Arbeitsmärkte als Matching-Märkte – Besseres Staffing durch Matching?

Ein Interview mit dem Spieltheoretiker Roland Wehner über aktuelle Herausforderungen im internen Arbeitsmarkt und die Zukunft von Personalentscheidungen.


Herr Wehner, Matching kennt der ein oder andere vielleicht, der auf Dating-Apps unterwegs ist, aber was genau sind Matching-Märkte?

Ökonomen bezeichnen damit Märkte, auf denen der Preis nicht die ganze Arbeit macht oder es vielleicht nicht einmal einen Preis gibt – also Märkte auf denen Präferenzen aller Marktseiten bestimmen wer was bekommt.

Bekannte Beispiele für Matching-Märkte sind Arbeitsmärkte, die Verteilung von Absolventen auf Krankenhausstellen, Kindern auf KITA-Plätze, oder sogar die Verteilung von Spendernieren.

 

Roland Wehner,
Produkt-Manager bei TWS Partners

 


Klingt interessant, aber wie passen Arbeitsmärkte in diese Auflistung? Gibt es dort durch die Gehälter nicht einen »Preis«?

Das ist zwar richtig, aber dennoch stellt ein Arbeitgeber in der Regel nicht jeden Arbeitnehmer ein, der für ein bestimmtes Gehalt bereit ist zu arbeiten. Auch ich habe mir nicht einfach ausgesucht, bei TWS zu arbeiten, sondern musste eingestellt werden. Genauso reicht es innerhalb eines Unternehmens nicht aus mir mein Lieblingsprojekt auszusuchen, sondern das Projektteam muss gleichzeitig auch Bedarf für mich haben.

Insofern sind Arbeitsmärkte sogar sehr gute Beispiele für Matching-Märkte. Insbesondere interne Arbeitsmärkte sind interessant, weil hier die Unternehmen selbst die Kontrolle über die Marktgestaltung haben.


In diesem Fall übernehmen doch die Personalabteilungen das was sonst der Preis macht: Angebot und Nachfrage treffen sich dort wo die Präferenzen von Mitarbeitern und der Bedarf der Projekte zusammenpassen. 

In der Praxis ist das vor allem für Unternehmen mit einer hohen Anzahl an Beschäftigten eine große Herausforderung: Es müssen neben den Bedarfen und Präferenzen beider Seiten auch Erfahrungen, Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale berücksichtigt werden. Das führt zu komplexen und langsamen Personalprozessen mit mangelnder Transparenz, für die Unternehmen viele Ressourcen aufbringen. 

Eine weitere Herausforderung stellen die Verfügbarkeiten dar: Beim Start eines neuen Projekts sind die geeignetsten Mitarbeiter oftmals bereits in anderen Projekten eingesetzt und haben keine Kapazitäten mehr. Es entstehen ineffiziente Zuteilungen von Mitarbeitern auf Projekte und unausgeglichene Kapazitätsauslastungen. Häufig leidet wegen der fehlenden Mitsprache zudem die Zufriedenheit der Mitarbeiter. 


Gibt es Möglichkeiten wie Unternehmen diese Komplexität reduzieren und Mitarbeitern mehr Mitspracherecht geben können?

Aus ökonomischer Sicht handelt es sich beim internen Arbeitsmarkt um ein klassisches »Matching-Problem«. Unternehmen können sich daher an den Erkenntnissen eines innovativen Forschungsfeldes bedienen: Alvin Roth und Lloyd Shapley erhielten 2012 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für ihre Arbeit rund um Matching-Märkte. Sogenannte Matching-Algorithmen berücksichtigen die persönlichen Präferenzen beider »Marktseiten« und erstellen basierend darauf eine Zuteilung, die effizienter, stabiler und attraktiver ist. Zudem wird strategisches Verhalten unterbunden.


Das hieße doch, es steigt nicht nur die Qualität der Personalzuteilungen, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit. Warum werden Matching-Mechanismen trotz dieser Vorteile in der Praxis von Unternehmen nicht angewendet?

Es gibt bereits eine Reihe von Unternehmen, die Matching-Mechanismen für interne Arbeitsmärkte nutzen: Die Deutsche Lufthansa teilt beispielsweise seit geraumer Zeit ihre Piloten & Flugbegleiter mithilfe eines Matching-Tools auf Flugrouten zu. Google hat vor einigen Jahren einen internen Matching-Markt gestaltet, um Software-Entwickler ihren Projekten zuzuweisen. Aber auch alteingesessene Unternehmen nutzen Matching: Erst kürzlich haben wir ein marktführendes DAX-Unternehmen bei der Umstrukturierung zu einem Mitarbeiterpool-Modell und der Anwendung eines Matching-Algorithmus zur Verteilung der Projekte innerhalb des Pools unterstützt. 


Wenn das Staffing alleine durch einen Algorithmus erfolgt, gehen dann nicht die menschlichen und weichen Faktoren von Personalentscheidungen verloren?

Ein Matching-Mechanismus schafft objektivere und faktenbasierte Personalentscheidungen. Gleichzeitig dürfen menschliche und emotionale Aspekte nicht verloren gehen. Wir Menschen wollen keine reinen Datenpunkte in einem Algorithmus sein.

Daher müssen bei der Gestaltung von Märkten und ihren Mechanismen unbedingt die spezifischen Anforderungen und Interdependenzen eines Unternehmens berücksichtigt werden. Zum Beispiel könnte der vom Matching-Algorithmus generierte Staffing-Vorschlag anhand von zusätzlichen Kriterien adjustiert werden, bis Beschäftigte und Projektteams mit der Empfehlung einverstanden sind. 


Ein weiterer wichtiger Punkt ist vermutlich Datenschutz – wie wird dieses Thema adressiert?

Absolut. Der Einsatz eines Matching-Tools garantiert einen hochsensiblen Umgang mit Personaldaten, da Mitarbeiter und Vorgesetzte nur das Ergebnis des Matchings und nie die Präferenzen und Angaben des Gegenübers sehen. Tatsächlich ist der Schutz der Daten eine notwendige Bedingung für das Funktionieren des Mechanismus, da nur so sichergestellt werden kann, dass Mitarbeiter und Vorgesetzte ihre wahren Präferenzen mitteilen. 


Und wie würde die konkrete Umsetzung in einem Unternehmen aussehen?

Das hängt von den Anforderungen des Unternehmens ab, ein »One size fits all« sehe ich aktuell hier noch nicht. Die Entwicklung des eigentlichen Matching-Algorithmus erfolgt zunächst einmal rein konzeptionell und kann je nach den Voraussetzungen im jeweiligen Unternehmen implementiert werden.

Konkret bedeutet das: Das Matching-Tool kann sowohl eine separate webbasierte Anwendung sein als auch in bestehende Personalprogramme integriert werden. Auch die Art des Dateninputs variiert – in manchen Fällen kann dies direkt im Tool selbst geschehen (zum Beispiel wenn Mitarbeiter Präferenzen über Projekte äußern), während in anderen Fällen eine Anbindung an bestehende Systeme sehr sinnvoll ist, zum Beispiel um Kerndaten von Projekten zu importieren.

Herr Wehner, vielen Dank für das Gespräch.

 


Roland Wehner ist Produkt-Manager für Matching-Lösungen bei der Unternehmens­beratung TWS Partners, die auf die Anwendung der Spieltheorie in der Praxis spezialisiert ist.

 

Illustrationen: © Cassette Bleue/shutterstock.com