-Angebote oder Communities unterstützt werden. Das gemeinsame Lernen und die passenden Strukturen unterstützen das gegenseitige Zutrauen, um gut als Team zusammenzuarbeiten. Transparenz über Aufgaben und Prioritäten in der Zusammenarbeit entsteht durch den Fokus auf die Wertströme. Somit werden Black-Box-Strukturen aus den Silos aufgelöst.

Die Grundlage für das gemeinsame Verständnis der Planung sind Aktivitätslisten und geordnete Boards. Die agilen Prinzipien und die DevOps Bewegung sind mögliche Impulsgeber dafür, welche Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen hilfreich sein können. Bei der Skalierung agiler Methoden gibt es Planungsebenen, die berücksichtigt werden und miteinander verknüpft sind. Es wird in kurzen Iterationen gearbeitet, die jeweils mit der Erfüllung eines zugesagten Zieles abgeschlossen werden sollten: Das Team liefert funktionierende (Teil-)Produkte an die Kunden und holt sich direkt Feedback. So ist für alle ein kontinuierlicher Fortschritt erkennbar, die gewählte Granularität macht die Lieferergebnisse vorhersagbar und die kurzen Intervalle erlauben die Flexibilität für zügige Kurskorrekturen. Damit wird der konkrete Nutzen für den Kunden ständig evaluiert und Wertschöpfung entsteht, denn nur diese steht im Zentrum der Ergebnismessung. Aktivitäten und aufgewendete Zeit sind deshalb keine Indikatoren für geleistete Arbeit mehr. Es geht nun allein darum, nicht die Aufgabe in ihrer Ausführung als Qualitätsmerkmal zu messen, sondern sie immer in Bezug auf das zu erreichende Ziel zu bewerten.

 

Roadmap-Dimension: Organisation und Abläufe

Jahrelang erhoffte man sich durch den Skaleneffekt Einsparungen, indem man fachliche Aufgaben und Rollen in Silos bündelte. So entstehen aber zahlreiche Schnittstellen, sodass kein Informationsfluss, keine klare Verantwortung und nur geringe Transparenz über die Leistung erreicht werden können. Zum Aufbrechen der Silos eignet sich die Ausrichtung an Rahmenwerken wie agile DevOps, SAFe, LeSS, Nexus oder ITIL 4: Mitarbeiter verstehen, warum und für wen sie ihre Aufgaben erledigen; die Entwicklung in Iterationen nah am Kunden erlaubt die Ausrichtung auf seine Bedürfnisse.

Wird so die gesamte Organisation an den Wertströmen ausgerichtet, leiten sich daraus letztendlich der optimale Zuschnitt von Teams und die ideale Besetzung der Positionen ab. Durch die Skalierung über die verschiedenen Planungsebenen werden zudem Prioritäten harmonisiert, sodass ein zielorientiertes Arbeiten möglich wird.

 

Fazit

Menschen bzw. Mitarbeiter sowie Organisation und Abläufe sind zwei zentrale Dimensionen auf dem Weg zur agilen Transformation. Zusammenarbeit, Entscheidungsfreiheit und Transparenz rücken in den Fokus, um entlang der Wertschöpfungskette kundenfokussiert zu agieren. Gearbeitet wird inkrementell mit einzelnen Produktbausteinen, die in Feedbackschleifen sofort dem Kunden vorgestellt werden. Nicht die Aktivität entscheidet über den Erfolg, sondern der messbare Mehrwert für den Kunden.

Timo Schrader, Principal, iTSM Group

Bernd Ebert, Management Consultant Enterprise Service Management, iTSM Group

Susanne Ebersohn, Senior Consultant Enterprise Service Management, iTSM Group

 

https://www.itsmgroup.com/themen/agile-transformation